Konzerninsolvenzrecht vor neuen Weichenstellungen
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist zwar leicht rückläufig, insbesondere auf Konzernebene vermitteln aber hohe Summen je Schadensfall ein anderes Bild und geben Anlass zu gesetzgeberischem Eingreifen. So ist nach Creditreform-Angaben in 2012 die durchschnittliche Schadenssumme je Insolvenzfall um fast 60% höher als in 2011 ermittelt worden. Das BMJ hat nicht zuletzt vor diesem aktuellen Hintergrund am 3.1.2013 den Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen an die Wirtschaftsverbände verschickt. Immerhin soll – so das BMJ – der Anteil der Umsätze, der in Deutschland auf Verbünde mehrerer Unternehmen entfällt, bei ca. 70% liegen. Der Entwurf sieht als dritte Stufe der Insolvenzrechtsreform Änderungen der InsO vor, die den spezifischen Besonderheiten von Konzerninsolvenzen Rechnung tragen. Er umfasst folgende Inhalte:
• Schaffung allgemeiner Kooperationsrechte und -pflichten,
• Aufbau eines besonderen Koordinationsverfahrens,
• Einführung eines Konzerngerichtsstands und
• einer einheitlichen Verwalterbestellung.
Die Resonanz in der Wirtschaft ist allerdings teilweise auch negativ ausgefallen. So befürchtet der BDI hohe Mehrkosten durch die Koordinationsvorgaben (vgl. z.B. den HB-Bericht vom 19. Februar 2013, S. 11; FAZ vom 20. Februar 2013, S. 19).
Auch auf EU-Ebene wird über eine Reformierung des Konzerninsolvenzrechts nachgedacht. So wurde am 12.12.2012 von der EU-Kommission zur bisherigen und künftigen Anwendung der EuInsVO ein Bericht vorgelegt. Er enthält neben Erfahrungswerten auch für notwendig erachteten Anpassungsbedarf. Zu diesem Zweck hatte die Kommission im Vorfeld umfangreiche Konsultationen betrieben und Recherchen durchgeführt. Auf dieser Basis wird nicht nur die Abschaffung des Liquidationsgebots für Sekundärverfahren in Art. 3 Abs. 3 S. 2 EuInsVO angeregt, sondern auch eine Erweiterung der in Art. 1 Abs. 1 EuInsVO vorgesehenen Definition dessen, was unter einem Insolvenzverfahren zu verstehen ist. Das könnte sogar eine grundlegende Neujustierung dahingehend erforderlich machen, was unter „Insolvenzrecht“ zu verstehen ist (so die Erwartung von Paulus, vgl. BB 4/2013 S. I, zuvor bereits geäußert in DB 2008 S. 2523).
Hinsichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit hält die Kommission an dem vielfach angegriffenen, de facto freilich durch mehrere Entscheidungen des EuGH immer präziser gewordenen Tatbestandsmerkmal des COMI (Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen) grundsätzlich fest. Art. 29 EuInsVO soll so abgeändert werden, dass der inländische Richter die Eröffnung eines Sekundärverfahrens von einer Notwendigkeitsprüfung und von einer Konsultation des Verwalters des Hauptverfahrens abhängig machen soll.
Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern