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Mehr ist nicht immer mehr (Foto: 51581/Pixabay)
Busywork

Wenn unsinnige Aufgaben Beschäftigte zermürben

ESV-Redaktion Arbeitsschutz
22.11.2023
Sollte Ihnen Ihre Führungskraft permanent Aufgaben geben, sobald Sie mit einer Arbeit fertig sind, dann kann es sich um Busywork handeln – und die kann sogar kontraproduktiv sein.
Was ist Busywork?

Das englische Wort „Busywork“ beschreibt eine Tätigkeit, die wir ausüben, um beschäftigt zu bleiben. Nach der Definition des Cambridge Dictionary handelt es sich um eine Arbeit, die eigentlich gar nicht notwendig ist. Sie hilft aber dabei, ständig „busy“ zu sein. Sie verhindert Leerlauf, Langeweile und Stillstand.

Beispiele für Busywork:
  • bereits erstellte Berichte redigieren
  • Teilnahme an Sitzungen, die nicht den eigenen Aufgabenbereich betreffen
  • eine längst fertiggestellte Präsentation korrigieren
  • Erstellen von Protokollen oder Tabellen, die dann im digitalen Papierkorb landen
  • erneutes Sortieren von (bereits sortierten) Akten
Warum neigen Führungskräfte dazu, Busywork zu verteilen?

Mehr ist mehr – so lässt sich zumindest die Ausführung von Busywork erklären. Es fällt auf, dass dieses Phänomen in vielen Unternehmen auftritt. Mehr als 40 Prozent der Befragten sollen laut einer Conversica-Umfrage aus dem Jahr 2018 Busywork betreiben – und zwar rund 50 Prozent ihrer Zeit.

Im Arbeitsalltag neigen vor allem Führungskräfte dazu, ihren Beschäftigten neue Aufgaben zuzuweisen – entweder präventiv zur Vermeidung von Leerlauf oder nach getaner Arbeit. Warum ist das so? Aus der Sicht der Führungskräfte ist es besonders beruhigend, wenn sie wissen, dass ihre Mitarbeitenden beschäftigt sind, denn Beschäftigung steht bekanntlich im Zusammenhang mit Produktivität. Das Paradoxe dabei ist: Haben beispielsweise Büroangestellte ihre Arbeit schon lange erledigt, wirken sie weniger produktiv, wenn sie sich danach mit ihrem Smartphone beschäftigen, die Füße hochlegen und eine kurze Pause machen oder Snacks knabbern. Wie gründlich und vorbildlich sie zuvor ihre Aufgaben erledigt haben, spielt dabei in der äußeren Wahrnehmung nur eine untergeordnete Rolle.

Für Führungskräfte geht es außerdem darum, die Kontrolle zu behalten, aus Angst, ihre Angestellten könnten sich mit anderen Dingen als ihrer Arbeit beschäftigen. Kontrolle ist ein zentrales menschliches Bedürfnis, das im Management aufgrund der hohen Verantwortung besonders ausgeprägt ist.

Häufige Gefahren dabei:
  • Die Beschäftigten fühlen sich überlastet und ausgelaugt.
  • Die Gefahr von Burnout steigt.
  • Obwohl notwendig, sind Pausen und Leerlauf negativ konnotiert; Durchatmen und Innehalten gelten als „moralisch fragwürdig“.
  • Wenn zusätzliche Aufgaben nicht rechtzeitig erledigt werden, entstehen Schuldgefühle.
  • Es gibt weder Raum noch Zeit für Reflexion.
Doch nicht nur Vorgesetzte verteilen Aufgaben, um Stillstand zu vermeiden. Manchmal beschäftigen wir uns auch selbst mit Tätigkeiten, die nur als Lückenfüller dienen, beispielsweise um uns von negativen Gedanken abzulenken.

Homeoffice führt zu noch mehr Busywork

In den vergangenen Jahren hat sich die Situation verschärft. In Zeiten von Homeoffice und Telearbeit sind die Beschäftigten flexibler als früher. Sie sind weniger der Kontrolle ihrer Vorgesetzten unterworfen – zumindest was die Sichtbarkeit im Büro betrifft. Es verwundert daher nicht, dass Busywork jetzt häufiger vorkommt. Vorgesetzte haben das Gefühl, dass sie die für sie so wichtige Kontrolle verlieren. Das bestätigt zumindest die Robert-Half-Arbeitsmarktstudie aus dem Jahr 2020 mit insgesamt 300 Befragten. Die Auswertung der Daten zeigt, dass Führungskräfte davon ausgehen, dass sich ihre Beschäftigten in Zeiten von Homeoffice tendenziell weniger um ihre eigentlichen Aufgaben kümmern:
  • Rund 31 Prozent glauben, dass Beschäftigte im Homeoffice während der Arbeitszeit private Telefonate führen.
  • Rund 28 Prozent glauben, dass nebenbei der Fernseher läuft.
  • Ebenso viele vermuten, dass ihre Mitarbeitenden während der Arbeitszeit Lebensmittel einkaufen.
  • 30 Prozent der Befragten nehmen an, dass im Homeoffice online eingekauft wird, statt zu arbeiten.
  • Und rund 23 Prozent vermuten, dass ihre Angestellten während der Arbeitszeit mit dem Hund spazieren gehen.
Welche Folgen hat Busywork?

Die Auswertungen einer Metastudie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bestätigen, dass Busywork nicht zu mehr Produktivität führt, sondern diese sogar beeinträchtigen kann. Die Ergebnisse zeigen, dass Pausen wichtiger sind als Dauerarbeit. Während einer Pause haben Körper und Geist die Möglichkeit, Erschöpfung und Müdigkeit zu reduzieren. Das psychische Wohlbefinden steige nachhaltig. Dafür genügten bereits fünf Minuten Pause. Ausgehend von dieser Erkenntnis ist Busywork also lediglich eine „Täuschung“ – ungeachtet dessen, ob sie von uns selbst oder von unseren Vorgesetzten ausgeht. Busywork beruhigt uns bzw. unsere Vorgesetzten zwar, aber produktiv auszusehen heißt nicht, produktiv zu sein.

Im Grunde geht es bei Busywork darum, das Gefühl der Sinnlosigkeit zu vermeiden. Allerdings besteht das Problem darin, dass dieses negative Gefühl einfach durch eine andere „sinnlose“ Tätigkeit ersetzt wird. Eine echte Lösung sieht anders aus.

Welche Maßnahmen sind stattdessen sinnvoll?

Entwicklung einer gesunden Pausenkultur: Pausen und Erholungsphasen sollten nicht nur regelmäßig stattfinden, sondern gefördert werden. Sie zählen zu den zentralen Elementen einer modernen Arbeitskultur. Sie ermöglichen es, Kraft zu tanken und sich seelisch auszubalancieren, um produktiver arbeiten zu können.

Zeit für Weiterbildung und Projekte: Wenn Zeit für Busywork zur Verfügung steht, dann kann auch Zeit für Weiterbildung, Schulungen und Projekte eingeräumt werden.

Gewährung von früheren Feierabenden: Wenn sich Beschäftigte und Führungskräfte einig sind, ist gegen einen früheren Feierabend nach getaner Arbeit nichts einzuwenden. Selbst wenn es Führungskräften nicht leichtfällt, ein Stück Kontrolle abzugeben – es kann sich lohnen.

Selbstreflexion nicht scheuen: Leerlaufzeiten sind eine ausgezeichnete Gelegenheit, um sich mit dem eigentlichen Problem zu beschäftigen, das hinter Busywork steckt: negative Emotionen zu kompensieren, Probleme zu verdrängen, das Gefühl zu haben, nur beschäftigt etwas wert zu sein. Sich die Zeit zur Selbstreflexion zu nehmen, bedeutet, auf dem richtigen Weg zu sein. Das gilt für Führungskräfte ebenso wie für Mitarbeitende, die auffallend häufig zu einem „Beschäftigungsdrang“ neigen.

Fazit

In vielen Unternehmen hat sich Busywork längst etabliert. Was zunächst nach sinnvoller und produktiver Arbeit aussieht, erweist sich bei näherer Betrachtung jedoch als Trugschluss. Busywork ist nämlich lediglich das Phänomen, einer (sinnlosen) Tätigkeit nachzukommen, um beschäftigt zu bleiben. Aktuelle Studien zeigen, dass ständiges Beschäftigtsein sogar kontraproduktiv sein kann: Burnout, schlechtes Gewissen und eine ablehnende Haltung gegenüber normalen Pausen, die wir alle brauchen, sind die Folge. Vielmehr gilt es, sich mehr Pausen zu gönnen und echte, sinnvolle Projekte zu übernehmen.

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(ESV/FG)

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