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VG Gießen: Die lange Teilnahme eines Polizeianwärters an rechtem Gruppenchat ohne Distanzierung schadet dem Ansehen der Polizei (Foto: HaseHoch2 / stock.adobe.com)
Verstoß gegen beamtenrechtliche Treuepflicht

VG Gießen weist Klage eines Polizeianwärters auf Übernahme in den Polizeidienst nach Teilnahme an rechter WhatsApp-Gruppe ab

ESV-Redaktion Recht
26.08.2021
Das Land Hessen hatte einen Polizeianwärter, der aktives Mitglied in einer rechts-orientierten WhatsApp-Chat-Gruppe war, nicht zum Beamten auf Probe ernannt. Nach einer Klage des Anwärters hat nun das VG Gießen den Ablehnungsbescheid des Landes bestätigt.
In dem Streitfall absolvierte der Kläger vom 01.09.2016 bis zum 05.07.2019 eine Ausbildung zum Polizeikommissar an der Hessischen Polizeiakademie mit dem Status als Beamter auf Widerruf. Seine Ernennung zum Beamten auf Probe lehnte das Land Hessen mit Bescheid vom 23.10.2019 ab. Das Land hatte erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers.
 
Der Kläger hatte an einer Chat-Gruppe von Polizeianwärtern teilgenommen, in der unter anderem Bilder und Dateien mit rassistischem und menschenverachtendem Inhalt versendet wurden. Hierüber berichtete auch die Presse. Darüber hinaus versendete der Kläger am 19.04.2017 außerhalb seiner Dienstzeit ohne Kommentierung ein Foto mit dem Schriftzug der Waffenfirma Heckler & Koch in die Chat-Gruppe. Darauf ist auch das Gesicht eines Mannes mit einem langen Bart und dunklerer Haut zu sehen. Auf diese Person ist eine Waffe mit Zielfernrohr gerichtet. Dazu findet sich der Text: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“.
 

Land Hessen: Berufung des Klägers in Beamtenverhältnis würde zu Ansehensverlust der hessischen Polizei führen

Das beklagte Land Hessen sah in dem Bild rassistische und menschenverachtende Motive. Die weiteren Gründe, die zum Ablehnungsbescheid vom 23.10.2017 führten:
 
  • Zusammenspiel von Logo, Abbildung und Redewendung menschenverachtend: Die Person, auf die die Waffe gerichtet ist, ist aufgrund ihres Erscheinungsbildes offensichtlich ein Moslem. Zudem erweckt das Zusammenspiel des Logos eines Waffenherstellers, der Perspektive der Zielvorrichtung und der obigen Redewendung den Eindruck, das Töten von Menschen islamischen Glaubens wäre legitim.
  • Verbeamtung des Klägers führt zu Ansehensverlust der Polizei: Eine Berufung des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe würde deshalb zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Polizei in Hessen führen. Darüber hinaus kann dies dem Eindruck Vorschub leisten, dass die hessische Landespolizei in ihren Reihen eine fremdenfeindliche und menschenverachtende Gesinnung duldet.
  • Schwerwiegender Verstoß gegen beamtenrechtliche Treuepflicht: Ebenso wenig, so das Land Hessen weiter, sind Dateien nicht nur geschmacklose Witze. Vielmehr liegt dem Land zufolge ein schwerwiegender Verstoß gegen die beamtenrechtliche Treuepflicht vor. Ein Polizeibeamter darf im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine Beamtenschaft – die dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtet ist – nicht den Anschein erwecken, dass er sich mit fremdenfeindlichen Gedankengut identifiziert oder sympathisiert. Dies gilt auch für sein außerdienstliches Verhalten.
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Kläger: Vorgehen der Polizeiakademie pauschal und oberflächlich

Der Kläger hingegen sieht sich als „Bauernopfer“, das der Akademie die Möglichkeit bietet, sich als Dienstherr aus der Kritik zu nehmen. Er sah auch keine rassistische oder fremdenfeindliche Aussage in der betreffenden Datei. Die weiteren Positionen des Klägers:
 
  • Bilddatei als Kritik? Mit der Bilddatei wollte er lediglich den Einsatz von Waffen gegen Menschen in der Dritten Welt und den darin liegenden Zynismus thematisieren. Ebenso wollte er seine Kritik gegen die nach seiner Vorstellung bestehenden „kriminellen Machenschaften des Waffenherstellers und dessen Geschäfte mit südamerikanischen Diktaturen“ zum Ausdruck bringen. 
  • Einsatz des Klägers für Hilfsbedürftige? Zudem habe sich der Kläger schon aufgrund seiner Erziehung stets für hilfsbedürftige Menschen einsetzen wollen. Dies war ihm zu folge auch ein Grund für seine Berufswahl zum Polizisten. Darüber hinaus, so der Kläger weiter, empfinde er andere Länder, Gebräuche, Sitten und Religionen als sehr wertvoll. Daher reise er auch viel. Schon während seines Erststudiums habe er bei einer Stiftung gearbeitet, die talentierte Zugewanderte auf ihrem Bildungsweg unterstützt. Das Vorgehen der Polizeiakademie hält er daher für pauschal und oberflächlich.

VG Gießen: Zweifel des beklagten Landes an Eignung des Klägers zum Polizeidienst berechtigt

Die 5. Kammer des VG Gießen hat die Klage abgewiesen. Dabei folgte die Kammer der umfangreich begründeten Entscheidung des beklagten Landes Hessen und hatte an dem menschenverachtenden Charakter des Bildes keine Zweifel. Die weiteren wesentlichen Erwägungen der Kammer:
 
  • Unkommentierte Verbreitung des Bildes: Entscheidend war auch, dass der Kläger das Bild unkommentiert in die WhatsApp-Gruppe eingestellt hatte. Damit setze er berechtigte Zweifel daran, dass er die Gewähr für eine unvoreingenommene Aufgabenwahrnehmung bietet und seine polizeilichen Aufgaben ohne Ansehen der Person wahrnehmen kann.  
  • Lange Teilnahme an Gruppenchat ohne Distanzierung: Für dieses Ergebnis spricht dem VG Gießen zufolge auch die lange Teilnahme an dem Gruppenchat, die ohne ersichtliche Distanzierung blieb, obwohl der Chat auch noch andere rechtsgerichtete Inhalte beinhaltete. 
Quelle: PM des VG Gießen zum Urteil vom 04.08.2021 – 5 K 509/20.GI

Anmerkung der Redaktion (Ass. jur. Bernd Preiß) 
Die Wertungen des Gerichts und des Landes Hessen, nach denen die bildliche Botschaft des Klägers menschenverachtend und fremdenfeindlich sind, ist absolut nachvollziehbar. Allerdings sind die Grenzen zwischen dem Überschreiten der roten Linie und berechtigter Kritik oder einer noch erlaubten Satire mitunter schwierig zu ziehen. 

Wollte der Kläger sein Bild also wirklich als Kritik ansehen, hätte er dies eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Da der Chat auch noch andere rechtsgerichtete Inhalte beinhaltete, erscheint auch die Einlassung des Klägers, wonach er sich aufgrund seiner Erziehung stets für hilfsbedürftige Menschen einsetzen würde, kaum schlüssig. Eine etwaige Berufung des Klägers hätte daher wenig Aussicht auf Erfolg. 


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(ESV/bp)

Programmbereich: Öffentliches Dienstrecht