Karl Kraus hat zeit seines Lebens polarisiert
Der nun von Dietmar Goltschnigg herausgegebene Band „Karl Kraus im Urteil literarischer und publizistischer Kritik. Texte und Kontexte, Analysen und Kommentare“ erfasst die Kraus-Rezeption im Zeitraum von 1892 bis 1945 und stellt auf der Basis eines repräsentativen Textkorpus von 154 Beiträgen die Wirkung von Karl Kraus auf Zeitgenossen und Literaturkritiker dar.
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Kraus nahm in der „Fackel” keine große Rücksicht
Karl Kraus hat zeit seines Lebens polarisiert. Dass er Herausgeber der kulturkritischen Zeitschrift „Die Fackel“ war, verschaffte ihm ein eigenes Medium, in dem er keine allzu großen Rücksichten nehmen musste. Thematische Schwerpunkte seines Schaffens waren die Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Jungwiener Autoren, Judentum und Antisemitismus, Krieg, Sittlichkeit, Kriminalität und Psychoanalyse. Mit seinen Aphorismen und Kritiken machte er sich viele Feinde und wenig Freunde, oder wie er selbst einmal sagte: „ Aufregen kann ich sie alle. Jeden einzelnen zu beruhigen, geht über meine Kraft“.So schillernd wie Karl Kraus’ Publizistik und sein öffentliches Wirken war, so vielfältig und oszillierend ist seine Rezeption. Von literarisch unbeholfenen Hasstiraden über schonungslose Auseinandersetzungen, differenzierten und kritischen Würdigungen über euphorische Anhängerschaft bis hin zu Zeugnissen, die Kraus in die Sphäre eines weltenthobenen Göttlichen rücken, finden sich sowohl Kommentare, Essays und Reflexionen als auch literarische Genres wie Dramen- und Romanauszüge, deren Gegenstand jedes Mal Karl Kraus ist.
Gegliedert in drei Teile, bietet der umfangreiche Band zunächst eine Analyse von Rezeptionsschwerpunkten zu Kraus’ Werk und eine Einführung in die wichtigsten Gegenstände von Kraus’ Schaffen. Den zweiten Teil bilden Texte über Kraus, die teils komplett, teils in wohlausgesuchten Auszügen abgedruckt werden und ihr jeweiliges Bild von dem Künstler vermitteln. In einem abschließenden Teil werden die Rezeptionszeugnisse im Kontext kommentiert und über ein umfangreiches Register erschlossen.
Wie Karl Kraus nach 1945 rezipiert wurde, wird in einem 2. Band von Dietmar Goltschnigg dargestellt, dessen Erscheinen für 2017 angekündigt ist.
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Zum Autor |
Dietmar Goltschnigg ist Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Wirkungsgeschichte von Georg Büchner, Heinrich Heine und Karl Kraus, ferner deutsch-/österreichisch-jüdische Literatur und interdisziplinäre Themen (Zeit, Angst, Plagiat, Fälschung, Urheberrecht u. a.). Zum Band Das Buch „Karl Kraus im Urteil literarischer und publizistischer Kritik. Texte und Kontexte, Analysen und Kommentare. Band 1: 1892–1945“ ist im Erich Schmidt Verlag erschienen. Sie können es bequem hier bestellen. |
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