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Prof. Dr. Walter Frenz: Die Digitalisierung ist ein wichtiges Instrument, um die Kreislaufwirtschaft und letztlich auch den Klimaschutz voranzubringen (Foto: privat)
Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz

Prof. Dr. Frenz: Das Gegenmodell zu einer effizienten Kreislaufwirtschaft ist die Wegwerfgesellschaft

ESV-Redaktion Recht
01.06.2023
Die Kreislaufwirtschaft ist vor dem Hintergrund der EU-Kreislaufstrategie, der „circular economy“ für den Klimaschutz sowie auf der Grundlage des Green Deals und des KrWG 2020 reichlich in Bewegung geraten. Über die neuen Entwicklungen hat sich die ESV-Redaktion mit Prof. Dr. Walter Frenz, Professor für Berg-, Umwelt- und Europarecht an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, unterhalten.
Herr Prof. Dr. Frenz, die Kreislaufwirtschaft befindet sich gerade jetzt in einer „rasanten“ Entwicklung. Warum?

Prof. Dr. Frenz: Die EU will die Primärrohstoffwirtschaft in eine Sekundärrohstoffwirtschaft umwandeln. Dies soll zugleich dem Klimaschutz dienen. Daher wird die Kreislaufwirtschaft in vielen Bereichen entscheidend vorangebracht. Ein wichtiges Beispiel ist das EU-Batteriegesetz, wonach vor allem Elektrobatterien recycelt werden sollen. Damit soll die Notwendigkeit für den Primärrohstoff Lithium verringert werden. Ganz gelingt dies aber nicht. Daher kann Kreislaufwirtschaft nicht bedeuten, dass die Gewinnung von Primärrohstoffen gänzlich entbehrlich wird. Sie verringert aber den Bedarf – im Interesse des Klimaschutzes und der Erhaltung von natürlichen Ressourcen.

Hören Sie auch rein, in den begleitenden Podcast des Erich Schmidt Verlags mit

Prof. Dr. Walter Frenz: 

ESV im Dialaog – Sie hören Recht





Welche Bedeutung haben der sogenannte „Green Deal“ und der Klimaschutz dabei und wie sind Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz miteinander verflochten?

Prof. Dr. Frenz:
Bereits im Green Deal war die Kreislaufwirtschaft angelegt. In diesem Aufschlag von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen von Ende 2019 wurde zum Ziel gesetzt, das Wirtschaftswachstum vom steigenden Primärrohstoffverbrauch abzukoppeln. Dies kann nur mit einem verstärkten Einsatz von Sekundärrohstoffen und damit durch die Etablierung von Stoffkreisläufen gelingen, wie sie Anfang 2020 von der EU-Kommission propagiert wurde.

Nicht umsonst wurde die Abkoppelung des Wirtschaftswachstums von einem vermehrten Primärrohstoffverbrauch im Green Deal aufgenommen, der maßgeblich auf den Klimaschutz bezogen ist. Bei der Förderung und beim Transport von Primärrohstoffen entstehen regelmäßig mehr CO2-Emissionen als bei der Gewinnung von Sekundärrohstoffen. Zudem ist es regelmäßig wesentlich CO2-intensiver, Primärrohstoffe zu verarbeiten und daraus Produkte herzustellen als aus Sekundärrohstoffen.

  Berliner Tag der Kreislaufwirtschaft 2024  – Aktuelle Rechtsprechung und wichtige Änderungen
 
  • Hybrid-Veranstaltung am Di. 12. März 2024, 9-17 Uhr, ESV-Akademie, Genthiner Straße 30 C, 10785 Berlin und online
  • Frühbucherpreis bis 26. Februar 2024 und Sonderpreis für Abonnent/innen von Müll und Abfall
  • 6 Zeitstunden nach § 15 FAO 
– Teilnehmendenzahl vor Ort begrenzt –

Die Kreislaufwirtschaft nimmt an Bedeutung für den Klimaschutz zu. So greifen ab dem 1. Januar 2024 wichtige Pflichten aus dem Einweg­kunststoff­fonds­gesetz, dem letzten Baustein zur Umsetzung der EU-Einweg­kunststoff­richtlinie. Weitere Bereiche sind von den Änderungen besonders betroffen, wie etwa:

  • die Etablierung fester Kreisläufe,
  • der Gebäudebereich,
  • die Mobilitätswende (Lithium-Batterien),
  • oder Kunststoffe.
Hierzu stellen sich zahlreiche aktuelle Einzelfragen, die im Rahmen dieser Tagung behandelt werden. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen? Renommierte Experten berichten aus erster Hand.


Was ergibt sich daraus für die Abfallhierarchie, die Produktgestaltung, das Recycling, die Abfallverbrennung oder die Deponierung?

Prof. Dr. Frenz: Um die Kreislaufführung wirksam durchzusetzen, ist die Abfallhierarchie strikter anzuwenden. Wiederverwendung und Recycling haben stärkere Priorität.

Die Abfallverbrennung rückt eher in den Hintergrund. Sie kann vor allem dann Platz greifen, wenn Schadstoffpotenziale vernichtet werden müssen und nicht durch Recycling zu beheben sind, ebenso wenig durch sonstige stoffliche Verwertung. Die Deponierung ist ohnehin ein Auslaufmodell. Sie kann nur noch eingesetzt werden, wenn wirklich keine Alternative besteht. Vielmehr ist an das „Urban Mining“ zu denken, das bereits bei vorhandenen Deponien dazu verwendet werden soll, um Sekundärrohstoffe zu gewinnen.

Und die Produktgestaltung ist im Hinblick auf die Kreislaufführung so vorzunehmen, dass nach Gebrauch die Bestandteile der Produkte wiederverwendet oder recycelt werden können und so Sekundärrohstoffe entstehen. Es geht um eine Produktgestaltung, welche von der Wiege bis zur Bahre die Kreislaufwirtschaft im Blick hat und damit zugleich den Umweltschutz und die CO2-Reduktion.

In der öffentlichen Diskussion stößt man oft auf den Begriff „circular economy“. Was ist darunter zu verstehen?

Prof. Dr. Frenz: Auf der Ebene des Europäischen Parlaments wird die „circular economy“ definiert als Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Dadurch wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert.

Prof. Dr. Walter Frenz 

Prof. Dr. jur. Walter Frenz (Maître en Droit Public) ist Professor für Berg-, Umwelt- und Europarecht an der RWTH Aachen. Er ist Herausgeber und Mitautor des Handbuchs Kreislaufwirtschaft, das voraussichtlich im Mai 2023 im Erich Schmidt Verlag erscheint. Er ist zudem Autor zahlreicher weiterer Veröffentlichungen u. a. zu den Themen Abfall- und Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Entwicklung, Klimaschutz, Digitalisierung sowie Europarecht. 


In der öffentlichen Diskussion stößt man oft auf den Begriff „circular economy“. Was ist darunter zu verstehen?

Prof. Dr. Frenz: Auf der Ebene des Europäischen Parlaments wird die „circular economy“ definiert als Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Dadurch wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert (vgl. hierzu auch: Aktuelles aus dem EU-Parlament, Kreislaufwirtschaft: Definition und Vorteile). 

Das Gegenmodell zur effizienten Kreislaufwirtschaft ist die Wegwerfgesellschaft!

Was bedeutet diese Entwicklung für die Rohstoffkomponente oder die Digitalisierung?

Prof. Dr. Frenz: Durch eine verbesserte Kreislaufführung werden Primärrohstoffe eingespart, diese werden allerdings nicht entbehrlich. Bislang lassen sich nur einige Zyklen der Kreislaufführung erreichen. Dann sind die Sekundärrohstoffe erschöpft und es bedarf wiederum der Primärrohstoffe.

Zudem sind nicht in allen Bereichen schon hinreichende Kreislaufführungen etabliert, sodass es an Sekundärrohstoffen fehlt und Primärrohstoffe weiterhin notwendig sind.

Die Digitalisierung kann aber erheblich dazu beitragen, dass die Kreislaufführungen immer weiter verbessert werden. Durch sie lassen sich auch bessere Recyclingverfahren etablieren. Von daher ist die Digitalisierung ein wichtiges Instrument, um die Kreislaufwirtschaft und letztlich auch den Klimaschutz voranzubringen.

Wird es neue Pflichten für die Verbraucher geben, etwa erweiterte Mülltrennungspflichten?
 
Prof. Dr. Frenz: Die verstärkte Sekundärrohstoffwirtschaft ist darauf angewiesen, dass möglichst reine Qualitäten an Abfall zustande kommen. Nur auf dieser Basis lassen sich wirksam Sekundärrohstoffe gewinnen. Daher wird es zu weiteren Mülltrennungspflichten kommen, es sei denn die Sortierung in den Recyclinganlagen wird immer weiter verbessert, etwa durch die Digitalisierung. Dann ist eine Mülltrennung durch die Verbrauchenden nicht mehr in dem Maße notwendig, sondern sie erfolgt praktisch erst in der Anlage.

Sind weitere rechtliche Querschnittsbereiche betroffen?

Prof. Dr. Frenz: Die Kreislaufwirtschaft ist eine Querschnittsmaterie. Primär ist sie zwar im Kreislaufwirtschaftsrecht bzw. im Abfallrecht geregelt. Auf EU-Ebene fungiert dafür vor allem die Abfallrahmenrichtlinie, die im Kreislaufwirtschaftsgesetz in Deutschland umgesetzt wurde.

Im Kunststoffbereich gibt es wichtige Spezialregelungen, die auch die Produktgestaltungen betreffen. Damit wird vor allem auch das Produktrecht betroffen. Weiter ist auch das Klimaschutzrecht mit Regelungen für die Kreislaufwirtschaft insofern versehen, als Ziele für die CO2-Reduktion im Bereich der Industrie und damit auch bei den industriellen Fertigungen festgelegt werden, die am ehesten über den verstärkten Einsatz von Sekundärrohstoffen erzielt werden können. Auch wird die Abfallwirtschaft mit ihren CO2-Reduktionspflichten mit durch die Kreislaufwirtschaft geprägt, indem etwa Deponien immer weniger eingesetzt werden können.
 
Ein Wort zu Ihrem neuen Werk „Handbuch Kreislaufwirtschaft“. Warum haben Sie dieses Werk geschrieben und was zeichnet es aus?

Prof. Dr. Frenz: Das Handbuch Kreislaufwirtschaft soll die vorgenannten Entwicklungen in ihrer Gesamtheit abbilden. Es zeichnet sich vor allem durch seine Interdisziplinarität aus. Ingenieurinnen und Ingenieure, Juristinnen und Juristen sowie Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler zeigen den aktuellen Stand ihrer Disziplinen auf und beschreiben  die sich ergebenden Perspektiven näher. So wurde auch ein Insider aus der EU-Kommission in den Autorenkreis einbezogen. Die Autorinnen und Autoren stammen vor allem aus Universitäten, Beratungsfirmen bzw. Kanzleien, Behörden und Unternehmen.

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Und wen sprechen Sie damit konkret an?
 
Prof. Dr. Frenz: Angesprochen werden alle, die mit der Kreislaufwirtschaft zu tun haben, von Behörden über Unternehmen bis hin zu Beraterinnen und Beratern sowie Anwaltskanzleien. Die Kreislaufwirtschaft durchdringt nahezu alle Bereiche unseres täglichen Lebens und hat damit auch sehr viele Betroffene sowie Personen, die sie praktisch verwirklichen und begleiten.
 
Wie können sich Unternehmen, aber auch Berater auf die neuen Entwicklungen einstellen?
 
Prof. Dr. Frenz: Alle diese Personen können aus dem Handbuch Kreislaufwirtschaft die Informationen ziehen, die sie für ihren beruflichen Alltag und für ihre weiteren Konzeptionen benötigen.
 
Sie sind ja auch Referent des Klimaschutztages des Erich Schmidt Verlages. Worauf dürfen Sich die Besucher aus Ihrer Sicht freuen?

Prof. Dr. Frenz: Neben den aktuellen Entwickungen zum Klimaschutz, die dort aufgezeigt werden, werde ich referieren zu der Frage, ob wir Umweltstandardards zugunsten des Klimaschutzes reduzieren müssen. Vor allem geht es darum, ob der Artenschutz zugunsten der Windkraft zurücktreten soll. Insoweit haben sich sehr spannende unionsrechtliche Fragestellungen angehäuft. So ist insbesondere fraglich, ob die Regelungen des Osterpakets 2022 mit EU-Recht vereinbar sind. Zudem geht es um die Funktion der noch vorhandenen Kohleverstromung und darum, auf welche Nachwehen wir uns insoweit noch einzustellen haben, vor allem, wenn man die Ereignisse rund um Lützerath bedenkt. Auch die Versorgungssicherheit wird ein wichtiges Thema sein. 


Ihr Fazit: Wie bewerten Sie den Stand der bisherigen Entwicklungen. Ist das Ende schon erreicht oder sehen Sie weiteren Handlungsbedarf?
 
Prof. Dr. Frenz: Die Kreislaufwirtschaft in ihrer Entwicklung ist noch lange nicht am Ende. Bisher stehen eher konkrete Eckdaten fest. Indes werden immer weitere Verbesserungen erzielt werden können und müssen, so die Ausbeute an Sekundärrohstoffen, wenn es um das Recycling geht. Zudem müssen die Stoffkreisläufe noch deutlich geschlossener werden, damit immer weniger Primärrohstoffe benötigt werden.
 
Letztlich kann Klimaschutz nur verwirklicht werden, wenn auch eine effiziente Kreislaufwirtschaft etabliert ist. Nur so lassen sich die ehrgeizigen Klimaziele gerade auch im Produktionsbereich und damit bei der industriellen Fertigung erzielen.


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Erscheinungstemin: voraussichtlich im August 2023

Vor dem Hintergrund einer weiter anwachsenden Bedeutung der circular economy für den Klimaschutz und auf Grundlage des KrWG 2020, Green Deal und der EU-Kreislaufstrategie: Das neue Handbuch verschafft Ihnen einen umfassenden, interdisziplinären Überblick zum hochaktuellen Thema Kreislaufwirtschaft. Die akuten Problemfelder, mit denen sich Praktiker derzeit konfrontiert sehen, werden notwendigerweise komplex, dabei aber stets gut verständlich und lösungsorientiert erläutert – aus rechtlicher, wirtschaftlicher und technisch-naturwissenschaftlicher Sicht und mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Übersichten und Praxisbeispielen!

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(ESV/bp)

Programmbereich: Umweltrecht und Umweltschutz