Prospektverordnung: Entmündigung der Anleger?
Update |
Wie die Pressestelle des Deutschen Bundestages inzwischen mitteilte, hat das Parlament den Gesetzentwurf der Bundesregierung 28.06.2018 in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung (19/3036) verabschiedet. |
Im Überblick: Die Auswirkungen der Neuregelung |
Der Entwurf der Bundesregierung wird Auswirkungen auf mehrere Finanzmarktgesetze- und Verordnungen haben. Betroffen sind vor allem:
|
Ausnahmen von der Prospektpflicht
Dem Regierungsentwurf zufolge muss nicht mehr für alle öffentlichen Wertpapierangebote ein Prospekt vorgelegt werden. So muss bei Angeboten, bei denen der Gesamtgegenwert mindestens 100.000 Euro beträgt, der aber unter acht Millionen Euro bleibt, statt eines Prospekts nur noch ein dreiseitiges Wertpapier-Informationsblatt vorgelegt werden.Kreditwirtschaft: Mehrwert des Informationsblattes nicht ersichtlich
Heftige Kritik an dem Informationsblatt übte die deutsche Kreditwirtschaft. Danach müssten Emittenten von Wertpapieren bei Kleinemissionen schon jetzt „Beipackzettel“ für Kleinanleger erstellen. Der Mehrwert des neuen Informationsblatts erschloss sich den Sprechern der Kreditwirtschaft nicht.
Auch der Deutsche Fondsverband BVI sah für das neue Informationsblatt keine Notwendigkeit.
Deutsche Börse: Aufwand für Informationsblatt bei Kleinemissionen unangemessen
Ebenso sprach sich die Gruppe Deutsche Börse gegen das geplante Informationsblatt aus. Die Gruppe hält den Aufwand bei kleinen Emissionen für nicht angemessen. Vielmehr baue die Pflicht zur Erstellung und Genehmigung eines Wertpapier-Informationsblattes zusätzliche neue administrative Hürden für kleine und mittlere Unternehmen auf, so die Kritik der Börse.
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz: Verzicht auf Prospekterstellung bedenklich
Kritik an dem Verzicht auf die Prospekterstellung bei Emissionen von bis zu acht Millionen Euro kam hingegen von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Vereinigung verlangte zum Ausgleich, das Wertpapier-Informationsblatt vom Inhalt und Aufbau her an bereits bestehende Informationsblätter anzugleichen. Zudem müssten Angaben zu den Kosten gemacht werden.
Prospekt kann strukturelle Fehler aufdecken
Auch Rechtsanwalt Peter Mattil hob die Vorzüge eines Prospekts hervor. Zwar würden Prospekte mit oft mehreren hundert Seiten nur selten aufmerksam gelesen. Diese könnten aber später Informationsquellen für strukturelle Fehler von Anlagemodellen sein, vor allem in Fällen von Krisen oder Insolvenzen. Insoweit wies Mattil auf den Zusammenbruch der P&R-Gruppe (Container-Vermietung) hin. In diese hätten 55.000 Anleger rund 3,5 Milliarden Euro investiert. Der Prospekt hätte mit 160 Seiten zwar alle erdenklichen Informationen enthalten. Die wichtigste Information, nämlich dass die P&R entgegen allen Behauptungen offenbar ein reines Geldkarussell betreibt, ohne jegliche ernsthafte Investitionsmöglichkeiten für die Anleger, habe aber gefehlt.
Sollten Emittenten ihre Prospekte in englischer Sprache herausgeben dürfen, müssten die Anleger wenigstens ein Recht auf Übersetzungen haben, so Mattil abschließend.
Loipfinger: Nur bedingt verbesserter Anlegerschutz
Stefan Loipfinger, investmentcheck.de, befand den Rahmen von acht Millionen Euro in einem Jahr, bis zu dem keine Prospektpflicht vorgesehen ist, für zu hoch. Ihm zufolge kann ein Emittent so innerhalb von zehn Jahren 80 Millionen Euro Anlegerkapital ohne Prospekt einsammeln. Einen höheren Anlegerschutz biete der Gesetzentwurf daher nur sehr bedingt.
Höchstschwellen für nicht qualifizierte Anleger
Für sogenannte nicht qualifizierte Anleger will der Gesetzgeber Höchstschwellen für deren Geldanlagen einführen. So sollen Investitionen ab 1.000 Euro für diese Anlegergruppe nur noch in zwei Fällen möglich sein:- Der Anleger verfügt über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 Euro,
- oder er investiert maximal den doppelten Betrag seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens.
Diese Neuregelung hält Prof. Dörte Poelzig, Universität Leipzig, für überflüssig. Nach ihrer Auffassung kann auf Höchstschwellen verzichtet werden. Für wichtig hält sie vor allem Informationen für die Anleger.
Deutsche Kreditwirtschaft: Entmündigung für Anleger
Die deutsche Kreditwirtschaft sieht diese Einschränkungen gar als Entmündigung der Anleger an. Zudem würde die Überprüfung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Anleger zu einem erheblich größeren Verwaltungsaufwand führen.Auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz konnte diesen Neuregelungen nichts abgewinnen. Die Vereinigung vertritt die Ansicht, dass jeder Anleger selbst entscheiden soll, welche Beträge er investieren möchte.
Rechtsanwalt Peter Mattil meinte hingegen, dass die Beteiligungsschwellen von 1.000 beziehungsweise 10.000 Euro geeignet sein können, Privatanleger von unüberlegten Anlage abzuhalten.
Senkung der Emissionsobergrenzen für Banken
Auch für Banken sieht der Entwurf eine Senkung der Emissionsobergrenze vor. Diese soll von acht Millionen Euro auf nur noch fünf Millionen Euro sinken. Vor allem die Kreditwirtschaft bezeichnete dies als nicht sachgerecht. Danach wirkt die Neuregelung sogar dem Ziel der Kapitalmarktunion entgegen, vor allem kleinen Instituten den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern.Fondsverband BVI: Kein sachlicher Grund für Schlechterstellung von börsennotierten Emittenten und Banken
Dieser Meinung schloss sich der Fondsverband BVI an und konnte keinen sachlichen Grund darin erkennen, Banken und börsennotierte Emittenten schlechter zu stellen als unregulierte Emittenten.
Prof. Lars Klöhn: Gefahr der Öffnung für unseriöse Anbieter
Prof. Lars Klöhn, Humboldt Universität Berlin, sah den Entwurf als gut abgewogenen Kompromiss an. Allerdings könne dieser unseriösen Anbietern von Graumarktprodukten die Tür zum Wertpapiermarkt zu weit öffnen. Vor allem bestünde die Gefahr, dass unseriöse Anbieter von Graumarktprodukten die Ausnahmen von der Prospektpflicht nutzen würden, um mit Hilfe von „Drückerkolonnen“ Wertpapiere im Gegenwert von bis zu acht Millionen Euro zu vertreiben.
Ausnahmen von der Prospektpflicht auf GmbH-Anteile erweitern
Nach Angaben von Karsten Wenzlaff, Bundesverband Crowdfunding, betreiben die meisten kleinen und mittleren Unternehmen ihr Geschäft in der Rechtsform einer GmbH. Daher sollten die Ausnahmen von der Prospektpflicht auf GmbH-Anteile erweitert werden, um die Finanzierungsbedingungen kleinerer Unternehmen zu verbessern. Ansonsten werde das Ziel, jungen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Kapital zu erleichtern, nicht erreicht.
Um die Situation der Crowdfunding-Plattformen zu verbessern, wäre zudem eine vereinfachte Vermittler-Lizenz hilfreich, so Wenzlaff abschließend.
Quelle: hib - heute im bundestag Nr. 411 – Regierungsentwurf
KWG/CRR in Hochfrequenz, ungebunden aktuellKreditwesengesetz (KWG)Der „Reischauer/Kleinhans“ zählt seit Jahrzehnten zu den führenden Werken seines Fachs. Neben detaillierten Kommentierungen zum KWG finden Sie im „Reischauer / Kleinhans“:
Gegenüber gebundenen Kommentaren hat die ergänzbare Form des „Reischauer/Kleinhans“ den Vorteil, auf neue Rechtsentwicklungen zeitnah zu reagieren. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Bank- und Kapitalmarktrecht