
Schnittstellen von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz besser nutzen
Definition BGM
Man findet vielerlei Definitionen von BGM, wobei es sich immer um ein Managementsystem handelt, welches sich um systematische Prozesse und den Aufbau von Strukturen dreht. BGM ist eine interdisziplinäre Aufgabe für alle Unternehmensbereiche und in besonderer Verantwortung der Führungskräfte. Arbeitsschutz und BGF thematisieren mit ihren unterschiedlichen Verfahren die Schwerpunkte „Sicherheit“ und „Gesundheit“ bei der Arbeit. Der Arbeitsschutz hat dabei die Vermeidung von arbeitsbedingten Unfällen und Gesundheitsgefahren im Fokus. Die BGF konzentriert ihre Maßnahmen auf den Aufbau von Strukturen zur Gesundheitsförderung und Prävention, was sich in Verhaltens- und Verhältnisprävention gliedert. (Leitfaden Prävention, 2017)Eine weitere Definition des Begriffes BGF ist die der Luxemburg Deklaration von 1997: „BGF umfasst alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.“ Rahmenbedingungen, die durch die Verknüpfung folgender Ansätze geschaffen werden können:
- Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen
- Förderung der aktiven Mitarbeiterbeteiligung
- Stärkung persönlicher Kompetenzen
Betriebliche Gesundheitsförderung im Präventionsgesetz
Dies betrachtend wird deutlich, warum auch im Präventionsgesetz hierfür weitere Grundsteine gelegt werden.Die engere Verknüpfung von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz wird hier wiederholt betont. So lautet es im Sozialgesetzbuch V §20b:
(2) Bei der Wahrnehmung von Aufgaben nach Absatz 1 arbeiten die Krankenkassen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger sowie mit den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden zusammen.
Die dazu geltenden rechtlichen Bestimmungen werden in Abbildung 1 erläutert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsschutz eine verpflichtende Leistung des Arbeitgebers darstellt.
Die BGF hingegen ist nicht gesetzlich verpflichtend, wird von den Krankenkassen nach §20 a Sozialgesetzbuch (SGB V) jedoch wesentlich gefördert.
Die Gefährdungsbeurteilung
Die Gefährdungsbeurteilung ist für die Unternehmen gemäß Arbeitsschutzgesetz verpflichtend an den Arbeitsplätzen durchzuführen. Dazu zählen, neben Analysen klassischer Arbeitsschutzfaktoren, auch andere Faktoren, wie z.B. Lärm, Klima, Beleuchtung und seit einigen Jahren auch die Untersuchung psychischer Belastung. Unter dieser psychischen Belastung wird „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ verstanden. Psychische Beanspruchungen hingegen beschreiben, „die unmittelbaren (nicht die langfristigen) Auswirkungen der psychischen Belastung des Individuums in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“. (EN ISO 10075-1:2000)Das Arbeitsschutzgesetz fordert den Arbeitgeber durch eine reflektierte Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen dazu auf, daraus resultierende erforderliche Maßnahmen zu ermitteln. (DIN SPEC 91002) Klassischerweise werden dabei oftmals im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen entsprechende Ansätze ermittelt. Eine Alternative bildet die moderierte Gefährdungsbeurteilung. Gesetzeskonform erfolgt die Beurteilung nach Art der Tätigkeit. Statt die gesamte Belegschaft zu befragen, beurteilen Analyseteams definierte Arbeitsplatztypen in moderierten Workshops. Unter Mitarbeiterpartizipation werden hier Lösungsansätze gleich im Prozess integriert: Im Analyseteam erfolgt die Gefährdungsbeurteilung anhand definierter Belastungsfaktoren sowie anschließender Entwicklung von Lösungsideen. (Brennert et al., 2009)
An dieser Stelle entsteht ein beispielhaftes Zusammenfließen von Arbeitsschutz und betrieblicher Gesundheitsförderung. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung können vor allem bei der Entwicklung von anschließenden Maßnahmen Berücksichtigung finden, sodass ein stärkerer Prozesscharakter zwischen Arbeitsschutz und betrieblicher Gesundheitsförderung entsteht. Durch die Einbindung und Teilnahme der Mitarbeiter an dem Verfahren selbst sowie aktiver Mitarbeit zu Verbesserungsvorschlägen, ergibt sich für anschließend konkret durchgeführte Maßnahmen ein deutlich höherer Identifikationsgrad. Widerstände werden so geringer, denn immerhin stammen die Vorschläge von den Beschäftigten selbst. (DIN SPEC 91020)
Aspekte der Gefährdungsbeurteilungen lassen sich grob in folgende Bereiche unterteilen: Räumliche, physikalische und stoffliche Aspekte, Arbeitszeitgestaltung, soziale Beziehungen, Arbeitsabläufe und Arbeitsverfahren.
Dabei kann zum Beispiel die Beurteilung der „Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes“, wie in §5 des Arbeitsschutzgesetzes beschrieben, ein Vorläufer einer Ergonomie-Beratung am Arbeitsplatz sein. Des Weiteren können die Resultate eines Gesundheitszirkels oder eines Workshops mögliche Defizite in der „Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken“ individuell erörtern und konkrete Lösungsansätze für das Unternehmen aufzeigen. Somit kann hierbei in vielerlei Hinsicht ein gemeinsames Vorgehen von Instrumenten des Arbeitsschutzes und der betrieblichen Gesundheitsförderung auftreten.
Mit Hilfe dieses systematischen Zusammenwirkens von Analysen durch die Gefährdungsbeurteilung und die darauf ausgerichteten Maßnahmen der BGF kann für die Unternehmen immenser Nutzen gewonnen werden. So zum Beispiel eine reduzierte Fluktuation, die Senkung von Krankenständen, die Steigerung der Leistungsfähigkeit oder auch eine Zunahme der Leistungsbereitschaft. Außerdem wird die allgemeine Zufriedenheit am Arbeitsplatz erhöht, wenn Maßnahmen auf die vorliegende Problematik abgestimmt werden. Hierbei können und sollten ergänzend die Leistungen von Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern enger aufeinander abgestimmt werden, sodass sich die Maßnahmen der Krankenkasse auf identifizierte arbeitsbedingte Gesundheitsrisiken im Unternehmen individueller ausrichten lassen. Das Resultat kann als eine passgenaue und bedarfsgerechte Leistung an die einzelnen Unternehmen herangetragen werden.
Literatur
Arbeitsschutzgesetz (1996): Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit. Letzte Änderung 2015Brennert, C., Müller-Bagehl, S., Bauer-Sternberg, D., Säckl, W.(2009): moderierte Gefährdungsbeurteilung. Inqa Pflege. Initiativkreis Gesund Pflegen
Brenscheidt, S., Siefer, A., Hinnenkamp, H., Hünefeld, L. (2018): Arbeitswelt im Wandel: Zahlen - Daten - Fakten (2018). Dortmund
European Network for Workplace Health Promotion (ENWHP)
Leitfaden Prävention (2017): Kapitel 6. Betriebliche Gesundheitsförderung
Sozialgesetzbuch V (1988): Gesetzliche Krankenversicherung. Letzte Änderung 2017
Die Autoren |
Elena Beichert ist seit 2017 für die Team Gesundheit als Beraterin im betrieblichen Gesundheitsmanagement tätig. Sie hat ihren Bachelor im Gesundheitsmanagement und Ihren Master in Sportwissenschaften absolviert. Dr. Carsten Stephan ist seit 2011 Geschäftsführer der Team Gesundheit GmbH. Davor war er als stellvertretender Geschäftsführer des BKK Bundesverbandes tätig. Er hat Pflege- und Gesundheitswissenschaften studiert und im Bereich der Medizinwissenschaften promoviert. |
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