
Graichen fordert Klimaschutz-Sofortprogramm
Zwar gilt die deutsche Energiewende für viele Länder als Vorbild. Dennoch ist Deutschland im Stromsektor noch weit davon entfernt, dass alles rund läuft. Graichen hierzu: „Beim Thema Reduktion der CO2-Emissionen der fossilen Kraftwerke versagt Deutschland derzeit komplett”.
Auch Verkehrswende lässt auf sich warten
Die Ursachen hierfür sieht Graichen darin, dass der Stromsektor von klaren gesetzlichen Zielen profitiert, die zum Beispiel für den Ausbau der erneuerbaren Energien und den jährlichen Ausschreibungen für neue Wind-und Solaranlagen vorgegeben sind. Gleichzeitig wache die Bundesnetzagentur darüber, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet ist.Im Verkehrsbereich gebe es Ähnliches - nur auf EU-Ebene. Hier würden zumindest die CO2-Emissionen pro Kilometer immer weiter verschärft. Demgegenüber schaffe der Bundesverkehrswegeplan gegenwärtig noch keine Anreize für ein Umsteuern im Verkehr. Gleiches gilt für das Steuersystem und die Abgaben im Verkehrssektor.
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„Efficiency first” als Philosophie
Eine weitere wichtige Strategie für die kostenwirksame Transformation der Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr sieht er im Ausbau der Energieeffizienz. So könne beim Strom im Jahr 2035 jede Kilowattstunde, die nicht verbraucht wird, volkswirtschaftliche Effekte von bis zu 15 Cent haben. Graichen zufolge liegt dies daran, dass Energieeffizienz nicht nur Energie als solche spart, sondern auch den Neubau von Leitungen oder Kraftwerkskapazitäten überflüssig macht, die zur überwiegenden Zeit gar nicht genutzt werden. Danach lautet die Kernfrage für eine entsprechende Prüfroutine: „Ist die Steigerung der Effizienz nicht günstiger als ein Mehr an Erzeugung?“Klimaschutz-Sofortprogramm
Ein weiteres Thema sind die Klimaschutzziele. Obwohl die Ziele der Bundesregierung für 2020 in immer weitere Ferne rücken, zeigt sich Graichen nicht ganz so pessimistisch. Zumindest sollte man die Ziele nicht völlig abschreiben.Hierzu empfiehlt er ein Klimaschutz-Sofortprogramm, das sich auf die schmutzigsten Energieträger konzentriert. Dabei wäre über ein weiteres Zurückfahren der Kohleverstromung nachzudenken. Verfassungsrechtlich hält er dies bei alten Kohlekraftwerken auch ohne Entschädigungszahlen für möglich. Dennoch rät Graichen zu einem Konsens mit den Betreibern.
Besteuerung der Energieträger entsprechend des CO2-Gehalts
Problematisch wäre hingegen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsrichts zur Kernbrennelementesteuer die Einführung einer CO2-Steuer. Dennoch, so Graichen weiter, könne man die Steuersätze auf Basis des CO2-Gehaltes des betreffenden Energieträgers ändern. So wäre es möglich, Steuern für die Stromerzeugung von Kohle und Erdgas zu erheben. Auch bei Diesel, Benzin sowie bei Heizöl und Erdgas könne man die Besteuerung entsprechend des CO2-Gehalts erhöhen. Das zusätzlich eingenommene Geld wäre dann einsetzbar, um damit die Abgaben und Umlagen beim Strom zu reduzieren und dessen Nutzung für Wärme und Verkehr attraktiver zu machen.Das Interview mit Dr. Patrick Graichen führte Prof. Dr. Tilman Cosack.
Warum die Energiewende im Verkehrsbereich bisher am wenigsten fortgeschritten ist, eine Verkehrwende auch eine Mobilitätswende ist und welche Vision Graichen für das Jahr 2050 hat, lesen Sie in der Fachzeitschrift EnergieRecht ER Ausgabe 6/2016 mit folgenden weiteren Themen:
- Impulse des EU-Winterpakets
- Öffnung von nationalen Fördersystemen
- EEG-Umlage
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ER EnergieRecht - Die Quelle zum StromHerausgeber: Prof. Dr. jur. Tilman CosackER EnergieRecht bringt frischen Wind in die aktuelle energierechtliche Meinungsbildung und wirft Licht auf die vielen unscharfen juristischen Konturen eines der dynamischsten Rechts- und Praxisfelder dieser Zeit. Lesen Sie sechsmal jährlich:
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(ESV/bp)
Programmbereich: Energierecht