
OLG Nürnberg zur Bedienung von Infotainmentsystemen bei Tempo 200
Selbstbeiligung des Mieters bei einfacher Fahrlässigkeit vertraglich ausgeschlossen
Der Mietvertrag sah im Falle einer Beschädigung zwar keine Selbstbeteiligung des Mieters vor. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin sollte dieser aber ein Regressanspruch von 50 Prozent des Fahrzeugwerts zustehen, wenn an dem Fahrzeug grob fahrlässig ein Schaden verursacht worden ist.Klägerin: Fahrer hat grob fahrlässig gehandelt
Die Klägerin behauptete, der Fahrer – Beklagter zu 1) – wäre zum Zeitpunkt des Unfalls mit Tempo 200 unterwegs gewesen. Sie sah in dem Verhalten des Fahrers eine grobe Fahrlässigkeit. Entsprechend ihrer AGB verlangte sie von diesem die Hälfte des entstandenen Schadens als Regress.Fahrer will nur 130 km/h gefahren sein
Dem widersetzte sich der Beklagte zu 2) mit der Begründung, er sei lediglich 130 km/h gefahren. Zudem habe er dem Infotaintmentsystem nur ganz kurz seine Aufmerksamkeit gewidmet. Darüber hinaus berief er sich auf den Ausschluss der Selbstbeteiligung im Mietvertrag. Die Ausgangsinstanz hatte die Klage abgewiesen.Der kostenlose Newsletter Recht << Hier können Sie sich anmelden >> |
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OLG Nürnberg: Ablenkung des Fahrers dauerte mehrere Sekunden
Das OLG Nürnberg folgte der Entscheidung der Vorinstanz nicht. Dem OLG zufolge muss der Fahrer eines Kraftfahrzeugs seine Konzentration stets angemessen auf das Verkehrsgeschehen richten. Dies tat der Beklagte zu 1) jedoch nicht. Die weiteren wesentlichen Überlegungen des Gerichts:- Je schneller, desto größer die Konzentration: Der benannte Grundsatz gilt umso mehr, je höher die Geschwindigkeit des Fahrzeugs ist. Hinsichtlich der Geschwindigkeit gingen die Nürnberger Richter nach einer Beweisaufnahme davon aus, dass der Beklagte mit dem Sportwagen zur Zeit des Unfalls etwa 200 km/h fuhr. Dies entspricht etwa 55 Meter pro Sekunde.
- Kurze Ablenkung kann schon grob fahrlässig sein: Somit konnte schon eine kurze Ablenkung durch Bedienung des Infotainmentsystems den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen, so das OLG.
- Ablenkung dauerte mehrere Sekunden: Insoweit waren die Richter davon überzeugt, dass die Ablenkung mehrere Sekunden gedauert hatte.
- Bedienung des Systems sehr komplex: Der Beklagte zu 1) musste seinen Angaben zufolge über einen Drehregler in der Mittelkonsole eine Leiste auf dem Bildschirm ansteuern. Bei dieser Leiste ließen sich verschiedene Register öffnen. Über diese konnten dann weitere Unterpunkte angewählt werden. Mit der rechten Hand habe er das System bedient und der mit der linken Hand das Lenkrad gehalten, so der beklagte Fahrer. Aufgrund der Komplexität des Systems könne dies – entgegen der weiteren Einlassung des Fahrers – nicht nur einen ganz kurzen Augenblick gedauert haben, sondern musste mehrere Sekunden dauern, so das OLG.
Lesen Sie in den Entscheidungsgründen veröffentlicht in der Ausgabe VRS 135/06: |
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Quelle: Urteil des OLG Nürnberg vom 02.05. 2019 – AZ: 13 U 1296/17
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