
Innenausschuss hört Experten zur Datenschutzreform an
Der Verlauf der Anhörung
Etwa 30 Minuten vor Sitzungsbeginn hatten die Regierungsfraktionen noch Gesetzesnachbesserungen eingereicht. Auf diese waren die Sachverständigen nicht vorbereitet. Dabei wurde sogar kommuniziert, dass der Bundestag das BDSG (neu) in 2. und 3. Lesung noch in der 13. Kalenderwoche abschließend beschließen solle.Die wesentlichen Ergebnisse der Anhörung
- Der Vorsitzende der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz e. V., Peter Schaar, warnte vor allem vor dem Rufverlust Deutschlands, wenn man jetzt ein solch wichtiges Gesetz durch den Bundestag „peitsche”. An vielen Stellen wäre nicht klar, ob das nationale Gesetz der europäischen Prüfung Stand halte. Zudem würde durch den derzeitigen Entwurf die Intentionstrias des europäischen Gesetzgebers im Bereich Datenschutz, also Harmonisierung, Stärkung der Betroffenenrechte sowie Schaffung einer effektiven und effizienten Aufsicht, nicht erreicht.
- Im weiteren Verlauf wiesen die Sachverständigen vor allem auf die Rechtsunsicherheiten von europarechtswidrigen Passagen hin. Dem EuGH zufolge dürften die Aufsichtsbehörden diese nicht anwenden. Auch Betroffenenrechte, wie das Recht auf Löschung oder auf Information, waren Gegenstand der Kritik.
- Prof. Hartmut Aden, Hochschule für Wirtschaft und Recht (Berlin), erinnerte daran, dass die Polizei- und JustizRL nicht zu vergessen sei. Diese würde ja lediglich „Windschatten“ der DS-GVO mitfahren. Die RL sei sei bezüglich der Umsetzung textlich oft nur in den jetzigen Entwurf einkopiert. Die könne dazu führen, dass sie an einigen Stellen nicht genau passe.
Erscheint in Kürze |
|
Kritik der Datenschutzbeauftragten im Vorfeld
Breits am 17.03.2017 hatte Barbara Thiel, Vorsitzende der Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern, gegenüber „heise online” den Entwurf zum neuen Bundesdatenschutzgesetz in Teilen als europarechtswidrig bezeichnet:„Aus unserer Sicht verstößt der Gesetzentwurf zu einem neuen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in Teilen gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung”, so Thiel wörtlich.
Synopse: Bisheriges und neues Recht im Überblick |
Hier gelangen Sie zur leicht verständlichen Synopse: Das bisherige und das neue Recht gegenübergestellt. |
Dies gilt nach Meinung der Datenschützerin zum Beispiel für die geplante Einschränkung der Betroffenenrechte. Ebenso würde das Vorhaben, die Zulässigkeit der Verarbeitung von besonders sensiblen Daten auszuweiten, das Verbot aufweichen, solche Daten überhaupt zu nutzen. Dieses Verbot sei in der Grundverordnung verankert. Mit besonders sensiblen Daten meinte die Datenschützerin vor allem biometrische und genetische Daten. Zu dem, so Thiel weiter, werde ein zentrales Prinzip des EU-Datenschutzrechts, nämlich der Zweckbindungsgrundsatz, in dem gegenwärtigen Gesetzentwurf nicht hinreichend berücksichtigt.
Die Beratungen im Bundestag
- Als Hauptkritikpunkte erweisen sich bei der ersten Lesung im Bundestag am 09.03.2017 vor allem die geplanten Einschränkungen von Verbraucherrechten. Ebenso wurden die enorme Komplexität und die schlechte Verständlichkeit des geplanten neuen BDSG diskutiert.
- Am Schluss der 45-minütigen Anhörung überwies der Bundestag den Gesetzentwurf zur Beratung an den federführenden Innenausschuss.
Bundesrat fasst Beschluss zu Änderungsvorschlägen
Da das Gesetz zustimmungspflichtig ist, hat der Bundesrat am 10.03.2017 über den Gesetzentwurf beraten. Seine Stellungnahme hat das Gremium in einer 45 Seiten umfassenden Beschluss-Drucksache zusammengefasst. Die Änderungsvorschläge des Ländergremiums befassen sich mehr mit Einzelfragen als mit dem Gesamtkonzept des BDSG-Entwurfs, das die bestehenden Öffnungsklauseln möglichst weit ausreizen will.Ausblick
- Der Entwurf wird voraussichtlich auch Regelungen zur Videoüberwachung, zum Scoring und Beschäftigtendatenschutz enthalten. Die Bundesregierung möchte eine angepasste Fassung für ein neues BDSG noch in dieser Legislaturperiode verabschieden.
- Allerdings sind Zweifel angebracht, fraglich, ob das hohe datenschutzrechtliche Niveau in Deutschland aufrechterhalten wird. So wird vor allem interessant werden, welche Positionen die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz zu den europarechtlich problematischen Regelungen einnehmen werden. Kommen diese tatsächlich zu der Auffassung, dass einzelne Regelungen gegen die Vorgaben der DS-GVO verstoßen, dürfen die Behörden diese Vorschriften nicht anwenden.
- 26.04.2017: Abschließende Behandlung im federführenden Innenausschuss
- 27.04.2017: 2. und 3. Lesung im Bundestag
- 12.05.2017: 2. Beratung im Bundesrat
- Nachgefragt bei Dr. Hans-Jürgen Schaffland und Gabriele Holthaus: „Die konkrete Ausgestaltung des neuen BDSG muss abgewartet werden”
- Nachgefragt bei Frederick Richter: „Die Praxistauglichkeit der EU-Datenschutzgrundverordnung muss sich noch unter Beweis stellen”
- Europäisches Parlament verabschiedet neues Datenschutz-Paket
- Dr. Robert Selk - Projekt: Datenschutz-Grundverordnung, Projektideen aus praktischer Sicht und ein 4-Säulen-Modell, erschienen in der Fachzeitschrift Ping, Privacy in Germany, Datenschutz und Compliance, Ausgabe 01/2017
Weiterführende Literatur |
Das Buch Zukunft der informationellen Selbstbestimmung behandelt den Schutz der Privatsphäre im Zeitalter digitaler Vernetzung. Was können Staat und Recht leisten? Wo müssen die Bürger als Datensubjekte selbst agieren? Wie lassen sich Innovationen fördern und Daten zum Allgemeinwohl nutzen, ohne dass dabei die Grundrechte der Datensubjekte leiden? Diesen Fragen stellt sich die unabhängige Stiftung Datenschutz als Herausgeberin mit Band 1 der neuen Schriftenreihe DatenDebatten, in dem es um die Zukunft der informationellen Selbstbestimmung geht. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht