
Wie verhalte ich mich sicher in Gewaltsituationen?
Konflikte können mit verbalen Angriffen oder Beleidigungen enden. Meist stehen die angreifenden Personen unter Stress. Sie sehen keine Alternative mehr, um aus dem Konflikt ohne Gesichtsverlust wieder herauszukommen. Hier ist es wichtig, die Situation möglichst zu entschärfen. Der erste Schritt ist das Zuhören und Verstehen, um die Ursache für das aggressive Verhalten zu erkennen. Die Person sollte freundlich angesprochen und ihr ein Ausweg aus der Situation angeboten werden. Deeskalierendes Verhalten spielt vor allem in impulsiven verbalen Gewaltsituationen eine entscheidende Rolle. Es hat zum Ziel, die akute Gefahrenlage zu entschärfen und den Stress der Beteiligten zu senken.
In Situationen mit körperlicher oder extremer Gewalt helfen Versuche der verbalen Deeskalation hingegen kaum mehr. Im Vordergrund steht hier der Schutz der eigenen und anderer Personen. „Gefahrensituationen können in vielen Fällen frühzeitig erkannt werden“, sagt Betty Willingstorfer, Leiterin des Sachgebiets Psyche und Gesundheit in der Arbeitswelt der DGUV. „Wir alle haben innere ‚Antennen‘, die uns signalisieren, dass etwas nicht stimmt, zum Beispiel, wenn eine Person unruhig und getrieben wirkt. Dieses Gefühl ist ein wichtiger Indikator, um wachsam zu sein, Hilfe zu holen und sich selbst in Sicherheit zu bringen.“
Betriebe können die Gewaltpyramide auch für ihre Gefährdungsbeurteilung nutzen. Mithilfe der Stufenpyramide sollten technische und organisatorische Maßnahmen vor, während und nach einem möglichen Gewaltereignis festgelegt werden. Ziel ist die grundsätzliche Verhinderung von Gewalt und die Sicherung der Beschäftigten. Je nach Gewaltstufe sollten auch Verhaltensregeln mit den Beschäftigten besprochen und eingeübt werden. Auch Maßnahmen zur Unterstützung von Betroffenen nach einem Übergriff sollten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden.
Hier ein paar Tipps für sicheres Verhalten nach dem Stufenmodell zur Gewaltprävention:
Stufe 1: Kleine Streitigkeiten, kontroverse Gesprächssituationen
- Zuhören
- Verständnis zeigen
- Hintergründe erklären
- nach Lösungen suchen, Alternativen anbieten
- ruhig und freundlich im Gespräch bleiben
- aufrechte, offene Haltung annehmen
- ruhig und besonnen bleiben, Äußerungen nicht persönlich nehmen
- selbstsicher kommunizieren und Grenzen setzen
- Aggressor/Aggressorin nicht provozieren oder anfassen
- Blickkontakt herstellen, im Gespräch bleiben. Bei Bedarf dritte, neutrale Person zur Lösungsfindung hinzuziehen
- Eigensicherung beachten!
- sich bemerkbar machen, um Hilfe rufen
- andere Personen aus dem Umfeld um Unterstützung bitten
- der Person nicht den Rücken zukehren
- Fluchtwege ausfindig machen, ggf. fliehen, sich in Sicherheit bringen
- Polizei rufen
- ggf. Strafanzeige erstatten und Unfallanzeige stellen
- psychologische Erstbetreuung der Betroffenen sicherstellen
- Eigensicherung beachten!
- Ruhe bewahren und sachlich bleiben
- Täter/Täterin höflich behandeln und aufmerksam zuhören
- Abstand halten
- Anweisungen des Täters/der Täterin befolgen
- keinen Widerstand leisten, nicht widersprechen und provozieren
- keine Waffen oder Ähnliches (z. B. Pfefferspray) benutzen
- Hände gut sichtbar halten, um reflexartige Stresshandlungen des Täters/der Täterin zu verhindern
- eigene Handlungen und Aktivitäten mit Worten beschreiben
- Täter/Täterin immer einen Fluchtweg offenhalten
- wenn Möglichkeit einer sicheren Flucht besteht, sich in Sicherheit bringen
- Strafanzeige erstatten und Unfallanzeige stellen
- psychologische Erstbetreuung der Betroffenen sicherstellen
- Ersatzware anbieten, wenn kein Geld vorhanden ist
- Überfallmeldeknopf erst nach Verschwinden des Täters/der Täterin benutzen
- nach Ende der Tat Polizei rufen
Berufsgenossenschaften und Unfallkassen unterstützen Betriebe bei Deeskalationsmaßnahmen und bieten Informationsmaterialien:
- Kampagne #GewaltAngehen
- Prävention von und Umgang mit Übergriffen auf Einsatzkräfte der Rettungsdienste und der Feuerwehr
- Prävention von Gewalt und Aggression im Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege - eine Handlungshilfe für Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen
- Gegen Gewalt im Handel
- Überfällen vorbeugen - Überfälle unversehrt überstehen
- Notfallpsychologie - Unterstützung durch kollegiale psychologische Erstbetreuung
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