
Fachsprachenunterricht für Fremdsprachler
Wozu fremde Fachsprachen?
Die Aneignung einer fremden Sprache folgt oftmals spezifischen Anforderungen in Ausbildung und Beruf. Wichtige Beispiele für den Erwerb von fachlichen Fremdsprachen und ihrer entsprechenden Anwendungsfelder sind beispielsweise die folgenden (vgl. Kniffka/Roelcke 2016b, 83):- Studierende und Berufstätige der ganzen Welt erwerben eine Fremdsprache, um außerhalb ihres Heimatlandes ein Studium zu absolvieren oder eine Arbeitsstelle anzutreten; neben oder statt der internationalen Lingua franca Englisch kann dies jeweils auch die Verkehrssprache des betreffenden Landes sein.
- In zahlreichen postkolonialen Gesellschaften sind das Englische oder das Französische noch immer Verwaltungs- und Bildungssprache; in manchen afrikanischen oder asiatischen Ländern bildet eine Zweitsprache das Medium, in dem der fachliche Unterricht in den höheren Schulen oder an den Universitäten erteilt wird. [...]
- Länder, die einen hohen Anteil an Migranten zeigen (so zum Beispiel Australien oder Kanada, in jüngerer Zeit aber auch Deutschland) stehen vor der Aufgabe, Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in der Sprache der Mehrheit zu beschulen; hierbei bildet eine Zweitsprache das Fundament des Lehrens und Lernens. [...]
Die Anforderungen an den Fachsprachenunterricht für Fremdsprachler mit Sprachvorkenntnissen sind hierbei prinzipiell mit denjenigen an den Fachsprachenunterricht für Erstsprachler zu vergleichen. Da bei dem Lernenden Kenntnis und Kompetenz der betreffenden Allgemeinsprache vorausgesetzt werden können, setzt diese Form der fremdsprachlichen Fachsprachenausbildung wie die erstsprachliche Fachsprachenausbildung mehr oder weniger unmittelbar an der fachsprachlichen Kommunikation selbst an und hat deren Besonderheiten Rechnung zu tragen. Sie baut ebenfalls auf den inhaltlichen und methodischen Grundlagen des allgemeinen Fachsprachenunterrichts auf, wobei dieser unter Umständen in der betreffenden Erst- und nicht in der Fremdsprache erfolgen mag. In einem weiteren Schritt kommen dann spezifische Schulungen zur Semantik, Grammatik und Pragmatik auf der lexikalischen, syntaktischen und textuellen Ebene in der entsprechenden fachlichen Fremdsprache selbst hinzu. Diese Vorgehensweise wird jedoch mit abnehmenden sprachlichen Vorkenntnissen der Lernenden zunehmend problematisch, sodass an den Unterricht ohne solche Vorkenntnisse gesonderte Anforderungen zu stellen sind.
Nachgefragt bei: Dr. Gianluca Cosentino | 24.05.2019 |
Cosentino: „Muttersprachliche Intonationsmuster werden übertragen“ | |
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Im modernen Fremdsprachenunterricht wird viel Wert auf die Aussprache der Wörter gelegt: Wir wollen korrekt verstanden werden. Vernachlässigt wird dabei oft die Prosodie. Über Satzmelodie, Tempo, Pausen und Akzente sprachen wir mit Dr. Gianluca Cosentino. mehr … |
Fremdsprachler ohne Sprachvorkenntnisse
Diese Anforderungen an den Fachsprachenunterricht für Fremdsprachler ohne Sprachvorkenntnisse richten sich zunächst einmal an den Erwerb der fremdsprachlichen Kenntnis und Kompetenz selbst. Hierbei sind wiederum zwei verschiedenartige Wege denkbar. Der erste dieser Wege besteht darin, zunächst eine umfassende Ausbildung im allgemeinsprachlichen Bereich der betreffenden Fremdsprache zu gewährleisten, um hieran anschließend eine spezielle Ausbildung im fachsprachlichen Bereich vornehmen zu können. Diese Spezialausbildung umfasst dann die fachsprachlichen Besonderheiten der betreffenden Fremdsprache im Allgemeinen sowie diejenigen innerhalb des einzelnen Fachbereiches im Besonderen. Hierbei ist eine kontrastive Unterrichtsmethode denkbar, die zum einen Vergleiche zwischen fremdsprachlicher Allgemein- und Fachsprache und zum anderen solche zwischen fremd- und erstsprachlicher Fachsprache zieht. So wünschenswert eine solche Ausbildung auch erscheinen mag: Sie erweist sich jedoch als derart zeit- und kostenaufwendig, dass sie vornehmlich solchen Berufsgruppen vorbehalten bleibt, deren Tätigkeit mehr dem fachsprachlichen und weniger dem fachsachlichen Bereich gilt und somit eine möglichst breit fundierte sprachliche Ausbildung erfordert; dies gilt zum Beispiel für Terminologen oder für Übersetzende und Dolmetschende. Im Falle anderer Berufsgruppen ist eine andere Art der Ausbildung erforderlich.Dieser zweite Weg eines Fachsprachenunterrichtes für Fremdsprachler ohne Sprachvorkenntnisse setzt auf die Vermittlung einer Auswahl fachsprachlich relevanter fremdsprachlicher Erscheinungen. Diese Auswahl bilden all diejenigen Besonderheiten, die in der betreffenden fremdsprachlichen Fachsprache eine hohe Vorkommenshäufigkeit aufweisen oder eine große Bedeutung haben. Die Grundidee einer solchen auswahlorientierten fremdsprachlichen Fachsprachenausbildung besteht also darin, die Lernenden auf möglichst unmittelbarem Weg mit denjenigen sprachlichen Erscheinungen schnell vertraut zu machen, die innerhalb der Fachkommunikation der betreffenden Sprache von Bedeutung sind; die übrigen fremdsprachlichen Erscheinungen bleiben danach einem weiterführenden Fachsprachenstudium vorbehalten. Dieser selektive Ansatz der fachsprachlichen Ausbildung sollte weder von sprachwissenschaftlicher noch von sprachdidaktischer Seite her vorschnell abgeurteilt werden, steht hierbei doch das Ziel eines möglichst zeit- und kostengünstigen Erwerbs von Sprachkenntnissen im Vordergrund, mit denen eine möglichst unmissverständliche Fachkommunikation zu gewährleisten ist. Eine solche Rationalisierung des fachlichen Fremdsprachenerwerbs ist etwa im Falle von mehr oder weniger kurzfristigen wirtschaftlichen oder institutionellen Verhandlungen sowie bei nationalen wissenschaftlichen Projektplanungen mit internationaler Beteiligung von großer Bedeutung.
Der Autor |
Professor Dr. Thorsten Roelcke ist Leiter des Fachgebiets und des Masterstudiengangs „Deutsch als Fremd- und Fachsprache“ sowie Wissenschaftlicher Leiter der „Zentraleinrichtung Moderne Sprachen“ (ZEMS) an der Technischen Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen fachlicher Kommunikation, Deutsch als Fremdsprache sowie Geschichte der deutschen Sprache. |
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FachsprachenVon Thorsten RoelckeDie moderne Welt ist durch eine zunehmende Spezialisierung von Kenntnissen und Tätigkeiten geprägt. Diese Entwicklung schafft täglich neue Bedingungen und Herausforderungen für die Kommunikation in einzelnen fachlichen Bereichen wie im Alltag. Vor diesem Hintergrund führt der Band in die theoretischen und methodischen Grundlagen sowie in die empirischen Ergebnisse der älteren und jüngeren Erforschung fachsprachlicher Verständigung ein und regt zu einer selbständigen Beschäftigung mit diesem wichtigen Gebiet der angewandten Sprachwissenschaft an.
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Programmbereich: Germanistik und Komparatistik