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Der Untersuchungsausschuss soll am Ende Empfehlungen abgeben, auch über mögliche Reformen der Finanzaufsicht und Wirtschaftsprüfung. (Foto: Mariakray/stock.adobe.com)
Bilanzskandal

Wirecard: Das soll der Untersuchungsausschuss aufdecken – Banken prüfen Klage gegen Unternehmen

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
18.09.2020
Die Bundestagsfraktionen von FDP, Die Linke und der Grünen haben einen Untersuchungsausschuss zum Fall Wirecard beantragt.

Der Bundestag hat dazu am 11.9.2020 erstmals debattiert und im Anschluss zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen. Die Einsetzung gilt als sicher, da die antragstellenden Fraktionen zusammen über die notwendige Zahl von Stimmen verfügen.

Der Untersuchungsauftrag umfasst zahlreiche Punkte, in denen nicht nur mögliches staatliches Fehlverhalten beleuchtet wird. Zum Auftrag zählt,

  • das Verhalten der Bundesregierung und ihrer Geschäftsbereichsbehörden im Zusammenhang mit den Vorkommnissen um den Wirecard-Konzern umfassend zu untersuchen,
  • mögliche Verbindungen zwischen Wirecard und staatlichen Stellen aufzudecken,
  • aufzuarbeiten, ob die BaFin strafbares oder manipulatives Handeln erkannt hat oder früher hätte erkennen können
  • aufzuklären, ob Hinweise etwa auf mögliche Bilanzfälschung, Geldwäsche oder andere rechtswidrige Aktivitäten gegen Wirecard und Geschäftspartner vorlagen,
  • zu untersuchen, ob die Wirtschaftsprüfer bei Prüfungen und Testierungen für Wirecard geltendes Recht verletzt haben oder von Rechnungslegungs- oder Prüfstandards abgewichen sind und inwiefern Interessenskonflikte dabei eine Rolle spielten,
  • Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob bestehende Organisationsstrukturen und Versäumnisse staatlicherseits mögliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten handelnder Personen des Wirecard-Konzern und dessen Geschäftspartnern begünstigt haben und
  • Schlussfolgerungen für eine mögliche Überarbeitung von Kontrollstrukturen und mögliche gesetzgeberische Erfordernisse zu ziehen.

Die Untersuchung soll sich auf den Zeitraum vom 1.1.2014 bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses erstrecken. 48 zu klärende Punkte sind in dem Antrag gelistet, darunter die Fragen,

  • welche Hinweise von Whistleblowern oder aus anderen Quellen zu Aspekten des Untersuchungsauftrags vorlagen und inwiefern solche Hinweise bewertet und weiterverarbeitet wurden,
  • inwiefern es Versäumnisse bei der Geldwäscheaufsicht über den Wirecard-Konzern gab,
  • welche Informationen und Erkenntnisse der Bundesregierung und ihren Geschäftsbereichsbehörden zur fachlichen Eignung und Zulässigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern und der Leitungsebene von Einheiten des Wirecard-Konzerns vorlagen und
  • welche möglichen Schwachstellen im Corporate-Governance-System bestehen, die Vorgänge um die Insolvenzen von Gesellschaften des Wirecard-Konzerns, mögliche Straftaten handelnder Personen und mögliche Verletzung von Rechnungslegungs- und Prüfstandards begünstigten.

Der Untersuchungsausschuss soll zudem prüfen und Empfehlungen geben, inwiefern Schlussfolgerungen zu ziehen sind in puncto

  • Reform der Finanzaufsicht,
  • Reform der Wirtschaftsprüfung und Bilanzkontrolle – vor allem im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Wirtschafts- und Abschlussprüfer, die Trennung von Beratung und Prüfung, die Haftung von Abschlussprüfern und die Zielsetzung von Abschlussprüfungen und der Rechnungslegung,
  • Reform der Geldwäscheaufsicht und eine Weiterentwicklung der Geldwäsche-Richtlinie,
  • effektive Strafverfolgung bei Bilanzbetrugsfällen und
  • Offenlegung über den Austausch zwischen Interessenvertretern und der Bundesregierung und ihren Geschäftsbereichsbehörden.

Den vollständigen Antrag für einen Untersuchungsausschuss im Fall Wirecard lesen Sie hier.

Banken prüfen Milliardenklage

Derweil erwägt ein Konsortium aus 15 Banken nach Recherchen des Westdeutschen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung eine Klage in Milliardenhöhe. Den Informationen zufolge hatten die Geldhäuser Wirecard Kredite in Höhe von 1,75 Milliarden Euro zugesagt, von denen offenbar 1,6 Milliarden Euro zur Auszahlung kamen. Mögliche Klage-Gegner seien nach inoffiziellen Angaben der Bund, die Finanzaufsicht, Ernst & Young und auch Aufsichtsrat und Vorstand des insolventen Konzerns.

Wirecard hatte im Juni 2020 eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro, die eigentlich bei Banken auf den Philippinen liegen sollten, in der Bilanz fehlten. Kurz darauf kam heraus, dass viele Geschäfte des Unternehmens nur auf dem Papier existierten.

132 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen bei der FIU

Der Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls haben zum Stichtag 10.8.2020 insgesamt 132 Verdachtsmeldungen mit einem möglichen Zusammenhang mit den aktuellen Vorwürfen gegen Wirecard vorgelegen. Davon seien bislang 54 Verdachtsmeldungen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden abgegeben worden. Das schreibt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke.

Darin geht die Bundesregierung auch auf Fragen zur Kreditvergabe der Wirecard Bank AG „unter Berücksichtigung übergeordneter strategischer Ziele der Wirecard-Gruppe“ ein. Das strategische Kreditportfolio der Bank sei „regelmäßig Gegenstand der laufenden Aufsicht“ gewesen. Infolge der Insolvenz der Wirecard AG, der damit einhergehenden Untersuchungen und aufgrund der Erkenntnisse der von der BaFin eingesetzten Sonderbeauftragten und Whistleblower-Hinweisen lägen der Aufsicht Anhaltspunkte dafür vor, dass einige der langjährigen strategischen Kredite insbesondere an Firmen in Asien als auffällig und vermutlich nicht werthaltig einzuschätzen sind. Entsprechende Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen.

(ESV/fab)

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