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Es blieb beim Versuch: Die Polizei konnte das Smartphone des betroffenen Besitzers nicht entsperren (Foto: Asim-Backgrounds / stocck.adobe.com)
Smartphone-Zugriff durch Strafverfolgungsbehörden

EuGH zum polizeilichen Zugriff auf Handydaten

ESV-Redaktion Recht
10.10.2024
Unter welchen Voraussetzungen darf die Polizei Smartphones von Bürgern auslesen? Umstritten ist vor allem, ob der Zugriff nur bei dem Verdacht von schweren Straftaten erlaubt ist und ob hierfür eine richterliche Kontrolle oder die Kontrolle durch andere Behörden erforderlich ist. Unter anderem zu diesen Fragen hat sich der EuGH aktuell geäußert.
In dem Streitfall hatte die Bezirkshauptmannschaft Landeck – eine Einheit der österreichischen Polizei – während einer Suchtmittelkontrolle, bei der sie 85 Gramm Cannabiskraut fand, ein Mobiltelefon sichergestellt und beschlagnahmt.
 
Die Polizisten wollten anschließend auf die persönlichen Daten des Handy-Nutzers zugreifen und versuchten daher erfolglos das Gerät zu entsperren. Über diese Versuche hat die Polizeibehörde den Betroffenen nicht informiert. Ebenso wenig hat sie ihre Auslese-Versuche dokumentiert. Auch eine richterliche Genehmigung hat sie nicht eingeholt. 
 
Erst nachdem der Betroffene sich mit einer Beschwerde an ein Gericht in Österreich gegen die Beschlagnahme gewendet hatte, erfuhr er von den weiteren Aktivitäten der Polizei.
 
Das österreichische Gericht legte die Sache dann dem EuGH vor, unter anderem mit der Frage, ob die nationale Regelung, die die Polizei als Rechtsgrundlage benannte, mit Unionsrecht vereinbar ist. Die Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wurde, ist ein minderschweres Vergehen.

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EuGH: Eingriff in Rechte der Betroffenen setzt gesetzliche Grundlage voraus

 
Der EuGH hat zunächst einige allgemeine Fragen geklärt und anschließend die Voraussetzungen für das Auslesen von Handydaten durch Ermittlungsbehörden – bzw. den Versuch – präzisiert. Prüfungsmaßstab sind vor allem Art. 5 und Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG in Zusammenschau mit der Richtlinie 95/46/EG.
 

Allgemeinere Ausführungen

  • Unionsregeln gelten auch für Versuch:  Der EuGH hob zunächst hervor, dass die anwendbaren Unionsregelungen auch für Versuche gelten, Zugang zu den Handydaten zu erhalten. Damit muss der Zugriff – entgegen den Annahmen einiger Regierungen – nicht erfolgreich sein.
  • Zugriff bzw. Versuch kann besonders schwerwiegender Eingriff sein: Anschließend führte der EuGH aus, dass der Zugang zu Daten, die auf einem Mobiltelefon gespeichert sind, ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen sein kann. So ermöglichen zum Beispiel Nachrichten, Fotos oder der Verlauf der aufgerufenen Internetseiten sehr genaue Rückschlüsse auf das Privatleben dieser Personen. Auch besonders sensible Daten sind ggf. abrufbar. Derartige Eingriffe sind zwar nicht per se verboten, sie müssen aber verhältnismäßig sein.
  • Zugriff nicht nur beim Verdacht von schweren Straftaten: Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines derartigen Eingriffs ist die Schwere der Straftat, wegen der die Behörden ermitteln, ein „zentraler Parameter“. Sollte ein behördlicher Zugriff auf Daten eines Mobiltelefons aber nur bei der Bekämpfung von besonders schwerer Kriminalität rechtlich möglich sein, würde dies die Ermittlungsbefugnisse und den Ermittlungserfolg der Behörden unangemessen einschränken. Die Folgen wären erhöhte Gefahren für die Straflosigkeit von Straftaten im Allgemeinen. Die Eingriffsbefugnisse dürfen sich deshalb nicht nur auf besonders schwere Straftaten beschränken.


Die Voraussetzungen für den Handy-Zugriff oder den Versuch

 
  • Gesetzliche Grundlage für Eingriff erforderlich: Der Eingriff muss gesetzlich vorgesehen sein. Der nationale Gesetzgeber hat die hier zu berücksichtigenden Gesichtspunkte zu definieren. Dies gilt vor allem für die Kategorien der betreffenden Straftaten.
  • Grundsätzlich vorherige Kontrolle: Der Zugriff bzw. der Versuch ist prinzipiell durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle zu kontrollieren. Allerdings kann der nationale Gesetzgeber Ausnahmen für hinreichend begründete Einzelfälle festlegen. In diesem Fall ist die Kontrolle aber kurzfristig nachzuholen. Nach Auffassung des Luxemburger Gerichts sorgt die Kontrolle für einen gerechten Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Interessen der Besitzer von Smartphones und den Erforderlichkeiten der Kriminalitätsbekämpfung.
  • Information des Betroffenen: Zu guter Letzt ist der Betroffene über die Gründe der Genehmigung des Datenzugriffs zu informieren – und zwar spätestens dann, wenn diese Information die weiteren Ermittlungen nicht mehr beeinträchtigen kann.
Quelle: EuGH-Urteil vom 04.10.2024 – C-548/21


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(ESV/bp)

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