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Rechtliche Verknüpfung von BGF und Arbeitsschutz (Grafik: Leitfaden Prävention/GKV-Spitzenverband)
Betriebliche Organisation

Schnittstellen von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz besser nutzen

Elena Beicher und Carsten Stephan
17.07.2018
Maßnahmen? Maßnahmen! Aber welche sind die richtigen? Welche bringen das erwünschte Ergebnis? Unüberlegtes Durchführen von Maßnahmen durch die betriebliche Gesundheitsförderung und den Arbeits- und Gesundheitsschutz führt schnell dazu, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Durch ein systematisches Zusammenwirken von Analysen im BGF und der Gefährdungsbeurteilung im betrieblichen Arbeitsschutz kann für die Unternehmen immenser Nutzen gewonnen werden.
Analyseinstrumente zur Beurteilung des Ist-Zustandes und der Identifizierung der aktuellen Problemlage sind Bestandteil zur Bedarfserkennung in der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF). Gleichzeitig ist die Gefährdungsbeurteilung für die Unternehmen gemäß Arbeitsschutzgesetz verpflichtend an den Arbeitsplätzen durchzuführen. Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen kann dabei als erster Schritt dienen, um das Potenzial der Maßnahmen zu erkennen. Eines der wichtigsten Instrumente des Arbeitsschutzes ist die Gefährdungsbeurteilung. Gut gestaltet, unternehmensspezifisch umgesetzt und in ihrer Wirksamkeit geprüft, unterstützt die Gefährdungsbeurteilung die Unternehmen langfristig dabei, den permanenten Veränderungen der Arbeitswelt angemessen zu begegnen und kontinuierliche Verbesserungsprozesse anzustoßen. In diesem Sinne ist die Gefährdungsbeurteilung ein Strategie-, Planungs- und Optimierungsinstrument, das in die betriebliche Organisation zu integrieren ist. Merkmale und Ziele, die sich auch in einem systematischen betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) wiederfinden. 

Definition BGM

Man findet vielerlei Definitionen von BGM, wobei es sich immer um ein Managementsystem handelt, welches sich um systematische Prozesse und den Aufbau von Strukturen dreht. BGM ist eine interdisziplinäre Aufgabe für alle Unternehmensbereiche und in besonderer Verantwortung der Führungskräfte. Arbeitsschutz und BGF thematisieren mit ihren unterschiedlichen Verfahren die Schwerpunkte „Sicherheit“ und „Gesundheit“ bei der Arbeit. Der Arbeitsschutz hat dabei die Vermeidung von arbeitsbedingten Unfällen und Gesundheitsgefahren im Fokus. Die BGF konzentriert ihre Maßnahmen auf den Aufbau von Strukturen zur Gesundheitsförderung und Prävention, was sich in Verhaltens- und Verhältnisprävention gliedert. (Leitfaden Prävention, 2017) 

Eine weitere Definition des Begriffes BGF ist die der Luxemburg Deklaration von 1997: „BGF umfasst alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.“ Rahmenbedingungen, die durch die Verknüpfung folgender Ansätze geschaffen werden können:
  • Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen
  • Förderung der aktiven Mitarbeiterbeteiligung
  • Stärkung persönlicher Kompetenzen
Bereits bei diesen Punkten wird deutlich, dass den Arbeitsbedingungen sowohl im Arbeits- und Gesundheitsschutz als auch in der BGF eine wichtige Rolle zugeteilt wird. Zusätzliche Instrumente, wie Gesundheitszirkel, Gesundheitsberichte und auch die Gefährdungsbeurteilung, ergänzen diese Rollenvorstellung und tragen zur Beurteilung ebenjener Arbeitsbedingungen bei. § 5 des Arbeitsschutzgesetzes beschriebt sechs unterschiedliche Bereiche, in denen sich eine Gefährdung ergeben kann. In fast all diesen Bereichen werden in Unternehmen BGF Maßnahmen zur Gesundheitsförderung durchgeführt.

Betriebliche Gesundheitsförderung im Präventionsgesetz

Dies betrachtend wird deutlich, warum auch im Präventionsgesetz hierfür weitere Grundsteine gelegt werden. 

Die engere Verknüpfung von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz wird hier wiederholt betont. So lautet es im Sozialgesetzbuch V §20b:

(2) Bei der Wahrnehmung von Aufgaben nach Absatz 1 arbeiten die Krankenkassen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger sowie mit den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden zusammen.

Die dazu geltenden rechtlichen Bestimmungen werden in Abbildung 1 erläutert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsschutz eine verpflichtende Leistung des Arbeitgebers darstellt.

Die BGF hingegen ist nicht gesetzlich verpflichtend, wird von den Krankenkassen nach §20 a Sozialgesetzbuch (SGB V) jedoch wesentlich gefördert. 

Die Gefährdungsbeurteilung

Die Gefährdungsbeurteilung ist für die Unternehmen gemäß Arbeitsschutzgesetz verpflichtend an den Arbeitsplätzen durchzuführen. Dazu zählen, neben Analysen klassischer Arbeitsschutzfaktoren, auch andere Faktoren, wie z.B. Lärm, Klima, Beleuchtung und seit einigen Jahren auch die Untersuchung psychischer Belastung. Unter dieser psychischen Belastung wird „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ verstanden. Psychische Beanspruchungen hingegen beschreiben, „die unmittelbaren (nicht die langfristigen) Auswirkungen der psychischen Belastung des Individuums in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“. (EN ISO 10075-1:2000)

Das Arbeitsschutzgesetz fordert den Arbeitgeber durch eine reflektierte Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen dazu auf, daraus resultierende erforderliche Maßnahmen zu ermitteln. (DIN SPEC 91002) Klassischerweise werden dabei oftmals im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen entsprechende Ansätze ermittelt. Eine Alternative bildet die moderierte Gefährdungsbeurteilung. Gesetzeskonform erfolgt die Beurteilung nach Art der Tätigkeit. Statt die gesamte Belegschaft zu befragen, beurteilen Analyseteams definierte Arbeitsplatztypen in moderierten Workshops. Unter Mitarbeiterpartizipation werden hier Lösungsansätze gleich im Prozess integriert: Im Analyseteam erfolgt die Gefährdungsbeurteilung anhand definierter Belastungsfaktoren sowie anschließender Entwicklung von Lösungsideen. (Brennert et al., 2009) 

An dieser Stelle entsteht ein beispielhaftes Zusammenfließen von Arbeitsschutz und betrieblicher Gesundheitsförderung. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung können vor allem bei der Entwicklung von anschließenden Maßnahmen Berücksichtigung finden, sodass ein stärkerer Prozesscharakter zwischen Arbeitsschutz und betrieblicher Gesundheitsförderung entsteht. Durch die Einbindung und Teilnahme der Mitarbeiter an dem Verfahren selbst sowie aktiver Mitarbeit zu Verbesserungsvorschlägen, ergibt sich für anschließend konkret durchgeführte Maßnahmen ein deutlich höherer Identifikationsgrad. Widerstände werden so geringer, denn immerhin stammen die Vorschläge von den Beschäftigten selbst. (DIN SPEC 91020) 

Aspekte der Gefährdungsbeurteilungen lassen sich grob in folgende Bereiche unterteilen: Räumliche, physikalische und stoffliche Aspekte, Arbeitszeitgestaltung, soziale Beziehungen, Arbeitsabläufe und Arbeitsverfahren.

Dabei kann zum Beispiel die Beurteilung der „Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes“, wie in §5 des Arbeitsschutzgesetzes beschrieben, ein Vorläufer einer Ergonomie-Beratung am Arbeitsplatz sein. Des Weiteren können die Resultate eines Gesundheitszirkels oder eines Workshops mögliche Defizite in der „Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken“ individuell erörtern und konkrete Lösungsansätze für das Unternehmen aufzeigen. Somit kann hierbei in vielerlei Hinsicht ein gemeinsames Vorgehen von Instrumenten des Arbeitsschutzes und der betrieblichen Gesundheitsförderung auftreten. 

Mit Hilfe dieses systematischen Zusammenwirkens von Analysen durch die Gefährdungsbeurteilung und die darauf ausgerichteten Maßnahmen der BGF kann für die Unternehmen immenser Nutzen gewonnen werden. So zum Beispiel eine reduzierte Fluktuation, die Senkung von Krankenständen, die Steigerung der Leistungsfähigkeit oder auch eine Zunahme der Leistungsbereitschaft. Außerdem wird die allgemeine Zufriedenheit am Arbeitsplatz erhöht, wenn Maßnahmen auf die vorliegende Problematik abgestimmt werden. Hierbei können und sollten ergänzend die Leistungen von Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern enger aufeinander abgestimmt werden, sodass sich die Maßnahmen der Krankenkasse auf identifizierte arbeitsbedingte Gesundheitsrisiken im Unternehmen individueller ausrichten lassen. Das Resultat kann als eine passgenaue und bedarfsgerechte Leistung an die einzelnen Unternehmen herangetragen werden. 

Literatur

Arbeitsschutzgesetz (1996): Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit. Letzte Änderung 2015
Brennert, C., Müller-Bagehl, S., Bauer-Sternberg, D.,  Säckl, W.(2009): moderierte Gefährdungsbeurteilung. Inqa Pflege. Initiativkreis Gesund Pflegen
Brenscheidt, S., Siefer, A., Hinnenkamp, H., Hünefeld, L. (2018): Arbeitswelt im Wandel: Zahlen - Daten - Fakten (2018).  Dortmund
European Network for Workplace Health Promotion (ENWHP)
Leitfaden Prävention (2017): Kapitel 6. Betriebliche Gesundheitsförderung
Sozialgesetzbuch V (1988): Gesetzliche Krankenversicherung. Letzte Änderung 2017

 
Die Autoren
Elena Beichert ist seit 2017 für die Team Gesundheit als Beraterin im betrieblichen Gesundheitsmanagement tätig. Sie hat ihren Bachelor im Gesundheitsmanagement und Ihren Master in Sportwissenschaften absolviert.

Dr. Carsten Stephan ist seit 2011 Geschäftsführer der Team Gesundheit GmbH. Davor war er als stellvertretender Geschäftsführer des BKK Bundesverbandes tätig. Er hat Pflege- und Gesundheitswissenschaften studiert und im Bereich der Medizinwissenschaften promoviert.

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Programmbereich: Arbeitsschutz