
Sebastian Louven: „Mit ApplePay hatte der Smartphonehersteller die Finanzbranche eiskalt erwischt“
Kein zwingender Zusammenhang zum Geldwäscherecht
Herr Louven: Ist mit der Reform auch die Erweiterung des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes nach § 58a ZAG beschlossene Sache?Sebastian Louven: Der Bundestag hat den Entwurf mit seinen Änderungen angenommen, wie sie zuletzt vom Finanzausschuss vorgeschlagen wurden. Damit hat er gleichzeitig die Neuregelung des § 58a ZAG mit abgesegnet. Das ist im Vorgang schon erstaunlich, da es sich zum einen nicht zwingend um eine Regelung handelt, die im Zusammenhang mit dem Geldwäscherecht steht. Aber auch der Zusammenhang mit der Regulierung von Zahlungsdiensten liegt nicht unmittelbar nahe. Jetzt muss noch der Bundesrat über dieses Gesetz entscheiden.
Sebastian Louven |
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Was wäre denn eine technische Infrastrukturleistung im Sinne von § 58a ZAG und wie würde sich die Norm von § 57 ZAG abgrenzen?
Sebastian Louven: Grundsätzlich würden unter den Begriff zunächst alle Leistungen fallen, die in einem Zusammenhang mit dem Erbringen der Zahlungsdienste und dem Betrieb von E-Geld-Geschäften stehen. Das jeweilige Unternehmen hat da keinen großen Spielraum, etwa indem es seine Prozesse ändert. Denn die Neuregelung sieht außerdem ein Behinderungsverbot vor; die technische Infrastrukturleistung muss also so erfolgen, dass das nachfragende Unternehmen seine Zahlungsdienste oder E-Geld-Geschäfte ungehindert betreiben kann.
Keine Berührung mit Finanzbranche erforderlich
Das Besondere im Vergleich zu § 57 ZAG ist, dass es sich nicht um eins der regulierten Unternehmen handeln muss. Dort werden Betreiber eines Zahlungssystems adressiert. Von § 58a ZAG können aber auch Unternehmen erfasst werden, die als solche keine unmittelbare Berührung mit der Finanzbranche haben, aber für deren Entwicklung relevante Leistungen anbieten können. Bei digitalen Plattformen kann dies der Fall sein.„Lex Apple Pay“
Die Änderung wird laut zahlreichen Medienberichten auch als „Lex Apple Pay“ bezeichnet – warum?Sebastian Louven: Wie immer handelt es sich um eine starke Verkürzung, da reine Einzelfallgesetze verfassungsrechtlich unzulässig sind. Exemplarisches Leitbild war aber das Verhalten von Apple mit dem Start seines Dienstes ApplePay Ende letzten Jahres. Damit hatte der Konzern die Finanzbranche eiskalt erwischt.
Zahlreiche Institute hatten bereits in eigene Lösungen investiert, die nun bei Apple-Geräten technisch nicht mehr möglich sein sollten. Das Betriebssystem selbst ist nicht nach außen offen, der Shop für Anwendungen dagegen schon. Dennoch konnten andere Unternehmen nicht mit eigenen Bezahllösungen erfolgreich in diesem System werden. Erforderlich wäre in diesem Fall die Öffnung der technischen Schnittstelle für die sogenannten NFC-Chips. Mit dieser Near Field Communication ist es möglich, Zahlungen an Terminals allein durch das Handy mit dem betreffenden Betriebssystem auszulösen.
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Behinderungsverbot und Preis- und Konditionenkontrolle
§ 58a ZAG-neu spricht etwas allgemeiner von „technischen Infrastrukturleistungen“, mit denen ein Unternehmen zu dem Erbringen von Zahlungsdiensten oder dem Betreiben des E-Geld-Geschäfts im Inland beiträgt. Das ist ein sehr weiter Begriff, unter den auch die Apple-Technologie fallen dürfte, soweit damit Zahlungsdienste oder E-Geld-Geschäfte umsetzbar sind. Die Vorschrift nimmt aber neben dem Zugangsanspruch und dem Behinderungsverbot eine Preis- und Konditionenkontrolle auf. Das bedeutet, dass das Systemunternehmen grundsätzlich das Zurverfügungstellen seiner Infrastruktur kommerzialisieren darf, dabei aber Rahmenbedingungen unterworfen ist.Dies hat zwei große Auswirkungen für die Verhandlungsposition von Zahlungsdienstleistern. Da nämlich ein grundsätzlich unbedingter Zugangsanspruch zu angemessenen Bedingungen besteht, kann das Systemunternehmen nicht mehr „take it or leave it“ sagen. Es muss vielmehr selbst dafür sorgen, dass die Bedingungen seines Angebots der Nachfrage angemessen entsprechen und er das richtige Vorleistungsprodukt bereitstellt. Im Ergebnis kommt diese Vorschrift damit sehr nah an eine auch inhaltliche Regulierung.
Regulatorischer Dammbruch?
Warum wehrt sich Apple überhaupt dagegen?Sebastian Louven: Das hat zum einen mit der damit erzwingbaren Öffnung der eigenen Plattform zu tun. Apple wäre gezwungen, die Schnittstelleninformationen herauszugeben, obwohl das eigene System grundsätzlich zunächst geschlossen betrieben wird.
Insofern kann man diese Vorschrift zum anderen aber auch als regulatorischen Dammbruch verstehen. Denn bereits seit längerer Zeit entbrennt eine weltweite Debatte darüber, wie digitale Plattformen in wettbewerblicher Hinsicht „reguliert“ werden könnten.
Im Allgemeinen wird hier mehr oder weniger populistisch das Kartellrecht als vermeintliche Rettung gesehen. Insbesondere Apple war in dieser Debatte weitgehend verschont, teilweise gerade aufgrund seines geschlossenen Systems. Mit dieser Vorschrift ändert sich auch dies und das Unternehmen wird in die Debatte um die Öffnung digitaler Plattformen zugunsten von Wettbewerb hineingezogen.
Lesen Sie in Teil 2 des Interviews: |
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