VerfGH Berlin: Wahlen von 2021 müssen vollständig wiederholt werden
Organisationsfehler
- Nicht genügend Wahllokale: Nach den realitätsfremden Prognosen der Landeswahlleitung zur Dauer der Wahlhandlung von rund drei Minuten je Wahlberechtigtem konnten pro Wahllokal nur 472 Personen in Präsenz wählen. Tatsächlich wahlberechtigt waren am Wahltag in jedem Wahllokal aber im Durchschnitt 1.085 Personen. Rein rechnerisch hätten somit damit günstigstenfalls rund 40 Prozent der Wahlberechtigten eine wirklichkeitsnahe Chance gehabt, zu wählen. Bei realistischeren Prognosen zur Dauer der Wahlhandlung von etwa fünf Minuten hätten wohl nur noch 26 Prozent der Wahlberechtigten erfolgreich zur Urne gehen können. Angesichts dessen war am Wahltag eine ordnungsgemäße Wahl nicht mehr gewährleistet, so das Gericht hierzu.
- Vertauschte Stimmzettel: Schon im Vorfeld der Wahl wurde bekannt, dass im Zuge des Druckprozesses Stimmzettel vertauscht wurden. Dennoch hatten nicht alle Bezirke die Stimmzettel überprüft. Damit wurden in mindestens fünf von zwölf Bezirken Stimmzettel für einen anderen Wahlkreiskreis ausgegeben. Hierdurch wurden auf falschen Stimmzetteln abgegebene Stimmen ungültig und faktisch damit Wähler von der Wahl ausgeschlossen.
- Nicht genügend Stimmzettel: Darüber hinaus hatten einige Bezirkswahlämter den Wahlvorständen nicht vorher alle benötigten Stimmzettel ausgehändigt. Die Folge: Die betroffenen Wahllokale waren unterversorgt. Auch bei den Nachbelieferungen kam es zu erheblichen Verzögerungen. Dies führte zu zwischenzeitlichen Schließungungen einiger Wahllokale, und zwar zum Teil ohne Hinweise, wann mit einer erneuten Öffnung zu rechnen wäre. Andere Wahlkreise gaben Kopien von Stimmzetteln aus, mit der Folge, dass diese ungültig waren, weil sie die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllen. Auch konnten die betroffenen Bezirkswahlämter keine Angaben zur Zahl der Kopien machen.
Grundsätze der Freiheit, der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl verletzt
Nach Ansicht des Gerichts steht deshalb fest, dass tausende Wahlberechtigte am Wahltag in Berlin ihre Stimme entweder gar nicht, nicht wirksam, nur unter unzumutbaren Bedingungen oder nicht unbeeinflusst abgeben konnten. Demzufolge sind die in der Berliner Verfassung verankerten Grundsätze der Freiheit, der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl verletzt.
29.09.2022 | |
Berliner Wahlen vom September 2021: VerfGH erwägt Wahlwiederholung | |
Wie die Pressestelle des Verfassungsgerichtshofs (VerfGH) Berlin mitteilt, hat das Gericht am 28.09.2022 öffentlich über Teile der Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVVen) vom 26.09.2021 verhandelt. Am 16.11.2022 will der VerfGH hierüber eine Entscheidung verkünden. mehr … |
Mandatsrelevanz
- 5456 nicht ausgegebene Stimmzettel,
- 4002 Falsche Stimmzettel,
- und mehrere tausend kopierte Stimmzettel.
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Keine punktuelle Wahlwiederholung
Zudem würde eine nur teilweise wiederholte Wahl zu einer unangemessen großen Gestaltungsmacht einer Minderheit der Wahlberechtigten führen, denn diese könnten ihre Wahlentscheidung an den politischen Ereignissen seit der ursprünglichen Wahl neu ausrichten.
Koppelungsgebot führt auch zur Ungültigkeit der Wahlen zu den BVVen
Wie die obersten Verfassungshüter des Landes Berlin hervorheben, basiert ihre Entscheidung auf der Durchsicht von 2.256 Protokollen aus sämtlichen Berliner Wahllokalen, den Daten, die die Landeswahlleitung zur Verfügung gestellt hatte und einer Sichtung von etwa hundert Schriftsätzen der insgesamt über 3.000 Verfahrensbeteiligten.
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