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Das kulturelle Gedächtnis spielt eine besondere Rolle in den Kulturstudien. (Foto: privat)
Auszug aus „Kulturstudien im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“

Interdisziplinäre Kulturstudien statt traditioneller Landeskunde

ESV-Redaktion Philologie
22.10.2024
Grammatik und Vokabeln stimmen – und trotzdem kommt es in Unterhaltungen in Fremdsprachen häufig zu Missverständnissen. Die Relevanz kulturellen Wissens in der Kommunikation ist nicht zu vernachlässigen – Sprachmuster und Routinen, aber auch intertextuelles Wissen sind wichtig, damit unsere Worte Bedeutung erhalten. Die traditionelle Landeskunde, die sowohl Lernende als auch „den deutschsprachigen Raum“ als homogenes Ganzes ansieht, wird nun abgelöst durch neuere Ansätze der Kulturstudien, die diesen Bereich interdisziplinärer begreifen.
Rebecca Zabel erklärt in ihrem Grundlagenwerk Kulturstudien im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache den Zusammenhang zwischen Kultur und Sprache und erteilt Aufschluss darüber, wie fächerübergreifende Kulturvermittlung funktionieren kann. Außerdem gibt sie einen Ausblick über kulturwissenschaftliche Forschungsperspektiven im Fach DaF/DaZ. Der vorliegende Auszug gibt einen Einblick in die theoretische Basis des Werks. Viel Spaß beim Lesen. 

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Die Kulturstudien im Fach DaF/DaZ werden bis heute zumeist selbstverständlich im Zusammenhang mit Landeskundekonzepten gesehen. Manchmal werden Landeskunde und Kulturstudien sogar gleichgesetzt.

Die hier vorliegende Einführung in die Kulturstudien im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache hat den Anspruch, Kulturstudien nicht (mehr) nur als einen an die Landeskunde gebundenen Teilbereich im Fach DaF/DaZ zu begreifen und zu bestimmen. Vielmehr geht es in dieser Einführung darum, Kulturstudien im Sinne einer „fächerübergreifenden Orientierung“ (Bachmann-Medick 2009: 12) im und auf das Fach DaF/DaZ insgesamt bezogen zu beschreiben und zu etablieren. […]

Zur Geschichte von Kultur im Fach DaF/DaZ


‚Kultur‘ hat in der Fachdiskussion sowie der Praxis DaF/DaZ von Anfang an eine zentrale Rolle gespielt. So dient der Begriff bis heute dazu, die Lehr- und Lernkontexte ‚Ausland‘ und ‚Inland‘ voneinander abzugrenzen. […]

Aber auch das Lehren und Lernen einer Fremdsprache selbst wird mit dem Lernen von Kultur gleichgesetzt. Fremdsprachenlernen – so etwa bei Krumm – bedeute „Zugang zu einer anderen Kultur suchen“ (Krumm 1994: 28). In der Geschichte des Fachs DaF/DaZ wurde Kultur lange Zeit als ‚deutsche Kultur‘ in Abgrenzung zu anderen national-staatlich definierten Kulturen (etwa die französische, die chinesische usw.) bestimmt. Auch heute wird im Fachdiskurs teilweise noch von einem solchen Kulturverständnis ausgegangen. In dieser traditionellen Ausrichtung wird von ‚eigener‘ und ‚fremder‘ Kultur im Sinne von Nationalkulturen gesprochen, was sich auch in Ausdrucksweisen wie ‚Ausgangskultur‘ und ‚Zielkultur‘ widerspiegelt. […]

Menschen, die in einem Land zusammenleben – das kann man sicherlich auch ohne weitere Begründung nachvollziehen – unterscheiden sich sehr wohl in ihren Weltansichten, auch wenn sie ein und dieselbe Nationalsprache sprechen. Der eine ist politisch eher ‚links‘ eingestellt, die andere eher ‚rechts‘, manche wählen konservativ, andere eher ‚grün‘ usw. Der eine ist jung, die andere alt. Der eine ist Vater, die andere Mutter, wieder jemand anderes ist weder Mutter noch Vater. Die eine ist Naturwissenschaftlerin, die andere Geisteswissenschaftlerin, ihre Anschauungen über die ‚Existenz‘ von Welt könnten verschiedener nicht sein. […]

Nachgefragt bei: Prof. Dr. Silke Segler-Meßner 03.11.2020
„Kulturwissenschaftliche Forschung mit literaturwissenschaftlicher Textanalyse verbinden“
Was machte aus Sicht der Menschen im Mittelalter eine Gemeinschaft aus? Wie hat sich unser Bild von biologischem und sozialem Geschlecht verändert – seit dem 12. Jahrhundert, seit der Entstehung von Molières Theaterstücken, seit Simone de Beauvoirs Lebzeiten? Mit dem Buch „Einführung in die französische Kulturwissenschaft“ begeben Sie sich auf eine Reise durch die kulturellen Prägungen, die seit dem Mittelalter bis in unsere Gegenwart hinein die Vorstellungen von Nationalität, Alterität, Geschlechtern und Migration maßgeblich beeinflussen. mehr …


Die moderne durch Migration und Digitalisierung gekennzeichnete Weltgesellschaft ist vielfältig. Wir müssen heute davon ausgehen, dass kulturspezifische Konventionen die Grenzen von Sprachgemeinschaften – verstanden als Gruppe aller Sprecher*innen einer Einzelsprache wie Deutsch, Polnisch, Türkisch oder Spanisch – über- und unterschreiten. Hier sei auf unterschiedliche Varietäten wie Fach- und Gruppensprachen (wie die Sprache der Mathematik oder Jugendsprachen) oder auch thematische und medienspezifische Diskurse (wie etwa der Genderdiskurs, der Klimadiskurs, der Diskurs des Fachs DaF/DaZ – und seinen unterschiedlichen Stimmen) verwiesen. […]

In Deutschland, Österreich oder der (deutschsprachigen) Schweiz wird außerdem nicht nur Deutsch gesprochen. Es stimmt, dass Sprache, die deutsche Sprache bzw. die Ausbildung eines Konzepts von Nationalsprache im 19. Jhd. genutzt wurde, um die Nationenbildung voranzutreiben. Heute gilt in Deutschland und Österreich und dem deutschsprachigen Teil der Schweiz Deutsch als Amts- bzw. Landessprache. Das heißt aber nicht, dass in Deutschland, Österreich und dem deutschsprachigen Teil der Schweiz nicht auch weitere Sprachen gebräuchlich sind. Migrationsgesellschaftliche Mehrsprachigkeit kennzeichnet auch diese Länder. Hinzukommt, dass auch in vielen anderen Ländern der Welt Menschen leben, die Deutsch als Erst- oder Fremdsprache in ihrem alltäglichen Leben sprechen und gebrauchen – was bei der Rede vom ‚deutschsprachigen Raum‘ zumeist ausgeblendet wird. Wenn Forschungsprojekte und didaktische Konzepte wie selbstverständlich von national definierten Sprach- und Kulturgemeinschaften wie „die Deutschen“ oder „die Türken“ ausgehen, betreiben sie „methodischen Nationalismus“ (Altmayer 2023: 27). […]

Im vorliegenden Band wird der Skopus der Kulturstudien im Fach DaF/DaZ erweitert. Sie werden gewissermaßen aus ihrem landeskundlichen Korsett gelöst. Kulturstudien in DaF/DaZ werden hier nicht mehr nur als Teil der Landeskunde konzeptualisiert. Vielmehr verfolgt der Band das Ziel, kulturwissenschaftliche Aspekte im Fach DaF/DaZ ‚insgesamt‘ zu thematisieren, die dann eben auch die Teilbereiche Linguistik sowie Didaktik berühren. D.h., es wird neben kulturwissenschaftlicher Linguistik auch um kulturwissenschaftliche Sprachaneignungsforschung sowie insbesondere um kulturdidaktische Aspekte in der Sprachlehre gehen.

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Rebecca Zabels Einführung beinhaltet neben einer theoretischen Darlegung des Themas auch Lehrmaterialien für DaF/DaZ-Lehrkräfte.

Sie möchten mehr über fächerübergreifende Konzepte der Kulturstudien erfahren und/oder diese direkt praktisch anwenden? Dann können Sie das Buch, das in der Reihe „Grundlagen Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ erschienen ist, hier bei uns bestellen.

Die Autorin
Dr. Rebecca Zabel studierte Kulturwissenschaft, Germanistische Linguistik und Spanisch an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Deutsch als Fremdsprache am Herder-Institut der Universität Leipzig. Sie arbeitete mehrere Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Kulturstudien DaF/DaZ am Herder-Institut, seit 2020 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich DaF/DaZ am Institut für Deutsche Philologie der Universität Greifswald. Ihre Forschungsschwerpunkte sind kulturwissenschaftliche Diskurs-, Subjekt- und Bildungsforschung.

Kulturstudien im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
Grundlagen, Forschungs- und Vermittlungspraxis

von Rebecca Zabel 

Die Kulturstudien im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache werden oft noch im Bereich der Landeskunde verortet. Manchmal werden Landeskunde und Kulturstudien sogar gleichgesetzt. Der vorliegende Band begreift Kulturstudien nicht mehr (nur) als einen an die Landeskunde gebundenen Teilbereich des Fachs. Zentrales Anliegen ist vielmehr, Kulturwissenschaft als fächerübergreifende Perspektive im Fach DaF/DaZ zu bestimmen.
So thematisiert der Band auch relevante Grundlagen der kulturwissenschaftlichen Linguistik, der soziokulturellen Spracherwerbsforschung sowie der Kultur- und Diskursdidaktik im Fach DaF/DaZ. Der zugrunde gelegte wissenssoziologische Kulturbegriff wird in Vertiefungskapiteln zum kulturellen Erinnern und zu digitalisierten Lebenswelten auch praktisch fundiert. Fokussiert werden Zusammenhänge von Kultur und Sprache sowie Ansätze, die sich mit der Rolle von Kultur bei der Sprachaneignung auseinandersetzen.
Anhand ausgewählter Forschungsprojekte wird in kulturwissenschaftliche Forschungsmethoden eingeführt. Konkrete kulturdidaktisch begründete Lehrmaterialien zum Kulturthema ‚Freiheit‘ zeigen schließlich, wie Kultur im Sprachunterricht vermittelt werden kann.

Programmbereich: Deutsch als Fremdsprache