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Die Vermutung von § 46 SGB Abs. 2a SGB VI kann einer Witwenrente entgegenstehen, wenn die betreffende Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat (Foto: Jürgen Hüls / stock.adobe.com)
Rentenrecht

SG Berlin zu Witwerrente trotz Nothochzeit im Krankenhaus

ESV-Redaktion Recht
07.06.2024
Hat ein verwitweter Ehemann Anspruch auf Witwerrente, wenn dessen Ehefrau schon vor der Hochzeit an schwerem Krebs litt und weniger als ein Jahr nach der Hochzeit starb? Diese Frage musste das SG Berlin kürzlich entscheiden.
In dem Streitfall beantragte der Kläger bei der beklagten Deutschen Rentenversicherung eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seiner Ehefrau. Bei dieser wurde erstmalig im Jahr 2014 Brustkrebs diagnostiziert und behandelt.
 
Im September 2019 reservierte das angehende Brautpaar – das seit etwa sieben Jahren zusammenlebte – Veranstaltungsräume für die Hochzeit, die im Juli 2020 stattfinden sollte. Geplant war eine große Feier, mit der die angehenden Eheleute gleichzeitig ihre beiden 50. Geburtstage feiern wollten. Etwa einen Monat später, also im Oktober 2019, meldeten sie den Termin der Eheschließung beim Standesamt an.
 
Im Dezember 2019 wurde bei der Versicherten im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung allerdings ein Wiederauftreten ihrer Krebserkrankung festgestellt, im März 2020 empfahlen die Ärzte ihr eine Chemotherapie.
 
Anfang April 2020 kam die Versicherte ins Krankenhaus und noch im selben Monat schlossen beide dort die Ehe. Im Juli 2020 starb die Versicherte dann an ihrer Krankheit.

 

Deutsche Rentenversicherung: Versorgungsgedanke war Hauptmotiv der Eheschließung

Im November 2020 lehnte die Deutsche Rentenversicherung den Antrag auf Witwerrente ab. Die Begründung: Das Gesetz gehe bei einer Ehe, die weniger als ein Jahr gedauert hat, davon aus, dass der überwiegende Zweck der Eheschließung die Versorgung durch eine Hinterbliebenenrente war. Schon zum Zeitpunkt der Eheschließung wäre absehbar gewesen, dass die Krankheit der Versicherten bald zu ihrem Tod führen würde. Gegen den Ablehungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung zog der Witwer mit einer Klage vor das SG Berlin.

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SG Berlin: Vermutung von § 46 SGB Abs. 2a VI greift vorliegend nicht

Die Klage hatte Erfolg. Die 4. Kammer des SG Berlin hob die Entscheidung der Beklagten auf und verurteilte diese zur Rentenzahlung. Die tragenden Erwägungen der Kammer:
 

Vermutung von § 46 SGB Abs. 2a VI kann Witwerrente zwar entgegenstehen

Zwar kann die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI  (siehe unten) eine Witwerrente ausschließen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. Nach dieser Vermutung soll es dann das alleinige oder überwiegende Ziel der Ehe sein, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, so die Kammer.
 

Aber – Vermutung ist widerlegbar

Dies gilt der Kammer zufolge aber nicht, wenn besondere Umstände die gesetzliche Vermutung entkräften. Hier betonte die Kammer, dass die angehenden Ehepartner schon vor Bekanntwerden der endgültigen Diagnose konkrete Heiratspläne hatten.
 

Versorgungsgedanke nicht überwiegender Zweck der Ehe

Dementsprechend zeigte sich die Kammer überzeugt davon, dass die Versorgung des Klägers nicht der überwiegende Zweck der Ehe war, was sie folgendermaßen begründete:
 
  • Entschluss zur Eheschließung deutlich vor Bekanntwerden der endgültigen Krebsdiagnose: Der konkrete Entschluss zur Eheschließung wurde im September 2019 gefasst, also deutlich vor Bekanntwerden der endgültigen Krebsdiagnose im März 2020, als die Ärzte eine Chemo-Therapie empfahlen.
  • Hochzeitsvorbereitungen als Beleg: Dies belegen der Kammer zufolge die Hochzeitsvorbereitungen im September 2019, wie etwa die Anmietung der Räume oder die Beantragung eines Termins beim Standesamt einen Monat später. Wäre der Entschluss, zu heiraten, schon überwiegend von der Sorge eines tödlichen Krankheitsverlaufs bei der Versicherten getragen gewesen, hätte es nahegelegen, den Termin für die Trauung deutlich früher anzusetzen als für Juli 2020.  
  • Auch für die für vorgezogene Trauung hab es einen Grund: Für das Vorziehen des Hochzeitstermins auf April 2020 im Krankenhaus hatte der Kläger glaubhaft dargelegt, dass der Hauptgrund hierfür die Einschränkungen der Corona-Pandemie waren. Durch ihre vorzeitige Heirat hatten die Ehepartner ein striktes Besuchsverbot im Krankenhaus vermeiden wollen, führt die 4. Kammer des SG Berlin abschließend aus.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der beklagte Rentenversicherungsträger wendete sich mit einer Berufung an das LSG Berlin-Brandenburg.
 
Quelle: PM des SG Berlin vom 06.06.2024 zum Urteil vom 18.03.2024 – S 4 R 618/21


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Im Wortlaut: § 46 Abs. 2a SGB VI – Witwenrente und Witwerrente 
[…]
 
(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
 
[…]

(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung