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Der Arzneimittelhersteller hatte alle Chargen, die den Wirkstoff Valsartan enthielten, zurückgerufen (Foto: Dzmitry / stock.adob.com)
Schmerzensgeld

OLG Frankfurt a. M. verneint Anspruch auf Schmerzenzgeld wegen Krebsangst

ESV-Redaktion Recht
19.05.2023
Kann eine Patientin Schmerzensgeld verlangen, wenn sie seit Kenntnis der Einnahme eines verunreinigten Medikaments unter Krebsangst leidet? Hierzu hat sich das OLG Frankfurt vor Kurzem geäußert.
In dem Streitfall stellt die Beklagte blutdrucksenkende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Valsartan her. Im Jahr 2018 rief sie alle Chargen mit diesem Wirkstoff zurück. Der Grund: Bei dem Wirkstoff-Hersteller war es produktionsbedingt zu Verunreinigungen mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) gekommen. 
 
Nach Informationen der „Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU“ gilt NDMA als „wahrscheinlich krebserregend“. Dem Beurteilungsbericht der Europäischen Arzneimittelagentur zufolge erhöht sich das theoretische Lebenszeit-Krebsrisiko aufgrund etwaiger Verunreinigungen mit NDMA um 0,02 %, wenn die Höchstdosis des betreffenden Medikaments täglich sechs Jahre lang eingenommen wird. Demgegenüber liegt das allgemeine Lebenszeitrisiko für Frauen, an Krebs zu erkranken, in Deutschland bei 43,5 %.

Die Klägerin, die seit vielen Jahren Medikamente mit dem Wirkstoff Valsartan einnimmt, verlangte von der Beklagten aufgrund der Verunreinigung ein Schmerzensgeld von mindestens 21.500 EUR. Nach ihrem Vortrag leidet sie seit Kenntnis des Rückrufs unter der psychischen Belastung, an Krebs zu erkranken. In der Ausgangsinstanz hatte die Klägerin keinen Erfolg. Daher zog sie mit einer Berufung vor das OLG Frankfurt a. M. 

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OLG Frankfurt a. M.: Keine relevante Erhöhung des Krebsrisikos

Die Klägerin scheiterte auch in der Berufungsinstanz. Demnach hatte die Klägerin keine erhebliche Verletzung ihrer Gesundheit nachgewiesen. Die weiteren tragenden Erwägungen des OLG:

  • Krankheitswert unter Erheblichkeitsschwelle: Der Krankheitswert, der sich aus dem Vortrag der Klägerin ergibt, liegt unterhalb der Erheblichkeitsschwelle, so das OLG. Zwar beunruhigt die Klägerin schon das Wort „krebserregend“, sodass sie tagsüber oft an ihre ungewisse gesundheitliche Zukunft denkt und sie auch nachts von Albträumen geplagt wird. Dem Gericht zufolge sind diese Schilderungen aber zu ungenau und pauschal. Demnach kann der Vortrag der Klägerin schon keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung belegen.
  • Keine unmittelbare Gesundheitsbeeinträchtigung aufgrund der Arzneimitteleinnahme: Dem OLG zufolge kommt auch deshalb keine Haftung der Beklagten in Betracht, weil die behauptete Gesundheitsbeeinträchtigung nicht unmittelbar aufgrund Einnahme des Arzneimittels eingetreten wäre. Auslöser die psychischen Folgen wäre vielmehr die Kenntnis von der Verunreinigung gewesen, nach der die Klägerin mit einem leicht erhöhten Krebsrisiko rechnen muss.
  • Risikoerhöhung irrelevant: Die anzunehmende Risikoerhöhung liegt nicht relevant über dem allgemeinen Lebensrisiko. Damit ist die Erhöhung objektiv nicht dazu geeignet, die vorgetragenen Folgen auszulösen. Eine derart geringe Erhöhung des Krebsrisikos gegenüber dem allgemeinen Risiko, so das OLG weiter, ist damit nicht auch als Schaden zu werten – zumal eine Verunreinigung des Arzneimittels auch folgenlos bleiben kann. Deshalb sah das OLG die individuelle Risikoeinschätzung der Klägerin als nicht objektiv nachvollziehbar an.
  • Auch andere Ursachen denkbar: Abschließend betont das OLG, dass weitere Ursachen für die psychischen Belastungen der Klägerin denkbar sind. So habe sie selbst vorgetragen, ihre Ängste, an Krebs zu erkranken, können auch dadurch mitverursacht werden, dass ihre Mutter, ihr Bruder und ihr Cousine an Krebs starben.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle: PM des OLG Frankfurt a. M. vom 16.05.2023 zum Urteil vom 26.04.2023 – 13 U 69/22

 


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(ESV/bp)

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