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LSG Berlin-Brandenburg: Wer für ein Tranportunternhmen fährt, darf nicht zu sehr in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingebunden sein, wenn er als selbstständig gelten soll (Foto: All king of people / stock.adobe.com)
Sozialrechtlicher Status

LSG Berlin-Brandenburg: Kurierfahrer ohne ausreichenden Freiraum ist abhängig beschäftigt

ESV-Redaktion Recht
14.07.2022
Wann ist ein Kurierfahrer, der für ein Transportunternehmen tätig ist, scheinselbstständig? Mit dieser Frage hat sich das LSG Berlin-Brandenburg vor Kurzem auseinandergesetzt.
In dem Streitfall führte der Kurierfahrer in den Jahren 2016 und 2017 Transportaufträge für ein  Unternehmen durch, das ihm die Aufträge über ein Funksystem vermittelte. Grundlage hierfür war ein Rahmenvertrag. Zudem erhielt der Fahrer einen Handbuch mit organisatorischen Tipps und Arbeitsanleitungen. Demgemäß musste er bei Unternehmenskunden Transportgüter abholen und ausliefern. Die Fahrten führte er mit seinem eigenen Fahrzeug durch. Allerdings hatte er weder eigene Mitarbeiter noch einen Betrieb. Die Abrechnungen erfolgten monatlich auf Basis der Transportkilometer. Von der so errechneten Vergütung zog das Transportunternehmen eine Verwaltungspauschale ab. Zur Durchführung der Transporte hatte der Fahrer selbst ein entsprechendes Gewerbe angemeldet. Der Fall landete schließlich vor dem LSG Berlin-Brandenburg.

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LSG Berlin-Brandenburg: Kurierfahrer ist scheinselbstständig

Der 28. Senat des LSG Berlin-Brandenburg bewertete die Tätigkeit des Kurierfahrers als abhängige Beschäftigung. Damit muss das Transportunternehmen die Beiträge für den Fahrer zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung nachzahlen. Die tragenden Erwägungen des Senats:
 
  • Keine ausreichenden Freiräume des Fahrers: Der Senat konnte weder aus dem Rahmenvertrag noch aus der Art und Weise, wie der Vertrag gehandhabt wurde, ausreichende Freiräume für den Fahrer erkennen, die typisch für eine Selbststätigkeit wären. Ab dem Zeitpunkt, ab dem er einen Einzelauftrag angenommen hatte, sei er im Sinne von § 7 Absatz SGB IV (siehe unten) fremdbestimmt in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingegliedert gewesen. Die verbleibenden Freiräume – wie etwa die Wahl der Route – sah der Senat als unerheblich an. Als ebenso wenig maßgebend bewertete der Senat die Nutzung des eigenen Fahrzeugs.
  • Keine Verhandlungspositionen der Vertragsparteien auf Augenhöhe: Den Umstand, dass das Transportunternehmen dem Fahrer keine soziale Absicherung gewährt hat – die für einen Arbeitnehmer aber typisch ist – ordnete der Senat als Indiz für ein Ungleichgewicht bei den Verhandlungen der Vertragsparteien ein. Jedenfalls konnte das Gericht nicht erkennen, dass beide Vertragspartner den gleichen Einfluss auf die Gestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status gehabt haben.

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Im Wortlaut: § 7 Absatz 1 SBG IV – Beschäftigung
 
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
 
[…]
 

 
Quelle: PM des LSG Berlin-Brandenburg vom 04.07.2022 zum Urteil vom 29.06.2022 – L 28 BA 23/19

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung