Wirecard-Untersuchungsausschuss: Bundesminister im Zeugenstand
Zwar habe die BaFin im Fall Wirecard „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ gehandelt. Die Maßnahmen des Finanzministeriums und der nachgeordneten Behörden hätten jedoch nicht ausgereicht, um den Skandal zu verhindern. Das berichtet der Informationsdienst des Bundestags hib.
Demnach führte Scholz aus: Erst rückblickend sei klar, dass die BaFin nicht gut genug gerüstet gewesen sei, um den organisierten Betrug in einem internationalen Konzern zu entdecken. Innerhalb seines Hauses sei es organisatorisch nicht möglich, alle Entscheidungen der BaFin noch einmal nachzuvollziehen und parallel zu entscheiden. Es gebe keinen anderen Weg, als den Fachbehörden die Entscheidungen in ihrem jeweiligen Bereich zu überlassen. Schlussfolgerungen seien gezogen, sagte Scholz, und verwies auf den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG).
BaFin-Compliance-System rechtmäßig
Derweil geht die Bundesregierung von der Rechtmäßigkeit des derzeit praktizierten Compliance-Systems der BaFin aus. Sie sieht keine datenschutz- oder arbeitnehmerrechtlichen Belange verletzt, wenn die Vorgesetzten Einblick in die privaten Finanzgeschäfte der unmittelbar unterstellten Beschäftigten erhalten. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor.
Vorgesehen sei nach den gesetzlichen Regelungen ein angemessenes internes Kontrollverfahren und eine Anzeigepflicht der Beschäftigten. Nach Angaben der BaFin hätten die unmittelbar Vorgesetzten den umfassendsten Überblick, verteilten die Aufgaben innerhalb ihrer Organisationseinheiten und könnten somit einschätzen, über welche Informationen Kenntnisse bestehen.
Die Belange der Beschäftigten berücksichtige die BaFin insofern, als es ein etabliertes Verfahren gebe, das die Beteiligung des direkten Vorgesetzten auf das erforderliche Maß beschränke, heißt es in der Antwort.
Abschlussprüferaufsicht in der Kritik
In einer weiteren Befragung vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss verteidigte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Arbeit der Abschlussprüferaufsichtsstelle Apas. Die Apas war für die Überwachung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY zuständig, die von 2009 bis 2019 den Betrug bei der Wirecard AG übersehen hatte.
Wirecard hatte Einnahmen in Milliardenhöhe fingiert. Die nicht existierenden Gewinne lagerten angeblich auf Konten in Asien. EY glaubte den Belegen von zweifelhaften Treuhändern in Singapur und auf den Philippinen und gab die Jahresabschlüsse frei. Die Prüfer übersahen nicht nur, dass angeblich lukrative Geschäfte mit Drittpartnern gefälscht waren, sondern sie hatten offenbar sogar Tipps parat, wie die zweifelhaften Einnahmen in der Bilanz seriöser dargestellt werden können. Das geht aus dem Bericht des Sonderermittlers Martin Wambach von der Anwaltskanzlei Rödl & Partner hervor, so hib. Wambach stellte dessen – bisher ansonsten geheimen – Inhalt jetzt vor dem Ausschuss dar. „Forderungen wurden umgewandelt in Sicherheiten, die wenig später als Barmittel eingestuft wurden, die dann auf den Treuhandkonten gelandet sein sollen“, zitiert hib den Ausschuss-Vorsitzenden Kay Gottschalk (AfD).
In der offensichtlich nachlässigen Arbeit von EY sehen mehrere der Abgeordneten eine Verantwortung der Apas. Andere Behörden hätten schon deutlich früher Ermittlungen aufgenommen, sagte etwa Dr. Jens Zimmermann (SPD). Altmaier führte aus, dass das Personal auf diesem Gebiet knapp sei und dass es schwer sei, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Apas zu finden.
(ESV/fab)
BilanzskandaleAutor: Prof. Dr. Volker H. Peemöller, Dr. Harald Krehl, Dr. Stefan Hofmann, Jana LackBilanzbetrug gibt es, seit es Bilanzen gibt. Zwar haben Gesetzgeber, Standardsetter und Regulierungsbehörden vielseitig auf wirtschaftskriminelle Verwerfungen reagiert, doch zeigen Fälle wie zuletzt Wirecard: Die Liste spektakulärer Bilanzskandale wächst ungebremst.
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