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LG Berlin II: Aufgrund der aktuellen Regelungen zur Elternzeit und zum Elterngeld muss Deutschland die RL (EU) 2019/1158 vom 20.06.2019 nicht weiter umsetzen und daher keinen gesonderten Vaterschaftsurlaub einführen (Foto: anoushkatoronto / stock.adobe.com – Symbolbild)
Amtshaftung

LG Berlin II: Kein Schadensersatz aufgrund nicht genommenen Vaterschaftsurlaubs

ESV-Redaktion Recht
04.04.2025
Haben Väter nach der Geburt ihres Kindes Anspruch auf gesonderten Vaterschaftsurlaub? Ein Vater leitet einen solchen Anspruch aus Art. 4 der RL 2019/1158/EU (Vereinbarkeitsrichtlinie vom 20.06.2019) ab. Weil Deutschland diese RL nicht umgesetzt hat, habe er stattdessen Erholungsurlaub nehmen müssen. Nun meint er, er hätte insoweit einen Schadenersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung. Der Fall landete vor dem LG Berlin II.
In dem Streitfall nahm der Vater und spätere Kläger nach der Geburt seines Kindes Erholungsurlaub. Nach seiner Auffassung hat er aber prinzipiell Anspruch auf einen gesonderten Vaterschaftsurlaub von 10 Tagen. Weil Deutschland die Vereinbarkeitsrichtlinie nicht umgesetzt hatte und er diesen Urlaub deshalb nicht nehmen konnte, habe sich sein Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruchs umgewandelt. Die in Deutschland bestehenden Regelungen zur Elternzeit und zum Elterngeld hätten einen anderen Zweck und seien daher kein Ersatz für den Vaterschaftsurlaub.

Demgegenüber hielt die Beklagte die aktuellen Regelungen in Deutschland für ausreichend, sodass der Vater mit einer Klage vor das LG Berlin zog.
 
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LG Berlin II: Voraussetzungen für Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie erfüllt


Die Klage blieb vor dem LG Berlin II ohne Erfolg. Nach Auffassung des LG reichen die aktuellen Regelungen zur Elternzeit und zum Elterngeld aus, sodass die Pflicht zur Umsetzung der benannten Richtlinie in deutsches Recht erfüllt ist. Die weiteren Erwägungen des LG:  

  • Berücksichtigung und Weiterführung bestehender nationaler Reglungen prinzipiell möglich: Nach der Vereinbarkeitsrichtlinie können schon vorhandene nationale Regelungen zum Elternurlaub bei der Umsetzung prinzipiell berücksichtigt werden. Dies ergebe sich aus deren Art. 20 Absatz 6. Zudem sehe Art. 20 Absatz 7 der RL vor, dass nationale Regelungen auch weitergeführt werden können (siehe beide Normen jeweils unten).
  • Mindestanforderungen der Vereinbarkeitsrichtlinie: Voraussetzung hierfür ist dem LG zufolge aber, dass während eines Elternurlaubs von mindestens sechs Monaten für jeden Elternteil eine Bezahlung von mindestens 65 Prozent des Nettoeinkommens des betreffenden Arbeitnehmers zu leisten ist.
  • Voraussetzungen erfüllt: Diese Vorgaben sah das Gericht als gegeben an. So können Väter nach aktuellem Recht bis zu sieben Monate Elterngeld beziehen und auch eine Elternzeit von nur zwei Wochen beantragen. Damit ist dem LG zufolge kein spezieller zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub nach der Geburt mit Anspruch auf Bezahlung erforderlich.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, so die PM des LG Berlin (siehe unten).


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BMFSFJ: Deutschland muss Vereinbarkeitsrichtlinie nicht umsetzen

Gleicher Auffassung ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Der Online-Ausgabe des Ministeriums ist seit dem 19.04.2024 zu entnehmen, dass die EU-Kommission am 20.09.2022 zwar ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hatte. Deutschland konnte damals noch keine vollständige Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie an die Kommissison melden. Die Kommission schloss das Verfahren allerdings am 01.06.2023 schon im vorgerichtlichen Stadium ab.

Deutschland muss die RL also nicht umsetzen, so das Miniterium weiter. Die Ausnahmeklauseln der Artikel 20 Absatz 6 und Absatz 7 der RL befreien demnach die Mitgliedstaaten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nämlich von der Pflicht, einen „Vaterschaftsurlaub“ einzuführen. Die Voraussetzungen hierfür habe Deutschland mit seinen Regelungen zur Elternzeit sowie zum Elterngeld erfüllt, führt das das Ministerium weiter aus. Dies gelte sowohl bezüglich der Freistellung als auch in Bezug auf die Vergütung beim Elterngeld.

Quellen:

  • PM des LG Berlin II vom 01.04.2025 zum vom selben Tag – 26 O 133/24vom 01.04.2025


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Artikel 4 – RL (EU) 2019/1158 vom 20.06.2019 – Vaterschaftsurlaub
(1) 1 Die Mitgliedstaaten ergreifen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Väter oder – soweit nach nationalem Recht anerkannt – gleichgestellte zweite Elternteile, Anspruch auf zehn Arbeitstage Vaterschaftsurlaub haben, der anlässlich der Geburt des Kindes des Arbeitnehmers genommen werden muss. 2 Die Mitgliedstaaten können bestimmen, ob der Vaterschaftsurlaub auch teilweise vor der Geburt des Kindes oder ausschließlich danach genommen werden kann und ob er in flexibler Form genommen werden kann.

(2) Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub ist nicht an eine vorherige Beschäftigungs- oder Betriebszugehörigkeitsdauer geknüpft.

(3) Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub wird unabhängig vom im nationalen Recht definierten Ehe- oder Familienstand des Arbeitnehmers gewährt.


Art. 20 RL (EU) 2019/1158 – Absätze 6 und 7 
(6) Im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen der Artikel 4, 5, 6 und 8 dieser Richtlinie und der Richtlinie 92/85/EWG können die Mitgliedstaaten jeden Zeitraum und jede Bezahlung oder Vergütung für Arbeitsfreistellung aus familiären Gründen, insbesondere Mutterschaftsurlaub, Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub und Urlaub für pflegende Angehörige, der bzw. die auf nationaler Ebene vorgesehen ist und über den Mindeststandards gemäß dieser Richtlinie oder der Richtlinie 92/85/EWG liegt, berücksichtigen, sofern die Mindestanforderungen für diesen Urlaub erfüllt sind und das allgemeine Niveau des Arbeitnehmerschutzes in den von den genannten Richtlinien erfassten Bereichen nicht abgesenkt wird.

(7) Wenn die Mitgliedstaaten während eines Elternurlaubs von mindestens sechs Monaten Dauer für jeden Elternteil eine Bezahlung oder Vergütung in Höhe von mindestens 65 Prozent des Nettoeinkommens des Arbeitnehmers – möglicherweise vorbehaltlich einer Obergrenze – gewähren, können sie beschließen, nicht die in Artikel 8 Absatz 2genannte Bezahlung oder Vergütung zu entrichten, sondern diese Regelung weiterzuführen.


(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung