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SG Stuttgart: Keine neuen medizinischen Erkenntnisse bei Verursachung von PTBS bei Rettungssanitätern (Foto: benjaminnolte/Fotolia.com)
Psychische Belastung als Berufskrankheit

SG Stuttgart: Keine Anerkennung von posttraumatischer Belastungsstörung bei Rettungssanitäter

ESV-Redaktion Recht
27.08.2019
Können Angehörige bestimmter Berufsgruppen Ansprüche auf Anerkennung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) als Berufskrankheit haben? In einem Fall vor dem Sozialgericht Stuttgart ging es um einen Rettungssanitäter, der sich unter anderem auf Traumata aus seinen Einsätzen beim Amoklauf von Winnenden berief.
Der Kläger hatte bei der beklagten Berufsgenossenschaft beantragt, eine PTBS als Berufskrankheit (BK) aufgrund seiner Tätigkeit als Rettungssanitäter festzustellen. Die Krankheit hatten seine behandelnden Ärzte diagnostiziert und unter anderem mit Traumata aus den Einsätzen beim Amoklauf von Winnenden begründet. Weiterhin erinnerte sich der Kläger an den Suizid einer Jugendlichen, der ihn tief erschüttert habe. Zwar hatte sich der Kläger laut Aussage seiner Ärzte  wieder weitgehend stabilisiert. Allerdings wäre er ein Jahr später zum Suizid der Freundin der Jugendlichen gerufen worden. Hierbei wäre es zur Dekompensation gekommen.

Die Folge: Der Kläger könne nicht mehr richtig reagieren. Zudem kam es nach dem Klägervortrag verstärkt zu Eskalationen, die der Kläger nur durch Rückzug vermeiden könne. Diese Symptomatik werde aufrechterhalten, durch ein verstärktes Sinnlosigkeitserleben sowie durch  mangelnde Unterstützung von Vorgesetzten, so die behandelnden Ärzte. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte seinen Antrag ab. Daraufhin zog der Kläger vor das Sozialgericht (SG) Stuttgart.

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SG Stuttgart: PTBS keine Listenerkrankungen nach § 9 Absatz 1 SGB VII

Das Sozialgericht Stuttgart (SG) hat die Klage abgewiesen. Dabei ließ sich das SG von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.7.2010 – B 2 U 19/09 R leiten. Die wesentlichen Erwägungen des SG:
  • PTBS keine Listenerkrankung: Die PTBS gehört nicht zu den Listenerkrankungen im Sinne von § 9 Absatz 1 SGB VII in Verbindung mit der dort genannten Verordnung (VO) der Bundesregierung.
  • Keine neuen Medizinischen Erkenntnisse: Auch eine sogeannte „Wie-BK“ lag nicht vor. Zwar müssten die Unfallversicherungsträger Krankheiten, die nicht in der benannten VO aufgeführt sind, nach § 9 Absatz 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anerkennen, wenn nach neuen medizinischen Erkenntnissen die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Absatz 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Allerdings lagen nach den Ermittlungen des SG keine neuen medizinischen Erkenntnisse für psychische Belastungen bei Rettungssanitätern, Polizisten, Feuerwehrleuten oder Entwicklungshelfern in Krisengebieten vor.
  • Kein enger personeller Bezug: Darüber hinaus weist das SG Stuttgart nochmal auf die obige Entscheidung des BSG hin. In dieser haben die BSG-Richter auch betont, dass für die Annahme eines Ursachenzusammenhangs ein enger personaler Bezug des Klägers zu den belastenden Ereignissen vorliegen müsse. Hierzu habe der Kläger nichts vorgetragen, so das SG.
Die Entscheidung der Stuttgarter Sozialrichter ist noch nicht rechtskräftig

Quelle: PM des SG Stuttgart vom 2.8.2019 zum Urteil vom 8.11.2018 – S 1 U 1682/17

Im Wortlaut: § 9 Absatz 1 Satz 2 SGB VII
(1) (...) 2 Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. (...)
Im Wortlaut: § 9 Absatz 2 SGB VII
(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.
 

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(ESV/bp)

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