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Künftig werden erheblich mehr Mieter den Möbelwagen brauchen (Foto: Andrey Popov/Fotolia.com)
Kündigungsschutz bei Wohnraummiete

Eigenbedarfskündigung: BGH weicht Kündigungsschutz des Mieters auf

ESV-Redaktion Recht
15.12.2016
Wohnraum wird in Ballungsgebieten immer knapper. Daher gewinnt auch die Kündigung wegen Eigenbedarfs eine immer größere Bedeutung. Doch steht dieses Recht auch einer Investorengruppe zu? Hierüber hat der VIII. Zivilsenat des BGH kürzlich entschieden.
Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Diese wurde im Jahr 1991 gegründet und besteht aus vier Gesellschaftern. Zweck der Gesellschaft ist die Instandsetzung, Modernisierung und der Ausbau des Anwesens, dessen Vermietung sowie die Aufteilung in Wohnungseigentum. Die Gesellschaft hatte die streitgegenständliche  Wohnung in ihrem Gründungsjahr erworben. Die beklagten Mieter schlossen den Mietvertrag über die Wohnung im Jahr 1985 mit dem Rechtsvorgänger der GbR ab.

Im September 2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis. Sie begründete dies mit dem Eigenbedarf der Tochter eines der Gesellschafter. Gegen die von der Klägerin erhobene Räumungsklage hatten sich die Beklagten gewehrt.

AG München: Kündigung treuwidrig

Das Amtsgericht (AG) München hat die Klage abgewiesen. Das Gericht meinte, die Kündigung der Klägerin sei wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Danach hat es die Klägerin treuwidrig versäumt, den Beklagten eine 76 qm große 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss desselben Hauses anzubieten. Diese stand seit April 2014 leer.

LG München I: § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB schließt Eigenbedarf für GbR aus

Auch die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Landgericht (LG) München I vertrat als Berufungsgericht die Auffassung, dass eine GbR wegen des Bestands- und Verdrängungsschutzes nach § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB einen Wohnraummietvertrag nicht wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters kündigen darf. Hierbei wich das LG bewusst von der Rechtsprechung des BGH ab.

Im Wortlaut: § 573 BGB - Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn .. 

2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt
Im Wortlaut: § 577a - Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung
(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 erst nach Ablauf von drei Jahren nach der Veräußerung berufen.

(1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter ..

.... an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder zugunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird.

Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist.

BGH: Kündigung wegen Eigenbedarfs wirksam

Der Bundesgerichtshof (BGH) teilte die Argumente der Vorinstanzen nicht: Zur Entscheidung der Ausganginstanz, meinen die Karlsruher Richter zunächst, dass der Vermieter die Folgen einer Kündigung wegen Eigenbedarfs für den Mieter so gering wie möglich halten muss. So habe die Wohnung als Mittelpunkt seiner Existenz für den Mieter zwar eine besondere Bedeutung von Verfassungsrang. Dies führe auch dazu, dass der Vermieter dem betroffenen Mieter eine andere Wohnung anbieten muss, wenn ihm eine solche zur Verfügung steht und diese sich im selben Haus oder derselben Wohnanlage befindet.

Versäumtes Anbieten einer Ersatzwohnung macht Kündigung nicht unwirksam

Dennoch, so der Richterspruch aus Karlsruhe weiter, führt ein versäumtes Anbieten der Ersatzwohnung nicht automatisch zur Unwirksamkeit einer berechtigten Eigenbedarfskündigung. Damit hat der Senat seine bisherige Meinung aufgegeben.

Nunmehr sieht er ein Versäumnis des Vermieters nur noch als Verletzung von mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten an. Diese würde nach § 241 Absatz 2 BGH lediglich Schadensersatzansprüche des Mieters auslösen. Der Mieter habe daher allenfalls Ersatzansprüche in Geld, zum Beispiel in Form von Umzugs- und Maklerkosten.

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§ 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB analog anwendbar

Ebenso hält der BGH  § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGH für entsprechend anwendbar. Zwar wäre diese Vorschrift vom Wortlaut her nur auf natürliche Personen zugeschnitten. Sie müsse aber in den Fällen entsprechend angewendet werden, in denen eine teilrechtsfähige (Außen-)GbR als Vermieterin auftritt. Somit ist der Eigenbedarf eines Gesellschafters im Ergebnis der Gesellschaft zuzurechnen.

Als unzutreffend sah der VIII. Senat insoweit die Annahme des Berufungsgerichts an, nach der der Kündigungstatbestand von § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB den Mieter durch eine unüberschaubare Personenzahl vor einem überhöhten Verdrängungsrisiko schützen soll. Diesen Zweck soll dem BGH zufolge allein die Kündigungssperre von § 577a BGB erfüllen.

Den Zweck der Kündigungsregelungen in § 573 BGB sehen die Richter aus Karlsruhe darin, den Mieter vor willkürlichen Kündigungen zu schützen. Darüber hinaus soll diese Norm dem Vermieter das Recht geben, das Mietverhältnis bei einem triftigen Grund lösen zu können.

Kommentar der ESV-Redaktion
  • Der Ansatz des BGH, die Eigenbedarfskündigung auch auf GbR anzuwenden, erscheint fraglich. Letztlich steht bei dem GbR-Modell der Anlageaspekt im Vordergrund. Es ist zweifelhaft, ob dies vom Zweck der §§ 573 und 577a BGB gedeckt ist. Diese Regelungen sollen im Zusammenspiel in erster Linie den Mieter schützen.
  • Dies wird auch dadurch deutlich, dass § 577 a Absatz 1 BGB auf § 573 BGB verweist. Die Ansicht des BGH, nach der allein § 577 a BGB den Mieter vor einem unüberschaubarben Personenkreis schützen soll, ist daher kaum nachvollziehbar. 
  • Wie der BGH selbst betont, hat die Wohnung für den Mieter als Mittelpunkt seiner Existenz eine besondere Bedeutung mit Verfassungsrang. Demgegenüber liegt aber auf der Hand, dass die Rechtsprechung des BGH für den Mieter das Risiko deutlich erhöhen wird, verdrängt zu werden. 
  • Diese Situation ist auch nicht mit der von Erbengemeinschaften vergleichbar, wie der BGH meint. Eine solche entsteht kraft Gesetzes zum Zwecke der Erbauseinandersetzung oder Fortführung eines Nachlasses und nicht durch einen freiwilligen Zusammenschluss privater Investoren. (bp)

Weiterführende Literaur
Das Buch Mietrecht - Das gesamte Mietrecht einschließlich Leasing, herausgegeben von Thomas Spielbauer, Vizepräsident des Landgerichts München I und Joachim Schneider, Vorsitzender Richter am Landgericht Nürnberg-Fürth, behandelt alle praxisrelevanten Problemstellungen ausführlich und bietet dem mit Mietsachen befassten Praktiker bestmögliche Unterstützung für rechtssichere Entscheidungen und Gestaltungsmöglichkeiten.

Quelle: Pressestelle des BGH Nr. 225/2016 zum Urteil vom 14.12.2016 – AZ: VIII ZR 232/15

(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht