Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

RA Dr. Rainer Burbulla: Ungenaue Formulierungen und Bezeichnungen, wie etwa der Vertragsparteien oder des Mietgegenstandes können leicht zu Text- oder Schriftformfehlern führen (Foto: privat).
Nachgefragt bei Dr. Rainer Burbulla

„Wasserdichte“ Gewerberaummietverträge zeichnen sich vor allem durch Genauigkeit aus

ESV-Redaktion Recht
19.11.2025
Im Gewerberaummietrecht hat sich in den letzten Jahren einiges getan – auch durch Corona, denn die Pandemie hat zahlreiche neue Rechtsfragen aufgeworfen. Doch unabhängig davon gab es viele wichtige Gerichtsentscheidungen und auch neue Nutzungskonzepte. Hierüber hat die ESV-Redaktion mit RA Dr. Rainer Burbulla gesprochen. Er ist Mitgründer und Partner der Kanzlei Langguth & Burbulla in Düsseldorf.
Herr Dr. Burbulla, wenn Sie die Entwicklung der letzten Jahre in wenigen Worten beschreiben würden: Gibt es „Brennpunkte“, die Sie hervorheben würden?

Dr. Rainer Burbulla: Das Gewerberaummietrecht ist Wirtschaftsrecht pur, auch was die Brennpunkte anbelangt. Diese betrafen – gerade in Zeiten knapper Kassen – vor allem erneut die monetären Aspekte wie Instandhaltungs- und Instandsetzungs- sowie Wartungskosten, die Betriebs- und Nebenkosten und auch (zeitweise) Indexierungsmöglichkeiten. Insgesamt ist zu verzeichnen, dass die Parteien eines Gewerberaummietvertrages, insbesondere die Mieter verstärkt auf Kosteneinsparungen setzen.





Ein ganz wichtiges Thema war Corona,  verbunden mit der „Störung der Geschäftsgrundlage“. Dieses Geschehen hat vieles durcheinandergewirbelt. Wie hat sich das Verhältnis von Mieter und Vermieter durch die Pandemie rechtlich verschoben?

Im Hinblick auf die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) war seit dem Frühjahr 2020 die Frage, welche Auswirkungen die mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden (Nutzungs-)Beschränkungen auf die Mietzahlungspflicht des Mieters haben, eines der zentralen Themen der Gewerberaummiete. Während zunächst eine Tendenz in der Rechtsprechung zugunsten der Vermieter festzustellen war und Klagen der Mieter vollständig abgewiesen wurden, hat sich gegen Ende des Jahres 2020 und zu Anfang des Jahres 2021 der Trend zugunsten der Mieter verschoben.

Handlungsanleitungen hat die Entscheidungs-Trias des BGH (Urteile vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, vom 16.02.2022 – XII ZR 17/21 und vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21) gegeben.

Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchseinschränkung der Mietsache keine der beiden Mietvertragsparteien allein trifft, kommt keine Vertragsanpassung dahingehend in Betracht, dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum der Geschäftsschließung grundsätzlich um die Hälfte herabgesetzt wird. 

Welche Rolle spielt § 313 BGB heute noch?

Dr. Rainer Burbulla: Zwischenzeitlich sind „Corona-Mieten“ weitestgehend „vom Tisch“. In der Rechtsprechung gibt es nur noch vereinzelte Entscheidungen zur Covid-19-Pandemie. Beispielsweise hatte jüngst das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 31.07.2025 - 10 U 78/25 entschieden, dass ein gewerblicher Mieter, dessen Betrieb wegen hoheitlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beschränkt war, grundsätzlich nicht nach § 313 BGB verlangen kann, dass der mit einer festen Laufzeit abgeschlossene Mietvertrag dahingehend angepasst wird, dass die Laufzeit des Vertrages verlängert wird.
 
Zuletzt ging es in der Rechtsprechung um die Frage, ob die derzeitigen ungünstigen (Gesamt-) Umstände in der Immobilienwirtschaft (Nachwirkungen der Corona-Pandemie, fortdauernder Ukraine-Krieg, Zinserhöhungen, Baukostensteigerungen, Personalmangel etc.) eine Vertragsanpassung bzw. Vertragskündigung wegen Störung der Geschäftsgrundlage rechtfertigen. Dem ist die Rechtsprechung, etwa zuletzt das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 11.12.2024 -30 U 40/24 entgegengetreten.

Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla 
  • ist seit 20 Jahren im Gewerberaummietrecht tätig und publiziert als Fachbuchautor seit 2012
  • Er ist Referent in der ESV Akademie und doziert zum Gewerberaummietrecht auf Fachseminaren.
  • Er ist Partner der Partnergesellschaft mbB Langguth & Burbulla in Düsseldorf.

Welche Lehren würden Sie aus der Rechtsprechung ziehen, etwa aus der Entscheidung des BGH vom 12. Januar 2022 (XII ZR 8/21)?

Dr. Rainer Burbulla: Entscheidend ist jeweils die Frage, ob der jeweilige Mietvertrag eine abweichende Risikoverteilung enthält. Nach der Rechtsprechung trägt im gewerblichen Mietrecht grundsätzlich der Vermieter das Entgeltrisiko und der Mieter die Verwendungsgefahr. Der Vermieter hat deshalb beispielsweise das Risiko der Vermietbarkeit, der gewöhnlichen Geldentwertung und der rechtzeitigen Fertigstellung der Mietsache zu tragen. Demgegenüber treffen den Mieter das Gewinn-Ertrags-Risiko und das Risiko der Geldbeschaffung. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstands nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beschränkung des Gewerbebetriebs des Mieters kommt.
 
Ein Dauerbrenner ist und bleibt die Schriftform im Gewerbemietrecht. Wo gibt es gerade hier auch noch Risiken – was sind die häufigsten Fehler und wie lassen sich Risiken praktisch minimieren?

Dr. Rainer Burbulla: In der Tat ist bzw. war die Schriftform ein Dauerbrenner im Gewerberaummietrecht. Die häufigsten Fehler liegen bei der schriftlichen Abfassung der Mietvertragsurkunde, namentlich dann, wenn sich dort Ungenauigkeiten (vor allem in Bezug auf die wesentlichen Vertragsbedingungen wie Vertragsparteien, Mietgegenstand, Miete und sonstige finanziellen Belastungen etc.) einschleichen.

Seit dem 01.01.2025 gilt die gesetzliche Textform des §§ 578 Abs. 1 S. 2 BGB. Wie sehen Sie diese Gesetzesänderung?

Dr. Rainer Burbulla: Mit der Neuregelung zur Textform ist auf dem Feld wirtschaftlich außerordentlich wichtiger Verträge (Mietverträge) eine enorme Rechtsunsicherheit dadurch gezeigt worden, dass man ohne hinreichende Erläuterung oder gesetzliche Klarstellung die Textform zum neuen Formgebot für den Gewerberaummietvertrag gemacht hat. Das Problem des § 550 BGB, das darin bestand, dass Schriftformmängel dazu genutzt wurden, einen unliebsam gewordenen (Miet-)Vertrag zu kündigen, ist weder behoben noch gelindert worden. Es stellt sich in neuem Gewand und im Zweifel verstärkt neu. Die wesentlichen Problemfelder um die Textform lassen sich wie folgt umschreiben:

  • Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit die Textform bei Vertragsschluss gewahrt wird?
  • Reicht es aus, dass der Vermieter dem Mietinteressenten eine E-Mail zusendet, in deren Anhang sich der Vertragstext befindet und der Mieter alsdann zustimmend unter Bezugnahme auf das Angebot antwortet? Oder muss der Mieter den Vertragstext noch einmal anhängen und zurücksenden?
  • Bedarf es der Unterzeichnung des elektronischen Vertrages oder jedenfalls eines Namensvermerks auf dem Dokument der pdf-Datei?
  • Ist es erforderlich, dass die Vertragserklärung jeweils auf einem Schriftstück oder Datenträger abgegeben werden oder müssen sie sich auf demselben Dokument befinden?


Auch als Audio abrufbar




Bei der Frage des Mietmangels hat sich auch viel getan. Wo ziehen die Gerichte heute die Grenze zwischen dem echten Mietmangel und dem unternehmerischen Risiko des Mieters?


Dr. Rainer Burbulla:
Wenn Sie die Frage so stellen, fällt mir wiederum die „Corona-Rechtsprechung“ ein. Hier wurde die Frage diskutiert, ob die behördlichen Beschränkungen als öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen einen Mangel (§ 536 Abs. 1 BGB) darstellen.

Diese Frage hat der BGH verneint. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Mietobjekts entgegenstehen, begründen nur dann einen Sachmangel i.S.d. §§ 536 ff. BGB, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben.

Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen in den Risikobereich des Mieters. Wie erwähnt, trägt der Mieter vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht.

Und was zeichnet „wasserdichte Gewerberaummietverträge“  heute aus?

„Wasserdichte Gewerberaummietverträge“ sind durch Genauigkeit ausgezeichnet. Ungenaue Formulierungen, ungenaue Bezeichnungen, wie etwa der Vertragsparteien oder des Mietgegenstandes, können zu Text- oder Schriftformfehlern führen, zu Verstößen gegen das Bestimmtheits- oder Transparenzgebot. Zudem dürfen sie nicht eine Vertragspartei unangemessen benachteiligen.

Welche Trends sehen Sie bei der Vertragsgestaltung – etwa bei Nebenkosten oder flexiblen Nutzungskonzepten wie Co-Working oder Pop-up-Modellen?

Dr. Rainer Burbulla: Gerade im Bereich der Betriebs- und Nebenkosten haben sich in jüngerer Vergangenheit einige Vertragsänderungen ergeben. So sind teilweise Vermieter dazu übergegangen, eine (Teil-)Inklusivmiete bzw. Betriebskostenpauschalen zu vereinbaren, um Zeit- und arbeitsaufwändige Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen zu vermeiden. Co-Working-Modelle spielen vor allem eine Rolle bei der Bürovermietung. Auch Pop-up-Modelle haben eine neue Dimension erhalten. Insoweit sind viele (Center-)Vermieter dazu übergegangen, ihre herkömmlichen – sehr umfangreichen – Mustermietverträge „einzudampfen“. Sie verwenden in diesem Bereich nunmehr – wesentlich – kürzere Kurzzeit-Mietverträge.

Ein Wort zur Neuauflage Ihres Werkes. An wen richtet es sich und was zeichnet es aus?

Dr. Rainer Burbulla: Zielgruppe des Handbuchs sind Rechtsanwälte, Fachanwälte für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Unternehmensjuristen, Fach- und Führungskräfte bei Immobiliengesellschaften, Verwalter von gewerblichen Objekten. Das Buch besticht durch die Umsetzung der ausführlich zitierten Rechtsprechung in beachtenswerte Anmerkungen und relevante, griffige Praxishinweise, wie es einmal Rechtsanwalt Joachim Schmidt in der NZM 9/2016 so schön geschrieben hat. Das Handbuch will anhand von Praxistipps und Formulierungshilfen dem Praktiker eine gute Orientierung für eigene, individuelle Vertragsgestaltungen an die Hand geben.

Und zum Schluss: Wenn Sie Vermieter oder Mieter beraten: Was sind Ihre drei wichtigsten Praxistipps zur Risikominimierung bei Gewerbemietverträgen?
 
Dr. Rainer Burbulla: Genauigkeit, Genauigkeit und Genauigkeit.

Wir sehen, das Gewerberaummietrecht ist kein statisches Feld – wer hier Verträge schließt, sollte die Entwicklungen genau im Blick behalten. Vielen Dank, Herr Dr. Burbulla, für diese kompakten und klaren Einblicke. 


Klarheit, Praxisnähe und Orientierung

Aktuelles Gewerberaummietrecht

Herausgegeben von: Dr. Rainer Burbulla

Die 4. Auflage des Standardwerks von Mietrechtsexperte Dr. Rainer Burbulla offeriert einen praxisnahen Überblick über zentrale Neuerungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung seit 2017.

Sie erleichtert den Einstieg ins Gewerberaummietrecht und unterstützt erfahrene Praktiker mit einer systematischen Darstellung relevanter Problemfelder – gewichtet nach praktischer Bedeutung. Konkrete Praxishinweise und Formulierungsvorschläge für die Vertragsgestaltung runden das Werk ab und sorgen für eine verständliche und anwendungsorientierte Aufbereitung zentraler Themen.

Tüpfelchen auf dem „i“: Die fundierte Auswertung aktueller Rechtsprechung sowie die Darstellung divergierender Meinungen in Rechtsprechung und Literatur schaffen eine belastbare Grundlage für die vertiefte und differenzierte juristische Auseinandersetzung mit dem Gewerberaummietrecht.

Neueste Rechtsprechung

  • Pflicht zur Deckelung der Wartungskosten für gemeinschaftlich genutzte Anlagen und Einrichtungen
  • Zustandekommen eines Mietvertrages
  • Gewerbliche Weitervermietung ((§ 565 BGB)
  • Schriftformerfordernisse (§ 550 BGB)
  • „Corona-Mieten“
  • Betriebspflichtregelungen, Mängelrechte + Schönheitsreparaturen


Gesetzliche Änderungen im Fokus

  • IV. Bürokratieentlastungsgesetz – Herabstufung des Schriftformerfordernisses auf Textform mit weitreichenden Folgen für Vertragsabschlüsse
  • Green-Lease-Klauseln – Zur Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit nachhaltiger Vertragsinhalte in Gewerberaummietverträgen
Verlagsprogramm Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht


Der kostenlose Newsletter Recht – Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


(ESV / Bernd Preiß)


Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht