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Die Höhe der Aussetzungszinsen in einer Niedrigzinsphase beschäftigt die obersten Gerichte (Photo: MQ-Illustrations / Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs

Vorlage an BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Aussetzungszinsen

ESV-Redaktion Steuern
27.08.2024
Mit Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14 hat das BVerfG die Vollverzinsung mit 0,5 % pro Monat (§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) ab dem 01.01.2014 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt. Anders ist es immer noch bei Aussetzungszinsen und anderen Teilverzinsungstatbeständen. Dies könnte sich mit dem jüngsten Vorlagebeschluss an das BVerfG im Hinblick auf Aussetzungszinsen ändern.

Festsetzung von Aussetzungszinsen

Im Streitfall ging es um die Anfechtung eines Einkommensteuerbescheid aus dem Jahr 2012. Das Finanzamt setzte im Einspruchsverfahren dessen Vollziehung aus. Die Klage war in der Folge ohne Erfolg. Es wurden Aussetzungszinsen von 0,5 % für 78 Monate festgesetzt, u.a. für den Zeitraum von 01.01.2019 bis zum 15.04.2021. Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung.

Hintergrund

Einspruch und Klage haben im Steuerrecht anders als im allgemeinen Verwaltungsrecht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, d.h. festgesetzte Abgaben werden gleichwohl erhoben, der Steuerpflichtige muss die festgesetzte Steuer also zunächst zahlen. Die aufschiebende Wirkung von Einspruch und Klage kann aber in einem summarischen Verfahren auf Antrag bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids von Finanzamt oder Finanzgericht gesondert durch die Aussetzung der Vollziehung (AdV) angeordnet werden. Für den Steuerpflichtigen bedeutet das zwar, dass er die Steuer zunächst nicht zahlen muss. Aber ihm droht eine Belastung mit Zinsen, wenn sein Rechtsmittel, also Einspruch oder Klage, endgültig ohne Erfolg bleibt und er die Steuer dann, also „nachträglich“, zahlen muss. Für die Dauer der Aussetzung muss der Steuerpflichtige in diesem Fall Zinsen auf den sog. ausgesetzten Steuerbetrag in Höhe von 0,5 % pro Monat, also 6 % pro Jahr, entrichten (Aussetzungszinsen, § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO).

Rechtsprechung des BVerfG zu Vollverzinsung

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs hält den gesetzlichen Zinssatz von 6 % p.a. für sog. Aussetzungszinsen für verfassungswidrig und ruft daher mit dem vorliegenden Beschluss das Bundesverfassungsgericht an.
Mit Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14 hat das BVerfG die Vollverzinsung in gleicher Höhe (§ 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) ab dem 01.01.2014 für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz erklärt, dies aber nicht auf die Aussetzungszinsen und andere Teilverzinsungstatbestände erstreckt.
Nach Auffassung des BFH ist der Zinssatz für Aussetzungszinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat, also 6 % p.a. gemäß § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 15.04.2021 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Dies wird damit begründet, dass jedenfalls während einer anhaltenden strukturellen Niedrigzinsphase der gesetzliche Zinssatz der Höhe nach offensichtlich nicht (mehr) erforderlich ist, um den durch eine spätere Zahlung typischerweise erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen.
Zudem werden Steuerpflichtige, die Zinsen schulden, weil sie die Steuer nach AdV nicht bezahlt haben, und Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, weil ihre Steuerfestsetzung zu einem Unterschiedsbetrag (§ 233a Abs. 3 AO) geführt hat und sie die materiell-rechtlich von Anfang an geschuldete Steuer deshalb erst später zahlen müssen, ungleich behandelt. Denn Nachzahlungszinsen werden seit dem 01.01.2019 lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 % für jeden Monat, also 1,8 % p.a. berechnet. Auch diese Zinssatzspreizung ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.

Fundstelle: BFH, Vorlagebeschluss vom 8. Mai 2024, VIII R 9/23 – veröffentlicht am 22. August 2024


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(ESV/cmx)

Programmbereich: Steuerrecht