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Überfahren einer roten Ampel ist regelmäßig eine grobe Pflichtverletzung (Foto: Gina Sanders/Fotolia.com)
Grobe Pflichtverletzung

Kammergericht: Rotlichtverstoß heißt regelmäßig Fahrverbot

ESV-Redaktion Recht
06.09.2016
Das Überfahren einer roten Ampel ist grundsätzlich eine grobe Pflichtverletzung. In diesen Fällen ist regelmäßig ein Fahrverbot anzuordnen. Ausnahmen sind nur in einem ganz begrenzten Umfang zulässig.
Dies hat das Kammergericht Berlin (KG) mit Beschluss vom 26.05.2016 (AZ: 3 Ws (B) 269/16) entschieden. Danach kann der Tatrichter nur in ganz besonderen Fällen von einem Fahrverbot absehen. Dann aber muss der Sachverhalt so erheblich zugunsten des Betroffenen vom Regelfall abweichen, dass er als Ausnahme zu werten ist.

In dem betreffenden Fall überfuhr die Betroffene mit ihrem Pkw eine Ampelhaltelinie, obwohl die Ampel bereits 1,86 Sekunden lang Rot zeigte. Die Betroffene meinte, dass die Straße wegen plötzlich einsetzendem Regen schmierig gewesen sei. Dies sei für sie unvorhersehbar gewesen. Gerade als die Ampel auf Rot zeigte, habe sie gebremst. Aufgrund der Witterung wäre ihr Auto aber ins Schlingern geraten. Ein Abbremsen bis zum Stillstand vor der Haltlinie sei ihr deshalb nicht möglich gewesen, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden. In der Schrecksekunde habe sie sich deshab dazu entschlossen, weiterzufahren.

Die Bußgeldbehörde hat gegen die Betroffene wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 200 Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Amtsgericht hebt Fahrverbot auf

Der hiergegen eingelegte Einspruch vor dem Amtsgericht Tiergarten (AG) hatte zum Teil Erfolg. Zwar blieb es bei der Geldbuße. Das AG hat jedoch das Fahrverbot aufgehoben.

Dem Amtsrichter zufolge hat die Betroffene nur leicht fahrlässig gehandelt, als sie aufgrund der schmierigen Fahrbahn beim Bremsen Schwierigkeiten dabei bekam, ihr Auto zu stoppen. Wegen des Tatzeitpunkts im Sommer habe sie nicht unbedingt mit einer rutschigen Fahrbahn rechnen müssen. Zudem fuhr die Betroffene mit einer sehr geringen Geschwindigkeit von etwa 20 km/h. Damit, so das Gericht weiter, wäre die typische Gefahrenintensität eines Rotlichtverstoßes nicht gegeben. Wegen der geringen Geschwindigkeit hätte die Betroffene jederzeit reagieren können. Nach Auffassung des AG lag deswegen kein grober Verstoß vor, der Voraussetzung für ein Fahrverbot nach § 25 StVG gewesen wäre


Kammergericht stellt Fahrverbot wieder her

Das KG teilte die Auffassung des AG nicht. Danach verkennt der Amtsrichter die Regeltechnik des Bußgeldkataloges. Dieser bringe eine Vorbewertung des Gesetzgebers zum Ausdruck. Bei einem Rotlichtverstoß liegen regelmäßig die Voraussetzungen von § 4 Absatz 1 Nr. 3 BKatV vor. Dann wäre grundsätzlich auch von einer groben Pflichtverletzung im Sinne von § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG auszugehen, so dass ein Fahrverbot angeordnet werden soll. 
 
Im Wortlaut: Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr - § 4 Regelfahrverbot
(1) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 des Straßenverkehrsgesetzes kommt die Anordnung eines Fahrverbots (§ 25 Absatz 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes) wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, wenn ein Tatbestand ….

1. der Nummern 9.1 bis 9.3, der Nummern 11.1 bis 11.3, jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs,

... des Bußgeldkatalogs verwirklicht wird. Wird in diesen Fällen ein Fahrverbot angeordnet, so ist in der Regel die dort bestimmte Dauer festzusetzen.


Fahrverbot als Denkzettel

Dabei sei das Fahrverbot eine regelmäßige Denkzettel-  und Erziehungsmaßnahme, so das KG weiter. Der Tatrichter müsse daher auch ein Fahrverbot anordnen. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen könne er hiervon absehen. Dann aber muss der Sachverhalt nach Auffassung des KG so erheblich zugunsten des Betroffenen vom Regelfall abweichen, dass dieser als Ausnahme zu werten ist.

Nach Meinung des KG war die Schmierigkeit der Fahrbahn bei Regen vorhersehbar. Gerade bei einsetzendem Regen sei mit einem Schmierfilm und einer erhöhten Rutschgefahr zu rechnen. Die Betroffene hätte also bereits deshalb ihre Geschwindigkeit verringern müssen. Darüber hinaus hätte sie nicht erst bei Beginn der Rotphase bremsen müssen. Schon der Eintritt der Gelbphase hätte sie hierzu verpflichtet, so das KG weiter. Hierin sah das Gericht sogar eine weitere Pflichtwidrigkeit.

Auch der Umstand, dass die Betroffene mit etwa 20 km/h in den Kreuzungsbereich einfuhr, lasse nicht auf eine geringere Gefährlichkeitsintensität schließen. Die Betroffene sei nach dem Rotlichtverstoß rechts abgebogen. Angesichts des nahezu rechtwinkligen Abbiegevorgangs wären 20 km/h nicht signifikant niedrig.

Daher, so das Gericht weiter, ist das Maß der abstrakten Gefährdung gegenüber dem Regel- und Leitbild des Bußgeldkatalogs nicht nennenswert gemindert.

Sie finden die Entscheidung in der VRS Band 130, 57



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(ESV/bp)

Programmbereich: Verkehrsrecht, -wirtschaft, -technik