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VG Konstanz: Die Erben mussten damit rechnen, dass die Rentenversicherung die gezahlten Renten zurückfordert (Bild: U. J. Alexander / stock.adobe.com)
Gesetzliche Rente wegen Todes bei Verschollenheit

SG Konstanz zur Erstattungspflicht der Erben bei weitergezahlten Renten an Verschollenen

ESV-Redaktion Recht
22.08.2025
Können Erben für Rentenzahlungen an einen Verschollenen haften – und wenn ja, in welchem Umfang? Diese Fragen hat das SG Konstanz in einem kürzlich veröffentlichten Urteil beantwortet.
In dem Streitfall bezog der Vater der Klägerinnen und des Klägers eine Altersrente und eine Witwerrente. Seit einem Badeunfall am Bodensee vor einigen Jahren wurde der Vater vermisst. Auch sein Leichnam wurde nie geborgen. 
 
Die beklagte Rentenversicherung stellte die Rentenzahlungen nach Bekanntwerden des Unglücks im Dezember 2011 ein. Mit Bescheid vom 09.01.2015 nahm die Beklagte die Rentenzahlungen auf das bekannte Konto des Erblassers wieder auf und zahlte die Renten für die Zeit ab dem 01.01.2012 insgesamt 42.080,49 EUR nach. Hierbei wies die Beklagte aber darauf hin, dass sie die Rente nur unter Vorbehalt zahlt – die Zahlungen aber zurückfordern wird, falls der Erblasser rückwirkend für tot erklärt werden sollte.
 
Im weiteren Verlauf des Jahres 2015 durften die Rentenversicherungsträger aufgrund einer Gesetzesänderung den wahrscheinlichen Todeszeitpunkt dann selbst bestimmen (§ 6 Absatz 6, 2. HS SGB VI mit § 49 Satz 3 SGB VI, siehe unten). Die beklagte Rentenversicherung ging dann davon aus, dass der Vater der Kläger höchstwahrscheinlich beim Badeunfall ums Leben kam, und erließ daraufhin den entsprechenden Bescheid.
 
Weil sowohl das SG Reutlingen als auch das LSG Baden-Württemberg bestätigt hatten, forderte die Beklagte die gezahlten Renten von den Erben zurück.
 
Gegen den Rückforderungsbescheid zogen die Kläger erneut vor Gericht – dieses Mal vor das SG Konstanz. Ihre Begründungen:

  • Rente teilweise verbraucht: Die Rente sei zum Teil aufgebraucht, weil ihnen erhebliche Kosten zur Erhaltung des Wohnhauses des Vaters entstanden seien.
  • Belastungen aus Verschollenheit: Zudem fielen Kosten für eine Abwesenheitspflegschaft und für verschiedene Rechtsstreitigkeiten an. Diese Kosten müssten auf die Rückzahlungssumme angerechnet werden.
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SG Konstanz: Allgemeinheit hat finanzielle Belastungen aus der Verschollenheit nicht zu tragen

Die Begründungen der Kläger überzeugten das SG Konstanz nicht. Demnach mussten die Kläger mit der Rückforderung der Rentenzahlungen rechnen und die Beklagte hatte ihr insoweit zustehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die wesentlichen Erwägungen des Gerichts hierzu:

  • Hinweis auf etwaige Rückforderung im Bescheid: Nach Auffassung des SG mussten die Kläger damit rechnen, dass eine Rückzahlung der Rente fällig werden könnte, denn der Bescheid vom 09.01.2015 hatte ausdrücklich darauf hingewiesen. Ebenso hätten die Kläger für die Zeit bis zum 31.12.2011 erkennen können, dass dem Erblasser die Rente möglicherweise nicht zugestanden hätte, wenn sein Tod rückwirkend festgestellt würde. Zudem ist dem SG zufolge allgemein bekannt, dass Renten nur bis zum Tod gezahlt werden. Nach dem Badeunfall lag die Möglichkeit einer Todeserklärung für die Klägerinnen und Kläger besonders nahe. Daher durfte die Beklagte die Rente vom Grunde her zurückfordern.
  • Zur Höhe des Rückzahlungsanspruchs: Die Beklagte durfte auch die volle Rückzahlung der überzahlten Rente verlangen, denn weder die Aufwendungen der Kläger noch die besondere Situation aufgrund der Verschollenheit des Erblassers rechtfertigen ein Absehen davon. Insoweit hat die Beklagte auch ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Sie ist insbesondere nicht dazu verpflichtet, den Rückforderungsbetrag zu mindern, denn die Interessen der Kläger haben nicht zwingend Vorrang vor dem Interesse der Versichertengemeinschaft auf vollständige Rückzahlung.
  • Belastungen aus Verschollenheit liegen in Sphäre der Kläger: Die besonderen Belastungen aufgrund der Verschollenheit des Erblassers fallen in die Sphäre der Kläger und sind daher nicht von der Versichertengemeinschaft zu tragen. Nach Auffassung des Gerichts gilt dies sowohl für die Kosten der Abwesenheitspflegschaft und der Rechtsstreitigkeiten als auch für die Aufwendungen zur Werterhaltung der Immobilie. Ein etwaiges früheres Fehlverhalten der Rentenversicherung war nach Ansicht des SG Konstanz für das Verfahren ohne Bedeutung.
  • Höhe des Erbes übersteigt Rückforderungsbetrag: Zudem übersteigt die Höhe der Erbschaft den Rückforderungsbetrag, sodass die Rückzahlung durch die Erben auch möglich ist.

Quelle: PM des SG Konstanz vom 06.08.2025 zum Urteil vom selben Tag – S 2 R 165/24


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Redaktion: Holger Menk

Herausgeber: Prof. Dr. Peter Axer, Prof. Dr. Peter Becker
Schriftleitung: Prof. Dr. Dr. h. c. Eberhard Eichenhofer


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Im Wortlaut: § 6 Absatz 6 SGB VI – Befristung und Tod
(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. 2 Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. 3 Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

§ 49 SGB VI Satz 3 – Renten wegen Todes bei Verschollenheit
 
3 Der Träger der Rentenversicherung ist berechtigt, für die Rentenleistung den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Dieser bleibt auch bei gerichtlicher Feststellung oder Beurkundung eines abweichenden Todesdatums maßgeblich. 


(ESV/bp

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung