Dieses Symbolbild zeigt einen Frontend Javacode für eine Webseite. In diesen Code greift das Plug-in der Beklagten unstreitig nicht ein (Foto: yurich84 / stock.adobe.com)
Urheberrecht
Werbeblocker als Verletzung des Urheberrechts? BGH wartet auf den EuGH
ESV-Redaktion Recht
26.07.2024
Der Axel-Springer-Verlag und Eyeo, Hersteller von Adblock-Plus, streiten sich seit Jahren um die Zulässigkeit des Vertriebs von Werbeblockern. Lag der Schwerpunkt des anwendbaren Rechts bisher auf dem Wettbewerbsrecht, verlagert Springer nun den Blick – bisher erfolglos – auf das Urheberrecht. Springer sieht in den Blockern einen Eingriff in den Quellcode seiner Webseiten. Der BGH, der hierüber entscheiden muss, bringt nun aber den EuGH ins Spiel.
In dem Streitfall hatte Springer, der mehrerer Online-Portale gepachtet hatte, unter anderem gegen Eyeo geklagt. Die Beklagte zu 1) vertreibt ein Plug-in für Webbrowser, mit dem Werbeanzeigen auch auf den Springer-Webseiten geblockt werden können.
Klägerin: Werbeblocker sind unberechtigte Umarbeitung im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG
Nach Auffassung der Klägerin sind ihre Webseiten Computerprogramme im Sinne von § 69a Absatz 1 UrhG, an denen sie die ausschließlichen Nutzungsrechte besitzt. Beim Anwählen ihrer Webseiten lädt sich über den Browser die betreffende HTML-Datei in den Arbeitsspeicher des Endgeräts des Nutzers. Um die HTML-Datei anzuzeigen, interpretiert der Browser ihren Inhalt und legt hierfür zusätzliche Datenstrukturen an. In der Beeinflussung dieser Datenstrukturen durch den Werbeblocker sieht die Klägerin eine unberechtigte Umarbeitung ihres Computerprogramms nach § 69c Nr. 2 UrhG und verlangt von der Beklagten Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz.
Kein Erfolg in den Vorinstanzen
Die Ausgangsinstanz – das LG Hamburg – hat die Klage von Springer mit Urteil vom 14.01.2022 (308 O 130/19) abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG Hamburg ohne Erfolg (Urteil vom 24.08.2023 – 5 U 20/22). Das OLG ließ aber offen, ob die Webseiten der Kläger als Computerprogramm überhaupt schutzfähig sind und sah in den Werbeblockern auch keine Vervielfältigung des Quellcodes der Seiten von Springer.
Ebenso wenig liegt nach Auffassung des OLG eine Umarbeitung im Sinne von § 69c Nr. 2 UrhG vor. Die Begründung:
-
Der Werbeblocker wirkt lediglich auf die vom Browser erstellten Datenstrukturen ein, die bei der Darstellung des HTML-Dokuments als temporäres Zwischenergebnis erzeugt werden. Damit betrifft der Eingriff nach OLG-Auffassung nicht die Programmsubstanz als solche, sondern lediglich den Programmablauf.
- Auch die Frage, ob der Gesamteindruck der Website – als Oberflächengestaltung eines Multimediawerk – urheberrechtlich schutzfähig ist, verneint das OLG, das die Revision gegen sein Urteil allerdings zugelassen hatte, im Ergebnis.
Anschließend zog die Klägerin gegen die Entscheidungen der Vorinstanzen mit einer Revision vor den BGH.
Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! |
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.
|
BGH wartet vergleichbare EuGH-Entscheidung ab
Der I. Zivilsenat des BGH möchte jedoch abwarten, wie der EuGH in einer vergleichbaren Sache entscheidet, die dort anhängig ist. Namentlich geht es um die Rechtssache „Action Replay“ die der Senat mit Beschluss vom 23.02.2023 dem Gericht in Luxemburg – unter I ZR 157/21 – vorgelegt hat. Gegenstand dieses Verfahrens ist die urheberrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs einer sogenannten „Cheat-Software“. Mit dieser können Nutzer den Ablauf eines Spielkonsolen-Programms beeinflussen.
Auch dort ist Verfahrensgegenstand nicht die Veränderung des Quellcodes, sondern lediglich die Veränderung von Variablen im RAM-Speicher des Spielers. Erwartet wird die EuGH-Entscheidung am 17.10.2024.
Quelle: Zahlreiche Medienberichte unter Berugung auf dpa
 |
Das Buch zum Werk
Herausgegeben von: Prof. Dr. Dr. Dr. Marcel Bisges
Völlig neue Verwertungsmöglichkeiten und Nutzungsgewohnheiten haben das Urheberrecht im digitalen Zeitalter zuletzt vielseitig in Bewegung gehalten – ob mit Neuregelungen insbesomdere zum Urhebervertragsrecht, zu Vergütungsansprüchen und Verlegerbeteiligungen oder auch geänderten Verantwortlichkeiten etwa von Upload-Plattformen. Einen praxisnahen Wegweiser durch das nationale und europäische Urheberrecht unter Berücksichtigung neuester EuGH-/BGH-Entscheidungen bietet Ihnen dieses Berliner Handbuch. Ein hochkarätiges Expertenteam aus Forschung, (fach-)anwaltlicher und notarieller Praxis bündelt die wichtigsten Kompetenzen und Perspektiven. +++ Typische Anwendungs- und Beurteilungsfragen
- Rechtliche und ökonomische Bewertung der Schöpfungs-, Gestaltungs- oder Werkhöhe (Stichwort „Kleine Münze“)
- Beweis der Urheberschaft, auch bei Miturheberschaft im Team
- Bestimmbarkeit zu übertragender Rechte, Verteilungsgerechtigkeit, Rolle der Verwertungsgesellschaften u.v.m.
- Vererbung des Urheberrechts oder auch zwangsweise Verwertung / Umgang mit Insolvenzen
- Urheberrechtsverletzungen und -straftaten
+++ Neue Herausforderungen digitaler Medien
- Leistungsschutzrechte und Auswirkungen der Digitalisierung
- Erschöpfung bei der elektronischen Verwertung
- Anwendung der Schrankenreglungen bei der Berichterstattung in digitalen Medien
- Kopierfreiheiten und deren Unzulänglichkeiten
- Grenzen der zustimmungspflichtigen Nutzung bei Software u.v.m.
+++ EU-Harmonisierung und internationales Urheberrecht
- Europäische Rechtsentwicklung, Rechtsprechung des EuGH und Richtlinien-Gesetzgebung
- Europäischer Werkbegriff und das Verständnis des Öffentlichkeitsbegriffs
- Urheberrecht in den USA in einem zusätzlichen Kapitel
Add-on mit Mustern und Materialien: Die Fülle nützlicher Text- und Vertragsmuster, Klauselbeispiele und Checklisten finden Sie zusätzlich in editierbarer Form online. Stimmen zur Vorauflage
„… eine gelungene Gesamtdarstellung des Urheberrechts in einem Praxishandbuch. (…) Möge es ein Standardwerk in der Reihe von Handbüchern werden.“ Prof. Dr. Artur-Axel Wandtke, Humboldt-Universität, Berlin, in: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), 12/2016 "… für den gestandenen Praktiker, aber auch für Jurastudenten, die den ersten Einstieg ins Urheberrecht suchen, exzellent. Insofern mein Glückwunsch an Bisges und seine Autoren." Prof. Dr. Thomas Hoeren, Universität Münster, in: MultiMedia und Recht (MMR), 1.9.2016.
|
|
Verlagsprogramm |
Nachrichten aus dem Bereich Recht |
|
Im Wortlaut: § 69a Absätze 1 und 2 UrhG |
(1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
(2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt. […] |
§ 69c Nr. 2 UrhG |
Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten: […]
2. die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse. Die Rechte derjenigen, die das Programm bearbeiten, bleien unberührt [...].
|
(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht