SG Frankfurt: Beobachtende Schulbegleitung für insulinpflichtiges Kind ist Krankenpflege und keine Eingliederungshilfe der Gemeinde
Für das zweite Schuljahr beantragte der Schüler dann die Fortsetzung der Schulbegleitung. Seine Krankenkasse gewährte aber lediglich die häusliche Krankenpflege in Form von drei Insulininjektionen täglich und leitete seinen Antrag in Bezug auf die Schulbegleitung wiederum an die Stadt weiter. Diese lehnte den Antrag ab und meinte, die Krankenkasse sei zuständig.
Daraufhin zog der Antragsteller mit einem Eilantrag – der auf die Übernahme der kontinuierlichen Krankenbeobachtung während des Schulbesuchs durch die Krankenkasse oder durch die Stadt gerichtet war - vor das SG Frankfurt. Seine Begründung: Er wäre zur Überwachung seines Blutzuckerverlaufs und zum etwaigen Eingreifen aufgrund seines Alters weiterhin noch nicht in der Lage.
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SG Frankfurt: Krankenkasse hat vorläufig überwachende Schulbegleitung zu übernehmen
Sein Eilantrag hatte Erfolg: Das SG Frankfurt hat die Krankenkasse des Antragstellers über eine einstweilige Anordnung vorläufig dazu verpflichtet, die häusliche Krankenpflege in Form einer kontinuierlichen Beobachtung und Intervention beim Blutzuckerverlauf an Schultagen bis zu acht Stunden täglich zu gewähren. Die Begründungen des SG gliedern sich auf in die Aspekte der Notwendigkeit einer kontinuierlichen Überwachung sowie in die Abgrenzung der Zuständigkeiten.
Zur Notwendigkeit der kontinuierlichen Überwachung
Bei den Fragen zu diesem Bereich ließ sich das Gericht im Wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten:
- Bloße Gewährung häuslicher Krankenpflege durch Krankenkasse mit drei Insulininjektionen unzureichend: Die von der Krankenkasse genehmigten festen Zeiten (3x täglich) für Blutzuckermessungen und Insulingaben während des Schulbesuchs reichen nicht aus.
- Jederzeitige Intervention muss möglich sein: Aufgrund der schwankenden Blutzuckerwerte – durch körperliche Aktivitäten, unregelmäßige Tagesrhythmen oder Infekte – ist es notwendig, jederzeit eingreifen zu können, um gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden. Der Antragsteller braucht daher eine ständige Beobachtung, um bei unvorhergesehenen Situationen sofort handeln zu können und um vor allem Über- oder Unterzuckerungen zu vermeiden.
- Eingeschränkte Selbstständigkeit des Antragstellers: Aufgrund seines Alters ist der Antragsteller derzeit nicht in der Lage, die erforderlichen Aufgaben selbstständig zu erfüllen, denn seine Körperwahrnehmung ist altersbedingt noch eingeschränkt.
- Gefahr gesundheitlicher Komplikationen: Daher ist die ständige Beobachtung erforderlich, um gesundheitliche Risiken zu minimieren.
Abgrenzung der Zuständigkeiten
Im Ergebnis sah das Gericht die vollumfängliche Zuständigkeit der Krankenkasse und begründete seine Ansicht wie folgt:
- Keine Eingliederungshilfe zur Schulbildung: Die beantragte Leistung ist keine Eingliederungshilfe, weil sie nicht zur Hilfe für eine angemessene Schulbildung dient. Zudem stellen außerhalb der Schule die Eltern die Überwachung sicher, sodass auch aus diesem Grund keine Eingliederungshilfe vorliegt.
- Leistung als häusliche Krankenpflege: Die beantragte Leistung gehört vielmehr zur häuslichen Krankenpflege und hat als medizinische Behandlung einen kurativen Charakter. Die beantragten Leistungen sind nämlich erforderlich, um das Ziel der ärztlichen Behandlung zu sichern. Damit ist die beantragte Leistung eine Sicherungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege – und keine Leistung der Teilhabe.
- Einheitlicher Leistungsfall: Schließlich liegt ein einheitlicher Leistungsfall vor, der sich nicht in zwei separate Anträge – wie etwa Blutzuckermessung und Schulbegleitung – aufsplitten lässt.
ESV-Digital Hauck/Noftz SGB V AI – Gesetzliche KrankenversicherungAutoren: Alexander Beyer, Dr. Holger Blöcher, Dr. Frank Bockholdt, Dr. Sören Deister
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| Im Wortlaut: § 82 b Abs. 2 Satz 2 SGG |
[ … ] 2 Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. […] § 37 Abs. 2 SGB V (2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, [ …. ] als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. […] |
(ESV / Bernd Preiß)
Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung