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Im wöchentlichen Fokus - Besonders aktiv war das BVerfG (Foto: Klaus-Eppele und AllebaziB/Fotolia.com)
Übersicht der Woche

Rechtsprechung: Neues aus Karlsruhe und Kassel

ESV-Redaktion Recht
03.08.2016
Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen, mit Schmähkritik und Maklerprovisionen befasst. Das BSG musste entschieden, ob ein Unfall im Home-Office ein Arbeitsunfall ist. Der BGH hat die Haftung von Online-Händlern präzisiert.



BVerfG: Bezeichnung eines Polizisten als „Spanner” ist keine Tatsachenbehauptung

Wertet ein Gericht eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, verkürzt es damit den grundrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit. Dies ergibt sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29.06.2016. Damit hat das Gericht einer Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung wegen übler Nachrede stattgegeben.

Laut Sachverhalt wurde der Beschwerdeführer mehrfach vom selben Polizeibeamten kontrolliert. Im November 2013 sah er diesen Beamten in einem Polizeifahrzeug vor seinem Haus, als er das vom Beschwerdeführer bewohnte Gebäude mit seinem Fahrzeug anleuchtete. Im weiteren Verlauf des Abends hatte er dasselbe noch einmal mal gesehen und veröffentlichte hierzu einen Facebook-Eintrag. In diesem warf er dem namentlich genannten Polizeibeamten vor, er hätte nichts Besseres zu tun, als mit Auf- und Abblendlicht in Einfahrten zu stehen und die gegenüberliegenden Häuser anzuleuchten. Zudem bezeichnete er den Polzisten als „Spanner”. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen übler Nachrede. Die Sprungrevision zum Oberlandesgericht blieb erfolglos.

Nach Auffassung des BVerfG verletzen die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG. Danach hatte das Amtsgericht die Äußerung des Beschwerdeführers unzutreffend als Tatsachenbehauptung gewertet. Zwar habe der Beschwerdeführer auch ein tatsächliches Geschehen geschildert. In der Äußerung „Spanner” sahen die gerichtlichen Verfassungshüter aber eine Bewertung des Geschehens.

Bereits die falsche Einordnung der Äußerung als Tatsache führte zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen. Dennoch ist dies für den Beschwerdeführer allenfalls ein Etappensieg. Das Amtsgericht muss nun im Rahmen einer Güterabwägung prüfen, inwieweit dessen Äußerung noch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Beschluss des BVerfG vom 29.06.2016 – AZ: 1 BvR 2646/15 - Siehe auch: Pressemeldung vom 03.08.2016

Weiterführende Literatur
Der Berliner Kommentar zum Grundgesetz, herausgegeben von Prof. Dr. Karl Heinrich Friauf, LL.M., und Prof. Dr. Wolfram Höfling, M.A., arbeitet für Sie heraus, wie sich die einzelnen verfassungsrechtlichen Bestimmungen auf das einfache Recht und die praktische Rechtsarbeit auswirken. Das Werk folgt bei den einzelnen Erläuterungen einem einheitlichen Gliederungsraster und bietet dem Leser die Entwicklungslinien der Verfassungsbestimmungen einschließlich der dogmatischen und entstehungsgeschichtlichen Aspekte.

BVerfG: Bezeichnung „durchgeknallte Staatsanwältin” als Schmähkritik?

Mit dieser Frage hat sich das BVerfG ebenfallls in einem Beschluss vom 29.06.2016 beschäftigt. Laut dem Sachverhalt hatte ein Strafverteidiger eine Staatsanwältin gegenüber einem fremden Journalisten telefonisch als „dahergelaufene Staatsanwältin” und „durchgeknallte Staatsanwältin” bezeichnet. Die Äußerungen fielen im Nachgang zu einer Strafverhandlung. Daraufhin verurteilte das Landgericht Berlin den Anwalt wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Die hiergegen gerichtete Revision des Beschwerdeführers blieb ohne Erfolg. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer dann die Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 GG.

Nach Meinung der Richter aus Karlsruhe ist der Begriff der Schmähkritik besonders eng auszulegen, weil er die Meinungsfreiheit grundsätzlich verdrängt. Schmähkritik liegt danach als Sonderform der Beleidigung nur in seltenen Ausnahmen vor. Hierbei, so die Verfassungsrichter weiter, sei zu berücksichtigen, dass Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt geäußert werden darf. Die betreffenden Äußerungen wären zwar ausfallend scharf und würden die Ehre der Betroffenen beeinträchtigen.

Das Gericht vermisst in den angegriffenen Entscheidungen aber nähere Ausführungen dazu, dass sich die Äußerungen des Strafverteidigers völlig von dem zugehörigen Strafverfahren gelöst hätten. Auch sei nicht festgestellt worden, dass der Bezug zu dem Strafverfahren nur ein mutwilliger Vorwand war, um die Staatsanwältin als solche zu diffamieren. Ohne solche Feststellungen ist nach Meinung des BVerfG doch eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Staatsanwältin vorzunehmen. An dieser fehle es hier.

Auch der Rechtsanwalt ist noch nicht aus dem Schneider. Nun muss nämlich das LG Berlin erneut über die strafrechtlichen Folgen der Äußerungen entscheiden. Dabei hat es zwischen der Meinungsfreiheit des Rechtsanwalts und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Staatsanwältin abzuwägen.

Beschluss des BVerfG vom 29.06.2016 – AZ: 1 BvR 2646/15  -  Siehe auch: Pressemeldung vom 02.08.2016

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  • BVerfG: Im Zweifel für die Wahrheit? Wahre Tatsachenbehauptungen aus der Sozialsphäre Dritter dürfen grundsätzlich in Bewertungsportalen veröffentlicht werden. Mehr ...

BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung des Bestellerprinzips bei Maklerprovisionen für Wohnraummietverträge erfolglos

Seit dem 01.06.2015 gilt für Maklerprovisionen bei der Wohnraummiete das Bestellerprinzip. Danach muss derjenige den Makler bezahlen, der ihn beauftragt hat. Der Gesetzgeber hatte diese Regelung mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21.04.2015 eingeführt. Hiergegen hatten zwei Makler und ein Wohnraummieter Verfassungsbeschwerde eingelegt. Während sich die beiden Makler durch die Neuregelung in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 Absatz 1 GG beschränkt sahen, hatte sich der Mieter auf die Verletzung seiner Vertragsfreiheit berufen.
Das BVerfG hat die Beschwerden der beiden Makler als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerde des Mieters haben die Richter aus Karlsruhe als unzulässig verworfen.

Die obersten gerichtlichen Verfassungshüter meinen, dass der Gesetzgeber die sich gegenüberstehenden Interessen im Rahmen seines Beurteilungsspielraus angemessen und verhältnismäßig ausgeglichen hat. Danach stehen sich die Berufsfreiheit und soziale bzw. wirtschaftliche Ungleichgewichte gegenüber. Diesen Ungleichgewichten soll das Bestellerprinzip durch zwingendes Gesetzesrecht entgegenwirken. Es soll nämlich verhindern, dass die Wohnungssuchenden Kosten tragen müssen, die vorrangig im Interesse des Vermieters entstanden sind. Aus Aspekten des Verbraucherschutzes hält das Gericht diese Lösung für sozialstaatlich gerechtfertigt.

Beschluss des BVerfG vom 29.06.2016  - Az: 1 BvR 1015/15

Weiterführende Literatur
Der Berliner Kommentar Mietrecht, herausgegeben von Thomas Spielbauer und Joachim Schneider, bietet eine umfangreiche und sehr detaillierte Auswertung der Rechtsprechung und Literatur. Die komplette Einarbeitung des Mietrechtsänderungsgesetzes verschafft allen Praktikern die bestmögliche Unterstützung für Ihre Entscheidungen und Gestaltungsmöglichkeiten im Mietrecht.

BSG: Beschäftigte in Home-Office sind nicht immer gesetzlich unfallversichert

Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 05.07.2016 entschieden. Aufgrund einer Dienstvereinbarung mit ihrem Arbeitgeber arbeitete die Klägerin im Dachgeschoss ihrer Wohnung. Dabei verließ sie den Arbeitsraum, weil sie  Wasser aus der Küche holen wollte. Auf dem Weg dorthin benutzte sie eine Treppe. Hierbei rutschte sie aus und verletzte sich. Die zuständige Unfallkasse hatte dies nicht als Arbeitsunfall anerkannt.

Nach Meinung der Richter aus Kassel befand sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls in ihrem privaten Lebensbereich und nicht auf einem Betriebsweg. Das Wasserholen sei eine typische eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die nicht versichert ist. Auch eine zu Hause geleistete Arbeit würde einer Wohnung nicht den Charakter ihrer privaten Lebenssphäre nehmen. Demgegenüber hatte die Vorinstanz einen Arbeitsunfall angenommen.

Quelle: Bundessozialgericht - Medieninformation Nr. 15/16 zum Urteil vom 05.07.2016 - Az: B 2 U 5/15 

Auch interessant:
Weiterführende Literatur
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BGH: Kontrollpflicht für Online-Händler

Bieten Händler ihre Produkte im Internet über Verkaufsplattformen wie Amazon an, haften sie auch für solche Produktangaben, die sie nicht selbst gemacht haben. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Urteilen vom 03.08.2016 entschieden.

Der erste Fall betraf ein Verkaufsangebot des Beklagten über eine Armbanduhr. Diese hatte der Händler ursprünglich für 19,90 Euro angeboten. Nachträglich hatte Amazon dann über der abgebildeten Uhr einen Preis von 39,90 Euro eingesetzt. Dieser war aber durchgestrichen. Daneben befand sich der Text: „unverbindliche Preisempfehlung”. Unter den weiteren Produktangaben hatte Amazon dann den Hinweis: „Sie sparen: EUR 20,00 (50%)” angebracht. Auch diese Angaben wurden nachträglich gemacht.

Ein Mitbewerber verlangte Unterlassung von dem Händler, weil die Uhr zu dem betreffenden Zeitpunkt ein Auslaufmodell war und gar nicht mehr in den Preislisten des Fachhandels geführt wurde. Dies sahen die Karlsruher Richter als irreführende Werbung an. Darüber hinaus meinten sie, dem Verkäufer hätte klar sein müssen, dass er auf der Plattform die Gestaltung seines Angebots nicht voll beherrschen könne. Daher müsse man von ihm eine regelmäßige Kontrolle erwarten.

Urteil des BGH vom 03.08.2016 - Az: I ZR 110/15

Im zweiten Fall ging es um eine Computermaus, die ein Händler unter einem falschen Markennamen angeboten hatte. Hiergegen klagte der Inhaber der Marke mit Erfolg. Dabei handelte es sich um einen sogenannten „Warehouse Deal”. Hierbei gibt der erste Verkäufer eines Artikels seine Produktinformationen in eine Maske ein. Bieten weitere Händler das Produkt an, werden sie automatisch auf der bereits angelegten Katalogseite gelistet. Allerdings können die anderen Verkäufer die ursprüngliche Produktbezeichnung bearbeiten. In dem betreffenden Fall wurde der Markenname nachträglich verändert.

Auch hier meinten die obersten deutschen Zivilrichter, dass Änderungen von ursprünglich richtigen Angeboten immer wieder vorkämen. Dies sei den Händlern auch bekannt. Deswegen wäre es für die Händler auch zumutbar, regelmäßig zu prüfen, ob eine Artikelbeschreibung richtig sei. Komme ein Händler dieser Kontrollpflicht nicht nach, sei er dafür haftbar.

Urteil des BGH vom 03.08.2016 - I ZR 140/14

Weitere Informationen hierzu: ESV.info - BGH konkretisiert Überwachungspflichten für Online-Händler
 
Weiterführende Literatur 
Im IT-Rechtsbereich sind neben dem BDSG spezialgesetzliche Regelungen wie das TMG oder das TKG sowie weitere Rechtsnormen, zum Beispiel aus dem UWG oder StGB, zu beachten. Die Datenbank juris PartnerModul IT-Recht liefert zeit- und praxisnahe Antworten auf alle Fragen aus dem IT-rechtlichen Alltag.

(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht