LG München I: Nutzung von Songtexten in KI-Modellen verstößt gegen Urheberrecht
Beklagte: Keine Verletzung des Urheberrechts
Die Beklagten sahen keinen Verstoß gegen das Urheberrecht und verteidigten sich im Wesentlichen mit den drei folgenden Argumenten:
- Keine Speicherung von Liedtexten: Die angegriffenen KI-Modelle speichert keine konkreten Texte. Die KI würde lediglich statistische Muster aus vielen Daten bilden und aus diesen Mustern lernen.
- Nutzung durch Data-Mining erlaubt: Zudem erlaube das Urheberrecht die streitgegenständliche Nutzung, denn diese sei vom Text- und Data-Mining im Sinne von § 44 b UrhG gedeckt.
- Nutzer für Output verantwortlich: Schließlich sei allein der Nutzer des Chat-Bots für die erzeugten Ausgaben des Bots verantwortlich, wenn er danach fragt.
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LG München I: Nutzung der Liedtexte in KI-Modellen der Beklagten ist urheberrechtlich relevante Vervielfältigung
Die 42. Zivilkammer des LG München I schloss sich in weiten Teilen der Auffassung der GEMA an – bis auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Sie verurteilte die Beklagten zur Unterlassung, zur Auskunft und zum Schadensersatz. Die wesentlichen Erwägungen der Kammer:
- Tatsächliche Speicherung und Vervielfältigung der Liedtexte: Nach Überzeugung der Kammer haben die KI-Modelle der Beklagten die streitgegenständlichen Liedtexte memorisiert – also tatsächlich gespeichert. Demnach sind die Texte reproduzierbar in den sogenannten Sprachmodellen 2 und 40 enthalten. Der Kammer zufolge ist aus der Forschung bekannt, dass KI-Modelle Trainingsdaten gespeichert haben können. Über einen Vergleich der Original-Texte mit den KI-Ausgaben wären Zufälle ausgeschlossen. Die Übernahme der Texte wertete die Kammer als Vervielfältigungen im Sinne des Urheberrechts.
- Speicherung urheberrechtlich relevant: Nach weiterer Auffassung der Kammer ist auch das Speichern in Form von Zahlen bzw. Parametern eine Vervielfältigung. Das gilt auch dann, wenn KI-Modelle technisch neu sind. Für eine Urheberrechtsverletzung reicht es aus, wenn die betreffenden Werke über das KI-Modell indirekt wahrnehmbar gemacht werden können.
- Keine Rechtfertigung durch Text- und Data-Mining im Sinne von § 44 b UrhG: Zwar dürfen Informationen über das Text- und Data-Mining analysiert werden. Hiervon ist aber nicht das vollständige und dauerhafte Abspeichern umfasst, denn die Schranke erlaubt nur vorübergehende, technisch notwendige Kopien. Daher gilt die Grundannahme, nach der eine automatisierte Auswertung von reinen Informationen keine Verwertungsinteressen berührt, hier nicht. Eine andere Auslegung, die technik- und innovationsfreundlicher wäre, verbietet sich der Kammer zufolge aufgrund des eindeutigen Wortlauts von § 44 b UrhG (Gesetzestext siehe unten).
- Kein „unwesentliches Beiwerk“: Die Liedtexte sind nach den weiteren Ausführungen der Kammer auch nicht nur nebensächliche Randdaten im Trainingskorpus, sodass auch § 57 UrhG nicht anwendbar ist.
- Keine stillschweigende Einwilligung: Weil Urheber nicht automatisch damit rechnen müssen, dass ihre Werke für KI-Training genutzt werden, konnten sich die Beklagten der Kammer zufolge auch nicht auf eine „implizite Zustimmung“ berufen.
- Rechtsverletzung auch durch Output: In der mindestens teilweisen Ausgabe der Liedtexte durch die betreffenden Chatbots sah die Kammer eine erneute Vervielfältigung und ein öffentliches Zugänglichmachen. Demnach sind auch die Nutzer der Chatbots hierfür nicht verantwortlich, weil die KI-Sprechmodelle den Output aufgrund der internen Speicherung erzeugen.
Anmerkung der Redaktion
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Speicherung der Liedtexte: Eine der Kernfragen ist, ob die KI-Modelle tatsächlich Liedtexte in ihrem „Gedächtnis“ gespeichert haben. Hierzu meint die Kammer, es sei aus der „Forschung bekannt, dass KI-Modelle Trainingsdaten gespeichert „haben können“. Diese Erkenntnis beantwortet nicht die Frage, was im konkreten Streitfall geschieht, und die Kammer unterstellt aufgrund von weiteren Indizien die sogenannte Memorisierung. Damit stellt sich die Frage, ob die Kammer nicht ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen. Zwar wäre ein Gutachten extrem aufwändig, denn der Gutachter müsste Zugriff auf Trainingsdaten bekommen, das Modell selbst analysieren, Parameter untersuchen und Tests zur Rekonstruktion durchführen. Vielleicht spricht die Prozessökonomie dagegen, die grundlegende Bedeutung der Sache spricht aber dafür.
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Verantwortlichkeit des Nutzers? Auch die Ansicht von Open-AI, nach der der Nutzer des Chatbots für den Output verantwortlich sein soll, mutet seltsam an. Dem Nutzer würde ein einfacher Prompt reichen, um nach dem Liedtext zu fragen. Dies wäre eine simple Datenbankabfrage und diese soll ausreichen, um ihn verantwortlich zu machen? Zudem kann der Nutzer nicht absehen, ob die KI ihm nicht einen einfachen Link zu dem Liedtext schickt, von dem der jeweilige Song abrufbar ist. Dies würde die Sache zumindest entschärfen, denn Links zu besimmten Inhalten oder Abrufe von dort sind nur dann schädlich, wenn der Link auf eine offenbar rechtswidrige Quelle führt.
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| Im Wortlaut: § 44b UrhG - Text und Data Mining |
(1) Text und Data Mining ist die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. (2) Zulässig sind Vervielfältigungen von rechtmäßig zugänglichen Werken für das Text und Data Mining. Die Vervielfältigungen sind zu löschen, wenn sie für das Text und Data Mining nicht mehr erforderlich sind. (3) Nutzungen nach Absatz 2 Satz 1 sind nur zulässig, wenn der Rechtsinhaber sich diese nicht vorbehalten hat. Ein Nutzungsvorbehalt bei online zugänglichen Werken ist nur dann wirksam, wenn er in maschinenlesbarer Form erfolgt. |
(ESV / Bernd Preiß)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht