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Wie hoch darf der Säumniszuschlag sein? (Photo: magele-picture / Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung des BFH

BFH zur Höhe der Säumniszuschläge bei Niedrigzinsniveau

ESV-Redaktion Steuern
31.03.2023
Der VII. Senat, der V. Senat und der II. Senat des BFH haben in bisher nicht veröffentlichten Beschlüssen vom 31.08.2021 (VII B 69/21 (AdV)), vom 23.05.2022 (V B 4/22 (AdV)) und vom 20.09.2022 (II B 3/22 (AdV)) entschieden, dass nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen bestehen, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind. Mit Entscheidung vom 15.11.2022, VII R 55/20, äußert sich der VII. Senat des BFH – soweit ersichtlich erstmalig höchstrichterlich mit Urteil – zur Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO.

Der BFH hat mit dem vorliegenden Urteil entschieden, dass gegen die Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Finanzgericht sieht bereits keinen verfassungsrechtlichen Verstoß durch Säumniszuschläge

Das Finanzgericht hatte festgestellt, dass Säumniszuschläge hinsichtlich eines möglichen Zinsanteils weder ganz noch teilweise gegen das Verfassungsrecht verstießen. Denn selbst wenn der Säumniszuschlag auch eine Zinsfunktion habe, lasse sich kein "fester" und damit typisierter Zinssatz ermitteln, der am Maßstab eines Marktzinses gemessen werden könnte.

Funktion eines Säumniszuschlags

Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten (§ 240 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AO). Säumniszuschläge fallen nach dem Gesetz unabhängig davon an, ob eine Steuer zutreffend festgesetzt wird; nach § 240 Abs. 1 Satz 4 Hs. 1 AO bleiben die verwirkten Säumniszuschläge unberührt, wenn die Festsetzung einer Steuer aufgehoben oder geändert wird.

BFH: Keine Übertragbarkeit der Grundsätze des BVerfG zur Vollverzinsung

Die Grundsätze des BVerfG zur Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen nach §§ 233a, 238 AO lassen sich im Hinblick auf einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG auf Säumniszuschläge nicht übertragen.

Im Hinblick auf Säumniszuschläge fehlt es bereits an einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte. Die nach § 233a AO geregelte Vollverzinsung soll stark typisierend objektive Zins- und Liquiditätsvorteile erfassen, die dadurch entstehen, dass zwischen der Entstehung des Steueranspruchs und seiner Fälligkeit nach Festsetzung ein Zeitraum von mehreren Jahren liegen kann. Nachzahlungszinsen sind dementsprechend weder Sanktion noch Druckmittel, sondern ein Ausgleich für die Kapitalnutzung. Die Vollverzinsung hat keine zusätzliche Lenkungsfunktion dahingehend; die Vollverzinsung nach § 233a AO entsteht unabhängig vom Verhalten der Steuerpflichtigen und stellt gerade kein Druckmittel dar.

Funktion der Säumniszuschläge

Säumniszuschläge haben andere Funktionen. Der im Vergleich zu den Zinsen doppelt so hohe Säumniszuschlag ist in erster Linie ein Druckmittel eigener Art zur Durchsetzung fälliger Steuern und erfüllt primär eine pönale Funktion. § 240 AO verfolgt das Ziel, den Bürger zur zeitnahen Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen anzuhalten und die Verletzung eben jener Verpflichtung zu sanktionieren. Daneben ist der Säumniszuschlag Gegenleistung bzw. Ausgleich für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern und dient letztlich auch dem Zweck, den Verwaltungsaufwand der Finanzbehörden auszugleichen. Die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen ist damit nicht Haupt-, sondern nur Nebenzweck der Regelung. Es geht folglich nicht um einen Vorteilsausgleich gegenüber anderen Steuerpflichtigen, sondern lediglich als Nebenzweck um einen Ausgleich gegenüber der Finanzverwaltung. Schon daran zeigt sich, dass die Sachverhalte nicht vergleichbar sind.

Allein der Umstand, dass bei Säumniszuschlagspflichtigen anders als jetzt bei den zinszahlungspflichtigen Steuernachzahlern das strukturelle Niedrigzinsniveau seit 2014 nicht berücksichtigt wird, genügt für eine Vergleichbarkeit der zwei Gruppen nicht. Damit scheidet ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aus.

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Kein Verstoß gegen Rechtsstaatsprinzip

Die Höhe des Säumniszuschlags verletzt ferner nicht das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot. Die Höhe des Säumniszuschlags ist auch in einer Niedrigzinsphase durch den vom Gesetzgeber intendierten Zweck der Norm gedeckt.

In den Gesetzesmaterialien wird die Höhe des Säumniszuschlags von einem Prozent pro angefangenen Monat damit begründet, dass der Säumniszuschlag dem Fiskus zwar keine wirtschaftliche Entschädigung für die Vorenthaltung des ihm geschuldeten Steuerbetrags gewähren, sondern allein den rechtzeitigen Eingang der Steuern sicherstellen solle. Dabei dürfe aber nicht die Höhe der Kreditkosten außer Acht gelassen werden; der Säumniszuschlag dürfe nicht unter den Kosten für Kredite liegen, da sonst die Gefahr bestehe, dass Steuerpflichtige die Steuerzahlungen hinausschöben, weil diese Art der Finanzierung billiger wäre als ein Kredit auf dem Geldmarkt.

Lässt sich ein fester und typisierender Zinssatz der Regelung in § 240 AO nicht entnehmen, sondern kommt der Norm neben ihrem primären Sanktionszweck für die nicht rechtzeitige Leistung lediglich auch ein Zinscharakter zu, fehlt es damit aber an einer festen Größe eines Zinssatzes, die auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden könnte. Nach alldem scheidet eine (anteilige) Behandlung des Säumniszuschlags als Zins aus.

Da also ein konkreter Zinsanteil dem Säumniszuschlag nach § 240 AO nicht immanent ist, kann sich die Verfassungswidrigkeit nur aus seiner Höhe von einem Prozent für jeden angefangenen Monat der Säumnis ergeben. Ein solcher ist bereits allein zur Erzwingung der rechtzeitigen Zahlung der fälligen Steuer und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands verhältnismäßig und daher verfassungsrechtlich unbedenklich. Dabei ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber hinsichtlich des Übermaßes einer Beschwer ein Wertungsspielraum zur Verfügung steht.

Unbilligen Härten im Einzelfall kann lediglich durch (Teil-)Erlass nach § 227 AO begegnet werden.

Praxishinweis

Die in den Senaten geäußerten unterschiedlichen Auffassungen führen nicht zur Anrufung des Großen Senats des BFH, da im summarischen Verfahren der AdV die Rechtsfragen nicht endgültig entschieden werden. Wenn jedoch nun andere Senate des BFH im Anschluss an deren ADV-Beschlüsse – entgegen dem o.g. Urteil des VII. Senats – zu der Auffassung gelangen, dass ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen bestehen, kann eine Anrufung des Großen Senats des BFH erfolgen, der dann endgültig über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen zu entscheiden hat.

Quelle: Urteil des BFH vom 15. November 2022, VII R 55/20; veröffentlicht am 30. März 2023

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(ESV/cmx)


Programmbereich: Steuerrecht