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Tax Compliance

23.04.2019
Steuerstrafrechtliche Verantwortung im Unternehmen. Von Jürgen R. Müller / Christian Fischer, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2018, 79,95 Euro, 390 Seiten, ISBN 978-3-503-18110-0.
Steuerliche Verstöße haben durch die Rechtsprechung der vergangenen Jahre eine erheblich erhöhte Straferwartung erhalten. Gleichzeitig hat die Gesetzgebung immer mehr Vorschriften erlassen, die von Unternehmen zu beachten sind. Als weiterer Aspekt kommt hinzu, dass die Steuerbehörden auch international immer intensiver zusammenarbeiten, der Informationsaustausch zunimmt und damit das beliebte Spiel des Profit Shifting außerordentlich erschwert worden ist. Zu Recht weisen die Autoren auch in ihrem Vorwort darauf hin, dass häufig Arbeitsfehler bei Betriebsprüfungen kriminalisiert werden, da die Finanzbehörden Absicht unterstellen. In dieser Gemengelage müssen sich Unternehmen intensiver mit Tax Compliance auseinandersetzen. Müller und Fischer sind profunde Kenner der Materie, praktizieren sie doch schon lange als Anwälte in den Feldern Steuerrecht und Steuerstrafrecht.

Die Autoren ordnen Tax Compliance innerhalb des allgemeinen Gebiets Compliance ein. Es handelt sich nicht um eine Sonderaufgabe. Zu Recht wird auch konstatiert, dass die rechtskonforme Gestaltung von steuerlichen Sachverhalten – also die weitestgehende Interpretation von steuerlichen Normen zugunsten des Unternehmens – auch eine Aufgabe von Tax Compliance ist.

Für alle Unternehmen, explizit auch für kleine und mittlere Unternehmen, empfiehlt der Band die Einrichtung eines Tax-Compliance-Management-Systems zur Vermeidung von Gefahren des Unternehmens. Passenderweise, auch wenn es in der rechtswissenschaftlichen Literatur nur selten so gemacht wird, beginnen die Autoren die Auflistung der Gefahren mit den Reputationsschäden für das Unternehmen. Das Tax-Compliance-Management-System, was die beiden Autoren empfehlen und ausführlich beschreiben, folgt dem Praxishinweis des Instituts der Wirtschaftsprüfer für Tax-Compliance-Management-Systeme. Dieser wiederum baut auf dem IDW PS 980 auf. Dem Leser werden für jedes einzelne Element des Managementsystems hilfreiche und praxistaugliche Empfehlungen zur Einrichtung gegeben. Es schließen sich Ausführungen zu der Prüfung eines Tax-Compliance-Management-Systems an. Etwas ungewöhnlich ist an dieser Stelle des Buches ein Perspektivwechsel: Die Ausführungen werden aus Sicht des beratenden beziehungsweise prüfenden Berufsstandes gemacht.

Im steuerstrafrechtlichen Teil wird zunächst auf die Zurechnung des Handelns des Unternehmens zu bestimmten natürlichen Personen Bezug genommen. Dies ist im deutschen Recht notwendig, da es (noch) kein Unternehmensstrafrecht gibt. § 14 StGB ist hier die einschlägige Norm, bei der es um die Vertreterhaftung geht. § 9 OwiG ist analog für das Recht der Ordnungswidrigkeiten anwendbar. Im Anschluss werden die einzelnen Tatbestände des Steuerstrafrechts vorgestellt, nicht überraschend liegt ein Schwerpunkt auf dem Kapitel zum Steuerstrafrecht. Ausführlich wird diskutiert, wann der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt ist. Dies erfordert Vorsatz. Ist ein Tax-Compliance-Management-System im Unternehmen implementiert, vielleicht sogar testiert, kann man meinen, dass das Unternehmen alles tut, seine steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Zu Recht verweisen Müller und Fischer hier aber darauf, dass notwendige Voraussetzung für diese Entlastung ist, dass Tax Compliance mit Ernsthaftigkeit betrieben wird. Hier wird auch angeführt, dass es herrschende Meinung ist, dass Vorsatz dann nicht gegeben ist, wenn der Steuerpflichtige sich über die steuerlichen Regeln im Irrtum befindet. Umstritten – so die Autoren – ist aber, ob Vorsatz gegeben ist, wenn sich der Steuerpflichtige lediglich über die Interpretation von steuerlichen Regeln irrt. Im Folgenden gehen die Autoren auf einzelne Tatbestände ein, die entweder aufgrund ihrer Aktualität oder aufgrund ihrer praktischen Bedeutung für alle Unternehmen, unabhängig von Branche und Größe, Relevanz entfalten: Rechnungsstellung, Umsatzsteuerbetrug bei Kettengeschäften, Scheingeschäfte und Steuerumgehung, verdeckte Einnahmen und Gewinnausschüttungen und internationale Verrechnungspreise. Hier erhalten Unternehmensverantwortliche viele wertvolle Hinweise, wie man sein Steuerwesen gestalten sollte, um unliebsame Überraschungen in Form von Non-Compliance zu vermeiden.

Im fünften Abschnitt werden ausführlich die Rechtsfolgen diskutiert, die durch steuerliche Non-Compliance entstehen. Neben Geldbuße, Steuerschätzung etc. erfährt der Leser hier auch etwas über Durchsuchungen und Beschlagnahme. Sehr klar sind die Ausführungen zu der Haftung und der Zurechnung eines steuerlichen Verschuldens an Personen (Organmitglieder).

Im sechsten Abschnitt wird dann die Selbstanzeige als ein mögliches Verhalten bei Non-Compliance erläutert. Ganz wichtig wird auf eine Besonderheit bei Unternehmen hingewiesen: Das Unternehmen muss seiner Berichtigungspflicht in Bezug auf abgegebene Steuererklärungen nachkommen. Die strafrechtlich involvierten Personen müssen eine separate Erklärung gegenüber dem Finanzamt abgeben. Um wirksam in den Genuss der Strafbefreiung zu kommen, müssen beide Erklärungen zeitgleich eingehen. Ansonsten wäre für den später Erklärenden bereits die Tat durch die Behörde entdeckt worden, was ein Hinderungsgrund für die Strafbefreiung wäre.

Insgesamt ist das ausführliche Buch ein Kompendium, was für Unternehmer und mit Steuern im Unternehmen betrauten Mitarbeitern ein wertvoller Begleiter sein kann.

Prof. Dr. Stefan Behringer, NORDAKADEMIE, Hochschule der Wirtschaft, Elmshorn und Hamburg

Quelle: ZRFC Risk, Fraud & Compliance Heft 2/2019

Programmbereich: Management und Wirtschaft