Durchschnittlich ereignen sich pro Jahr 163 Unfälle beim Umgang mit Gülle. (Foto: Myriams-Fotos/Pixabay)
Unterschätzte Gefahr
Lebensgefahr beim Einstieg ins Güllelager
ESV-Redaktion Arbeitsschutz/SVLFG
15.05.2024
Im Jahr 2024 verloren bereits drei Menschen beim Umgang mit Gülle ihr Leben. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) erklärt, warum diese Arbeit so gefährlich ist und nennt Sicherheitsmaßnahmen.
Jährlich ereignen sich etwa 33.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle* in der Landwirtschaft. Davon ereignen sich durchschnittlich 163 beim Umgang mit Gülle. Zwei dieser Unfälle enden im Schnitt tödlich. Die meisten Unfälle ereignen sich bei der Arbeit an Güllefass, Güllerührwerk, Güllepumpe sowie Schläuchen und Leitungen. Etwa acht Prozent der Unfälle stehen im Zusammenhang mit Güllegasen. In Güllegruben entstehen Schwefelwasserstoff, Kohlenstoffdioxid, Methan und Ammoniak. In höherer Konzentration ist Schwefelwasserstoff nicht mehr wahrnehmbar, weil der Geruchsnerv gelähmt wird. Beim Einatmen drohen Bewusstlosigkeit und Atemstillstand. Schon wenige Atemzüge reichen aus. Kohlendioxid birgt Vergiftungs- und Erstickungsgefahr. Methan bildet mit Sauerstoff ein explosives Gemisch. Daher sind in Gülleanlagen offenes Feuer, Funkenbildung und Rauchen verboten.
Der falsche Einstieg ins Güllelager war in der Vergangenheit Ursache für viele tragische Unfälle. Es gilt dabei Folgendes zu beachten:
- Güllelager vor Einstieg vollständig entleeren und sicherstellen, dass Gase nicht nachträglich in die Lagerstätte strömen können.
- Anlagenteile, zum Beispiel Rührwerke, abschalten und vor unbefugtem Zugriff sichern.
- Vor Einstieg für ausreichende Atemluft sorgen, zum Beispiel durch Zwangsbelüftung und Messung der Gaskonzentration oder durch ein umluftunabhängiges Frischluftgerät.
- Einstieg nur an einem Rettungsgurt und durch mindestens zwei Personen gesichert, dabei das Seil an einem Dreibock oder einer gleichwertigen Einrichtung anschlagen.
Im Unglücksfall kommen Retter oft selbst zu Schaden, weil sie in Panik falsch handeln. Daher ist die erste Prämisse: Ruhe bewahren! Eine regelmäßige Unterweisung zum richtigen Vorgehen aller im Betrieb lebenden Personen ist wichtig. Bei einem Schadgasunfall gilt:
- Notruf 112 absetzen.
- Sicherstellen, dass Pump-, Rühr- und Spüleinrichtungen abgeschaltet sind bzw. diese ggf. außer Kraft setzen.
- Für Frischluft sorgen (Tore, Türen, Fenster von außen öffnen, Lüftung an, Gebläse platzieren).
- Unter Berücksichtigung der Eigensicherung wie zuvor beschrieben ggf. erst jetzt eigene Rettungsversuche unternehmen.
Alles Wissenswerte zum sicheren Umgang mit Gülle und Gärsubstrat sowie zu den baulichen Voraussetzungen von Güllelagerstätten steht in der
Broschüre B25 Flüssigmist, die unter
www.svlfg.de (Suchbegriff B25) heruntergeladen werden kann. Unter dem Suchbegriff Gülle finden sich außerdem wichtige Tipps.
* Ein meldepflichtiger Arbeitsunfall verursacht mehr als drei Krankheitstage bzw. tödliche Arbeitsunfälle.
Quelle:
SVFLG
Das könnte Sie auch interessieren:
 |
Gefahrstoffschutz
Autor: Dr. Heiner Wahl
Programmbereich: Arbeitsschutz
Sicher arbeiten mit Gefahrstoffen Das Gefahrstoffschutzrecht in Deutschland gilt für hunderttausende Betriebe unterschiedlichster Größen und Branchen. Betroffen ist jeder, der mit Gefahrstoffen zu tun hat. Welche Rechtspflichten wichtig sind Ob in der betriebsärztlichen Betreuung, als Fachkraft für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragter oder Führungskraft – Heiner Wahl gibt Ihnen einen prägnanten Überblick über:
- Aktuelles Arbeitsschutzrecht und die Rolle der Unfallversicherungsträger („Dualismus im Arbeitsschutz“) sowie die europäischen Verordnungen REACH und CLP
- Praxisthemen des Gefahrstoffschutzes, z. B. Informationsquellen, AGS-Risikokonzept, Besonderheiten bei Stäuben und Rauch, Instandhaltung u.v.m.
- Prüfgrößen, Prüfmethoden und Prüfdaten, differenziert nach physikalisch-chemischen, toxikologischen und ökotoxikologischen Gefahreneigenschaften
Mit vielen Praxistipps für die (rechts-)sichere betriebliche Umsetzung und weiterführenden Links zu einschlägigen Gesetzestexten.
|
Neue Berufskrankheit |
22.04.2024 |
Parkinson-Syndrom durch chemische Pflanzenschutzmittel |
 |
Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten (ÄSVB) – ein weisungsunabhängiges Gremium, das beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) angegliedert ist – hat empfohlen, das Parkinson-Syndrom durch chemische Pflanzenschutzmittel als neue Berufskrankheit in die Berufskrankheiten-Verordnung aufzunehmen. mehr … |
(ESV/FG)
Programmbereich: Arbeitsschutz