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Neuregelung soll auch kleineren Unternehmen leichteren Zugang zu Finanzmärkten verschaffen (Foto: Dan Race/Fotolia.com)
Änderung der Prospektvorschriften

Prospektverordnung: Entmündigung der Anleger?

ESV-Redaktion Recht
25.06.2018
Kleine und mittelständische Unternehmen sollen leichter an frisches Kapital am Finanzmarkt kommen. Zu diesem Zweck und zur Anpassung an EU-Recht hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Bei einer Sachverständigenanhörung vor dem Finanzausschuss wurde der Entwurf allerdings heftig kritisiert.
Gegenstand der Anhörung war der Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze (19/2435)“. Mit der Reform will die Bundesregierung die deutsche Rechtslage an die EU-Prospektverordnung – (EU) 2017/1129) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. L 168 vom 30.6.2017, S. 12) – anpassen. Die neue Regelung soll am 21.07.2018 in Kraft treten und als wichtiger Schritt zur Kapitalmarktunion die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern. 

Update 
Wie die Pressestelle des Deutschen Bundestages inzwischen mitteilte, hat das Parlament den Gesetzentwurf der Bundesregierung 28.06.2018 in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung (19/3036) verabschiedet.

Im Überblick: Die Auswirkungen der Neuregelung
Der Entwurf der Bundesregierung wird Auswirkungen auf mehrere Finanzmarktgesetze- und Verordnungen haben. Betroffen sind vor allem:
  • das Wertpapierprospektgesetz (WpPG),
  • die Wertpapierprospektgebührenverordnung (WpPGebV),
  • das Handelsgesetzbuch (HGB),
  • das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG),
  • das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG),
  • das Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (FMStFG),
  • das Kreditwesengesetz (KWG),
  • das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB),
  • das Geldwäschegesetz (GwG),
  • sowie das Gesetz über die Umwandlung der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank in eine Aktiengesellschaft (DSL Bank-Umwandlungsgesetz).

Ausnahmen von der Prospektpflicht

Dem Regierungsentwurf zufolge muss nicht mehr für alle öffentlichen Wertpapierangebote ein Prospekt vorgelegt werden. So muss bei Angeboten, bei denen der Gesamtgegenwert mindestens 100.000 Euro beträgt, der aber unter acht Millionen Euro bleibt, statt eines Prospekts nur noch ein dreiseitiges Wertpapier-Informationsblatt vorgelegt werden.

Kreditwirtschaft: Mehrwert des Informationsblattes nicht ersichtlich

Heftige Kritik an dem Informationsblatt übte die deutsche Kreditwirtschaft. Danach müssten Emittenten von Wertpapieren bei Kleinemissionen schon jetzt „Beipackzettel“ für Kleinanleger erstellen. Der Mehrwert des neuen Informationsblatts erschloss sich den Sprechern der Kreditwirtschaft nicht.  

Auch der Deutsche Fondsverband BVI sah für das neue Informationsblatt keine Notwendigkeit.

Deutsche Börse: Aufwand für Informationsblatt bei Kleinemissionen unangemessen

Ebenso sprach sich die Gruppe Deutsche Börse gegen das geplante Informationsblatt aus. Die Gruppe hält den Aufwand bei kleinen Emissionen für nicht angemessen. Vielmehr baue die Pflicht zur Erstellung und Genehmigung eines Wertpapier-Informationsblattes zusätzliche neue administrative Hürden für kleine und mittlere Unternehmen auf, so die Kritik der Börse.

Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz: Verzicht auf Prospekterstellung bedenklich

Kritik an dem Verzicht auf die Prospekterstellung bei Emissionen von bis zu acht Millionen Euro kam hingegen von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Vereinigung verlangte zum Ausgleich, das Wertpapier-Informationsblatt vom Inhalt und Aufbau her an bereits bestehende Informationsblätter anzugleichen. Zudem müssten Angaben zu den Kosten gemacht werden.

Prospekt kann strukturelle Fehler aufdecken

Auch Rechtsanwalt Peter Mattil hob die Vorzüge eines Prospekts hervor. Zwar würden Prospekte mit oft mehreren hundert Seiten nur selten aufmerksam gelesen. Diese könnten aber später Informationsquellen für strukturelle Fehler von Anlagemodellen sein, vor allem in Fällen von Krisen oder Insolvenzen. Insoweit wies Mattil auf den Zusammenbruch der P&R-Gruppe (Container-Vermietung) hin. In diese hätten 55.000 Anleger rund 3,5 Milliarden Euro investiert. Der Prospekt hätte mit 160 Seiten zwar alle erdenklichen Informationen enthalten. Die wichtigste Information, nämlich dass die P&R entgegen allen Behauptungen offenbar ein reines Geldkarussell betreibt, ohne jegliche ernsthafte Investitionsmöglichkeiten für die Anleger, habe aber gefehlt.

Sollten Emittenten ihre Prospekte in englischer Sprache herausgeben dürfen, müssten die Anleger wenigstens ein Recht auf Übersetzungen haben, so Mattil abschließend.

Loipfinger: Nur bedingt verbesserter Anlegerschutz

Stefan Loipfinger, investmentcheck.de, befand den Rahmen von acht Millionen Euro in einem Jahr, bis zu dem keine Prospektpflicht vorgesehen ist, für zu hoch. Ihm zufolge kann ein Emittent so innerhalb von zehn Jahren 80 Millionen Euro Anlegerkapital ohne Prospekt einsammeln. Einen höheren Anlegerschutz biete der Gesetzentwurf daher nur sehr bedingt.

Höchstschwellen für nicht qualifizierte Anleger

Für sogenannte nicht qualifizierte Anleger will der Gesetzgeber Höchstschwellen für deren Geldanlagen einführen. So sollen Investitionen ab 1.000 Euro für diese Anlegergruppe nur noch in zwei Fällen möglich sein:
  • Der Anleger verfügt über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100.000 Euro,
  • oder er investiert maximal den doppelten Betrag seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens.
In beiden Fällen ist die Einzelanlage auf 10.000 Euro begrenzt.

Diese Neuregelung hält Prof. Dörte Poelzig, Universität Leipzig, für überflüssig. Nach ihrer Auffassung kann auf Höchstschwellen verzichtet werden. Für wichtig hält sie vor allem Informationen für die Anleger.

Deutsche Kreditwirtschaft: Entmündigung für Anleger

Die deutsche Kreditwirtschaft sieht diese Einschränkungen gar als Entmündigung der Anleger an. Zudem würde die Überprüfung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Anleger zu einem erheblich größeren Verwaltungsaufwand führen.

Auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz konnte diesen Neuregelungen nichts abgewinnen. Die Vereinigung vertritt die Ansicht, dass jeder Anleger selbst entscheiden soll, welche Beträge er investieren möchte.

Rechtsanwalt Peter Mattil meinte hingegen, dass die Beteiligungsschwellen von 1.000 beziehungsweise 10.000 Euro geeignet sein können, Privatanleger von unüberlegten Anlage abzuhalten.

Senkung der Emissionsobergrenzen für Banken

Auch für Banken sieht der Entwurf eine Senkung der Emissionsobergrenze vor. Diese soll von acht Millionen Euro auf nur noch fünf Millionen Euro sinken. Vor allem die Kreditwirtschaft bezeichnete dies als nicht sachgerecht. Danach wirkt die Neuregelung sogar dem Ziel der Kapitalmarktunion entgegen, vor allem kleinen Instituten den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern.

Fondsverband BVI: Kein sachlicher Grund für Schlechterstellung von börsennotierten Emittenten und Banken

Dieser Meinung schloss sich der Fondsverband BVI an und konnte keinen sachlichen Grund darin erkennen, Banken und börsennotierte Emittenten schlechter zu stellen als unregulierte Emittenten.

Prof. Lars Klöhn: Gefahr der Öffnung für unseriöse Anbieter

Prof. Lars Klöhn, Humboldt Universität Berlin, sah den Entwurf als gut abgewogenen Kompromiss an. Allerdings könne dieser unseriösen Anbietern von Graumarktprodukten die Tür zum Wertpapiermarkt zu weit öffnen. Vor allem bestünde die Gefahr, dass unseriöse Anbieter von Graumarktprodukten die Ausnahmen von der Prospektpflicht nutzen würden, um mit Hilfe von „Drückerkolonnen“ Wertpapiere im Gegenwert von bis zu acht Millionen Euro zu vertreiben.

Ausnahmen von der Prospektpflicht auf GmbH-Anteile erweitern

Nach Angaben von Karsten Wenzlaff, Bundesverband Crowdfunding, betreiben die meisten kleinen und mittleren Unternehmen ihr Geschäft in der Rechtsform einer GmbH. Daher sollten die Ausnahmen von der Prospektpflicht auf GmbH-Anteile erweitert werden, um die Finanzierungsbedingungen kleinerer Unternehmen zu verbessern. Ansonsten werde das Ziel, jungen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Kapital zu erleichtern, nicht erreicht.  

Um die Situation der Crowdfunding-Plattformen zu verbessern, wäre zudem eine vereinfachte Vermittler-Lizenz hilfreich, so Wenzlaff abschließend.

Quelle: hib - heute im bundestag Nr. 411 – Regierungsentwurf

KWG/CRR in Hochfrequenz, ungebunden aktuell

Kreditwesengesetz (KWG) 

Der „Reischauer/Kleinhans“ zählt seit Jahrzehnten zu den führenden Werken seines Fachs. Neben detaillierten Kommentierungen zum KWG finden Sie im „Reischauer / Kleinhans“:
  • eine vertiefende Erläuterung der wesentlichen Vorschriften der Capital Requirements Regulation (CRR) 
  • Erläuterungen der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 – LCR-VO
  • Erläuterungen u. a. der LiqV, der AnzV, der FinaRisikoV und des MaRisk-Regelungstextes,
  • eine alphabetische Übersicht der Legaldefinitionen wesentlicher Gesetze und Verordnungen. 

Gegenüber gebundenen Kommentaren hat die ergänzbare Form des „Reischauer/Kleinhans“ den Vorteil, auf neue Rechtsentwicklungen zeitnah zu reagieren.


(ESV/bp)

Programmbereich: Bank- und Kapitalmarktrecht