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BVerfG: Vollstreckungsgerichte mussen Suizidgefahr des Schuldners umfassend vorbeugen (Foto: Klaus Eppele und AllebaziB/Fotolia.com)
Rechtsprechungsübersicht 19/2019

Neues aus Karlsruhe, Leipzig und Nürnberg

ESV-Redaktion Recht
28.05.2019
BVerfG präzisiert Pflichten der Vollstreckungsgerichte bei Suizidgefahr des Schuldners und verpflichtet Facebook dazu, den Internetaccount der Partei „Der III. Weg“ zu entsperren. Betäubungsmittel zur Selbsttötung beschäftigten das BVerwG, während sich das OLG Nürnberg mit den Sorgfaltspflichten eines Autofahrers bei Tempo 200 befasste.

BVerfG: Vollstreckungsgericht muss Suizidgefahr des Schuldners hinreichend beachten

Lässt ein Gutachten im Rahmen einer Zwangsvollstreckung erkennen, dass der Schuldner Suizid begehen könnte, muss das Vollstreckungsgericht sicherstellen, dass alle zuständigen Stellen rechtzeitig vorbeugend aktiv werden. Dies ergibt sich aus einem aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).

In dem Fall hatte eine alleinstehende Frau im Rahmen einer Zwangsversteigerung ihres Hauses Vollstreckungsschutz beantragt. Ihre Begründung: Der Verlust ihres Hauses würde sie psychisch überlasten. Daher wäre es sehr wahrscheinlich, dass sie sich das Leben nehmen werde. Hierzu bot sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Dennoch setzte das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung fort, wobei der Meistbietende den Zuschlag erhielt. Auf ihre die sofortige Beschwerde hin stellte das Landgericht (LG) Dessau-Roßlau die Zwangsvollstreckung einstweilen ein. Die nun doch einbezogene Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass ein Suizid der Frau sehr wahrscheinlich wäre. Sie empfahl eine psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung der Schuldnerin, die innerhalb von sechs Monaten erfolgversprechend sei. Ohne erkennbare Fortschritte sei eine stationäre Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderlich. Dennoch wies das LG wies die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ab. Das LG meinte der Gefahr der Selbsttötung könne – wie im Gutachten aufgezeigt – durch Unterbringung der Schuldnerin während des Zwangsversteigerungsverfahrens begegnet werden.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter hatte das LG damit das Grundrecht der Schuldnerin auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Das Gericht habe nicht begründet, warum die im Gutachten zuerst empfohlene Therapiemöglichkeit ausscheiden soll. Ohne Darlegung eigener Sachkunde hätte das Gericht nicht von den Einschätzungen des Gutachtens abweichen dürfen. Darüber hinaus, so das BVerfG weiter, hatte das LG die Maßnahmen, die einem Suizid entgegenwirken können, nicht sorgfältig geprüft. Allein ein Verweis auf die Möglichkeit der Unterbringung reiche nicht aus. Das Gericht müsse auch sicherstellen, dass die zuständigen Stellen, alle Vorkehrungen zum Schutz des Lebens des Schuldners getroffen haben.

Quelle: PM des BVerfG vom 23.05.2019 zur Entscheidung vom selben Tag – AZ: 2 BvR 2425/18

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Face­book musste Account rechts­ex­t­remer Partei freigeben

Dies ergibt sich aus einem kürzlich erlassenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Facebook hatte den Account der Partei „Der III. Weg“ wegen Verstößen gegen die Gemeinschaftsstandards gesperrt. Die Partei hatte schon im Januar 2019 einen fremdenfeindlichen Beitrag auf Facebook geteilt. Daraufhin schränkten die Social-Media-Pioniere zunächst die Sichtbarkeit des Beitrags ein. Später sperrten sie für 30 Tage die Möglichkeit, neue Beiträge zu posten. Als die Partei sich hiergegen mit einem Einspruch wehren wollte, löschte Facebook den Account. Der Eilrechtsschutz der Antragstellerin gegen die Sperrung des Beitrags und ihres Kontos vor den Zivilgerichten war erfolglos.

Die Karlsruher Verfassungshüter zwangen nun Facebook dazu, die Seiten der rechtsextremen Partei bis zur Feststellung des amtlichen Endergebnisses der Europawahl wieder zu entsperren. Nicht betroffen hiervon wären aber die Rechte und Pflichten des Unternehmens, einzelne Inhalte zu überprüfen und ggf. aus anderen Gründen zu sperren, so das BVerfG. Der Anordnungsbeschluss soll dem Gericht zufolge die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindern. Insgesamt wäre das Verhältnis zwischen den sozialen Netzwerken und ihren Nutzern verfassungsrechtlich noch nicht geklärt. Insoweit seien „schwierige Rechtsfragen“ zu beantworten, was so schnell aber nicht möglich wäre. Eine etwaige Verfassungsbeschwerde der Partei wäre dem Gericht zufolge deshalb weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet.

Quelle: PM des BVerfG vom 22.05.2019 – AZ: 1 BvQ 42/19

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BVerwG: Kein Erwerb eines Betäubungsmittels zur Selbsttötung

Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verbietet die Erteilung einer Erlaubnis für den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) aktuell entschieden.

Die langjährig verheirateten Kläger – Jahrgang 1937 und 1944 – beantragten im Juni 2014 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis zum Erwerb von jeweils 15 g Natrium-Pentobarbital. Damit wollten sie sich gemeinsam das Leben nehmen. Ihren Wünschen zufolge sollte ihr Leben zu einem Zeitpunkt enden, in dem sie noch handlungsfähig und noch nicht schwer erkrankt wären. Zudem wollten sie das Nachlassen ihrer körperlichen und geistigen Kräfte nicht miterleben. Darüber hinaus war es stets ihr Wunsch, den Lebensabend nicht ohne den anderen verbringen zu müssen. Das Bundesamt lehnte den Antrag der Kläger ab. Danach ist der Erwerb eines Betäubungsmittels mit dem Ziel des Suizids nicht erlaubnisfähig.

Die Vorinstanzen verneinten den Anspruch der Kläger ebenso, wie das BVerwG. Den Leipziger Richtern zufolge war der Erwerb des Betäubungsmittels nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG zu versagen, weil es nicht therapeutisch eingesetzt werden sollte. Ziel des BtMG sei es, die menschliche Gesundheit und das Leben zu schützen. Damit sei es auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten gerechtfertigt, den Zugang zu einem Betäubungsmittel außerhalb der benannten Zwecke zu verbieten, so das BVerwG.

Quelle: PM des BVerwG vom 28.05.2019 zum Urteil vom selben Tag – AZ: 3 C 6.17

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OLG Nürnberg: Bedienung eines Infotaintmentsystems bei Tempo 200 ist grob fahrlässig

Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg kürzlich entschieden. In dem Streitfall mietete der Beklagte einen Mercedes Benz CLS 63 AMG bei der Klägerin. Die Parteien vereinbarten zusätzlich eine Haftungsbeschränkung ohne Selbstbeteiligung. Die AGB der Klägerin sahen vor, dass diese zumindest teilweise Regress nehmen kann, wenn der Mieter grob fahrlässig einen Schaden an dem Mietgegenstand verursacht. Im April 2015 fuhr der Beklagte mit dem gemieteten Sport-Coupé bei etwa 200 km/h auf der linken Spur einer Autobahn. Gleichzeitig bediente er dessen Infotainmentsystem. Dabei prallte er gegen die Mittelleitplanke und beschädigte das Fahrzeug stark. Die Klägerin meint, der Beklagte habe grob fahrlässig gehandelt und verlangte 50 Prozent des entstandenen Schadens als Regress. Während die Vorinstanz die Klage abgewiesen hatte, verurteilte das OLG Nürnberg den Beklagten dazu, etwa 11.948 Euro an die Klägerin zu zahlen.

Nach Auffassung des OLG schloss die vereinbarte Haftungsfreistellung die Haftung des Beklagten nicht aus. Dieser habe nämlich die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. So würden sich bei Tempo 200 der Anhalteweg und die kinetische Energie gegenüber Tempo 130 mehr als verdoppeln. Schon minimale Fahrfehler könnten hier zu schweren Unfällen führen, so die Nürnberger Richter. Verkehrsteilnehmer, die schneller als mit der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h unterwegs seien, müssten hierbei also besonders konzentriert fahren. Je stärker sie die Richtgeschwindigkeit überschreiten, desto höher seien die Anforderungen an die Konzentration. Wer also bei 200 km/h ein Infotaintmentsystem bedient, ist hierdurch zumindest für Sekunden voll gebunden. Die hierdurch bedingte Ablenkung mündet nach Auffassung des OLG in eine objektiv schwere und unentschuldbare Pflichtverletzung und ist damit grob fahrlässig.

Quelle: PM des OLG Nürnberg vom 29.05.2019 zum Urteil vom 02.05.2019 – AZ: 13 U 1296/17

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