Das künftige Online-Verfahren vor den Amtsgerichten soll Prozesse beim Einfordern von niederschwelligen Geldsummen effizienter machen (Bild: MQ-Illustrations / stock.adobe.com)
Digitales Gerichtsverfahren
Gesetzgeber plant neues Online-Verfahren für Klagen vor den Amtsgerichten zum Einfordern von kleineren Geldsummen
ESV-Redaktion Recht
17.06.2025
Gerichtsverfahren vor den Amtsgerichten, die das Einfordern von geringeren Geldsummen zum Gegenstand haben, sollen vereinfacht werden. Dementsprechend hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) kürzlich einen Referentenentwurf vorgelegt, der – zunächst für Erprobungszwecke – alternativ die Einführung eines digitalen Gerichtsverfahrens vor den Amtsgerichten vorsieht.
Das neue zivilgerichtliche Online-Verfahren soll bei kleineren Streitwerten den Zugang zur Justiz vereinfachen und verbessern – und zwar über eine durchgängige Digitalisierung der Verfahrensabläufe sowie über eine stärkere datenbasierte Kommunikation mit den Gerichten. Damit soll vor allem die Effizienz von Massenverfahren steigen – bei gleichzeitiger Schonung von Ressourcen. Darüber hinaus strebt der Gesetzgeber eine bessere Strukturierung des Prozessstoffs an.
Das Vorhaben wird zunächst über eine Erprobungsgesetzgebung Freiräume erzeugen, um – in einem eingeschränkten Anwendungsbereich bundeseinheitlich und zeitlich begrenzt – neue Verfahrensabläufe und moderne Technologien zu testen. Damit nutzt der Gesetzgeber das Instrument der sogenannten Reallabore, um auf diese Weise einen regulatorischen Erkenntnisgewinn zu erhalten, so die Begründung zum Referentenentwurf.
Die Kernpunkte des Vorhabens
Anwendungsbereich
Zum Anwendungsbereich der neuen Regelungen gehören bürgerliche Rechtsstreitigkeiten vor den Amtsgerichten, die Ansprüche auf Zahlung von Geldsummen zum Gegenstand haben.
Allerdings beschränkt sich die Anwendung – zumindest während der Erprobung – auf Klageforderungen, die 5.000 EUR nicht übersteigen. Dies ergibt sich aus § 1122 Absatz 2 RegE in Verbindung § 23 Nr. 1 GVG. Zudem ist die neue Regelung als Alternative zu den bisherigen Gerichtsverfahren gedacht.
Verfahrenseröffnung
Die Einreichung der Klage kann über digitale Eingabesysteme erfolgen. Hierfür ist vorerst weiterhin die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs vorgesehen – und zwar über den kostenlosen Dienst „Mein Justizpostfach“. Bei der Klageerstellung werden die Rechtsuchenden durch Informationsangebote und Abfragedialoge unterstützt. Die Anwaltschaft wird über das beA einbezogen.
Ergänzung der ZPO
Um die Nutzung von digitalen Kommunikationstechniken zu stärken, sieht der Entwurf vor, die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO um Erprobungsregelungen zu ergänzen, und zwar vor allem durch:
- die Ausweitung von Videoverhandlungen,
- Erleichterungen im Beweisverfahren
Digitale Strukturierung des Prozessstoffs
Vor allem durch die Nutzung von elektronischen Dokumenten, Datensätzen und Eingabesystemen soll der Prozessstoff digital strukturiert werden. Vorgesehen ist dies insbesondere für Massenverfahren, etwa im Bereich der Fluggastrechte. Hierfür werden technische Standards und Dateiformate für die Datenübermittlung und die ressourcensparende Bearbeitung entwickelt.
Kommunikationsplattform
Die geplante Reform wird die rechtlichen Grundlagen für die Kommunikation zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten schaffen. So können zum Beispiel Anträge und Erklärungen unmittelbar über eine Kommunikationsplattform abgegeben werden.
Ebenso wird die Plattform die Bereitstellung und gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten durch die Parteien und das Gericht sowie die digitale Zustellung von Dokumenten ermöglichen. Im allerersten Schritt soll die Kommunikation aber nur zwischen den Gerichten und der Anwaltschaft stattfinden.
Senkung der Gerichtsgebühren
Im Vergleich zum bisherigen Zivilverfahren strebt das Vorhaben die Senkung Gerichtsgebühren an, um den Zugang zum Recht für niedrigschwellige Forderungen wirtschaftlich attraktiv zu machen. Für Wrtschaft verspricht sich der Gesetzgeber von dem Vorhaben Einsparungen in Höhe von rund 80.000 EUR im Jahr.
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Der weitere Fortgang
- Digitalisierungsprojekt des BMJV: Begleitet wird das Gesetzgebungsvorhaben durch ein Digitalisierungsprojekt des BMJV. In Projektpartnerschaften mit interessierten Ländern und Gerichten übernimmt der Bund eine koordinierende Rolle bei der Entwicklung und Erprobung des neuen Verfahrens. Aktuell beteiligen sich neun Länder und dreizehn Pilotgerichte an der Produktentwicklung. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung die Amtsgerichte bestimmen, die das Online-Verfahren im Echtbetrieb erproben sollen.
- Der erste Baustein: Als erster Baustein des Digitalisierungsprojekts auf Grundlage des geltenden Rechts ist bereits ein Onlinedienst für Fluggastrechte gestartet.
- Evaluierung: Zur Weiterentwicklung des Online-Verfahrens sieht der Entwurf eine Evaluierung jeweils nach vier bzw. acht Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes vor.
Quellen: PM des BMJV vom 13.06.2025
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