LG Karlsruhe klärt Haftung: Wann müssen Eltern für In-App-Käufe ihrer Kinder zahlen?
Erst im September 2022 seien dem Kläger die streitgegenständlichen Transaktionen aufgefallen, was ihn dazu veranlasste, die Rückerstattung des Gesamtbetrages von der Plattformbetreiberin einzufordern.
Kläger: Rückzahlungsansprüche ergeben sich aus dem Aspekt der ungerechtfertigten Bereicherung
Seine Ansprüche stützte der Kläger auf § 812 Abs. 1 BGB. Nach seiner Auffassung gab es für die Käufe keinen Rechtsgrund. Weder habe er diese selbst abgeschlossen oder genehmigt noch habe er etwas davon gewusst. Und sein siebenjähriger Sohn hätte diese Käufe aufgrund seiner beschränkten Geschäftsfähigkeit gar nicht abschließen können, so der Kläger weiter.
Beklagte: Kaufverträge sind nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht wirksam
Demgegenüber berief sich die beklagte Plattformbetreiberin auf die Grundsätze der Anscheinsvollmacht. Demnach hat der Kläger durch die Einrichtung des Play-Store-Kontos in Verbindung mit der Hinterlegung seiner Kreditkarte als Zahlungsmittel den Rechtsschein gesetzt, dass über dieses Konto wirksame Verträge geschlossen werden können.
Weil der Kläger mit seinen Argumenten gegenüber der Plattformbetreiberin nicht durchdrang, zog er mit einer Klage vor das LG Karlsruhe.
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LG Karlsruhe: Voraussetzungen für Rechtsscheinhaftung gegeben
Auch die Klage blieb erfolglos. Die 2. Zivilkammer des LG Karlsruhe hielt die Käufe für wirksam und wies die Klage ab. Demnach lagen die Voraussetzungen für eine Anscheinsvollmacht vor. Die wesentlichen Erwägungen der Kammer:
- Begründung eines Rechtsscheins: Nach der Überzeugung der Kammer hatte der Kläger das Konto selbst eingerichtet und seine Kreditkartendaten hinterlegt. Zudem hatte er selbst die ersten Käufe durchgeführt. Weil er gegenüber der beklagten Plattform als aktiver und legitimer Nutzer aufgetreten ist, hat er gegenüber der Beklagten somit einen entsprechenden Rechtsschein gesetzt.
- Rechtsschein verfestigt: Anschließend ließ der Kläger rund 20 Monate lang die Abbuchungen und Kaufbelege, die ihm per E-Mail zugesendet wurden, unbeanstandet. Damit hat er den einmal erweckten Rechtsschein gefestigt. Insoweit gab die Kammer der Zahl von 1.210 Transaktionen und dem langen Zeitraum ein erhebliches Gewicht.
- Keine Verhinderung der Käufe: Nach den weiteren Ausführungen der Kammer hätte der Kläger bei pflichtgemäßer Sorgfalt die Handlungen seines Sohnes erkennen können und verhindern müssen. Gerade ihm als Geschäftsführer eines Softwareunternehmens waren sowohl die Funktionsweise von App-Stores als auch die daraus resultierenden Risiken bekannt. Somit hätte er mindestens die zumutbaren technischen Schutzmaßnahmen ergreifen müssen, die die Plattform anbot – wie etwa ein aktivierbares Budget für Einkäufe oder ein eigenes Kinderkonto, das durch Kaufgenehmigungen und Jugendschutzeinstellungen geschützt wäre. Zudem hat der Kläger die Kaufbelege – die an seine Firmen-E-Mail-Adresse gesendet wurden – sowie seine Kreditkartenabrechnungen nicht regelmäßig kontrolliert.
- Vertrauen auf Echtheit der Käufe: Der Kammer zufolge darf eine Online-Plattform im anonymen Massengeschäften grundsätzlich darauf vertrauen, dass ein Käufer zu Handlungen über ein ordnungsgemäß eingerichtetes Nutzerkonto mit hinterlegten Zahlungsdaten vom Kontoinhaber ermächtigt wurde. Darüber hinaus konnte die Beklagte keine offensichtlichen Anzeichen erkennen, um misstrauisch zu werden. Demnach deuteten weder die gekauften Inhalte noch die Uhrzeiten der Käufe zwingend auf einen Missbrauch durch ein minderjähriges Kind hin, so die Kammer weiter.
- Verbot an den Sohn unerheblich: Auch mit dem Vortrag, dass er seinem Sohn die Käufe ausdrücklich verboten haben will, drang der Kläger nicht durch. Hierzu meint die Kammer, dass eine rein verbale Anweisung an ein sieben- bis achtjähriges Kind nicht ausreichend ist, um die eigene Sorgfaltspflicht zu erfüllen, zumal leicht zugängliche technische Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen gewesen wären.
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(ESV / Bernd Preiß)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht