
Ärzteportal muss Daten der klagenden Ärztin löschen (Foto: georgejmclittle und ag visuell/Fotolia)
Bewertungsportale im Internet
Ärzteportal Jameda: BGH bezweifelt neutrales Informationsangebot
ESV-Redaktion Recht
20.02.2018
Bewertungsportale sind aus dem Internet nicht mehr wegzudenken, sollen sie doch über mehr Markttransparenz auch den Verbraucherrechten dienen. Doch greift die Annahme des Verbraucherschutzes tatsächlich und werden die Interessen der Bewerteten gewahrt? Hierzu hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell geäußert.
Die Beklagte ist Betreiberin des Arztsuche- und Arztbewertungsportals „www.jameda.de“. Von diesem können Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden. Das Portal hat monatlich mindestens fünf Millionen Internetnutzer. Als eigene Informationen bietet die Beklagte sogenannte Basisdaten eines Arztes an. Dazu gehören, soweit bekannt, akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten sowie Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen.
Bewertungen durch Noten und Kommentare: Darüber hinaus können Bewertungen abgegeben und abgerufen werden. Dies geschieht anhand eines Notenschemas und/oder mit Hilfe von Freitextkommentaren. Die Nutzer müssen sich aber vorher bei dem Portal registrieren. Hierbei hat der Bewertende eine E-Mail-Adresse anzugeben, die Rahmen des Registrierungsvorgangs verifiziert wird. Aus den Einzelbewertungen errechnet sich für jede Kategorie eine Durchschnittsnote. Aus diesen Durchschnittsnoten bildet sich eine Gesamtnote, die zentral abgebildet wird.
Die Klägerin ist praktizierende Dermatologin und Allergologin. Das Portal der Beklagten führt die Ärztin gegen ihren Willen mit akademischen Grad, Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift. Beim Aufruf ihres Profils erscheint die Klägerin unter der Rubrik „Hautärzte (Dermatologen)“ in der Umgebung.
Hinweis auf Konkurrenten bei Nicht-Kunden des Portals: Zudem erscheinen dort weitere Ärzte desselben Fachbereichs aus der Umgebung der Praxis der Klägerin. Hierbei handelt es sich um Werbung von zahlenden Kunden der Beklagten, die sich wie folgt getaltet:
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Hinweis auf Konkurrenten bei Nichtzahlern: Dargestellt wird neben der Note des jeweiligen anderen Arztes die jeweilige Distanz zwischen dessen Praxis und der Praxis der Klägerin. Eine Sortierung der eingeblendeten Ärzte nach Gesamtnote erfolgt nicht und es werden nicht nur Ärzte angezeigt, die eine bessere Gesamtnote als die Klägerin haben.
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Keine Hinweise bei zahlenden Ärzten: Bei Ärzten, die sich kostenpflichtig registriert und ein „Premium-Paket“ gebucht haben, blendet die Beklagte keine Konkurrenten auf deren Profil ein.
Die Beklagte wirbt bei Ärzten für ihre „Serviceleistungen“ damit, dass die individuell ausgestaltbaren Profile zahlender Kunden deutlich häufiger aufgerufen würden. Gleichzeitig erziele der zahlende Kunde durch die Einblendung seines individualisierten Profils auf den Profilen der Nichtzahler eine zusätzliche Aufmerksamkeit bei den Nutzern. Ein „Premium-Eintrag“ steigere zudem die Auffindbarkeit über Google.
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Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegen Werbeinteressen der Beklagten
Klägerin: Einblendung der Konkurrenten schafft Druck, Werbevertrag abzuschließen
Im Jahr 2015 beanstandete die Klägerin insgesamt 17 Bewertungen. Diese löschte die Beklagte erst, nachdem die Klägerin ihre früheren Prozessbevollmächtigten einschaltete. Nach der Löschung stieg die Gesamtnote der Klägerin von 4,7 auf 1,5.
Mit ihrer Klage verlangt sie die vollständige Löschung ihres Eintrags unter „www.jameda.de“, sowie ihrer Daten auf der benannten Seite. Zudem begehrt sie die Unterlassung der Veröffentlichung ihres Profils. Die Klägerin meint, dass die Einblendung ihrer Konkurrenten einen Umleitungseffekt erzeugt, der auf die nicht teilnehmenden Ärzte den Druck erhöht, einen Werbevertrag mit der Beklagten abzuschließen.
Beklagte: Nur vollständige Arztlisten werden dem Recht der Patienten auf freie Arztwahl gerecht
Das beklagte Portal weigerte sich jedoch, die Klägerin aus ihrem Portal zu löschen. Dies unterlaufe das Recht des Patienten auf freie Arztwahl, dem nur vollständige Arztlisten gerecht werden.
Die bisherigen Instanzen schlossen sich der Auffassung der Beklagten an. So hat die Ausgangsinstanz, das Landgericht (LG) Köln, die Klage am 13.07.2016 unter dem AZ: 28 O 7/16 abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln blieb erfolglos – vgl. hierzu das OLG-Urteil vom 05.01.2017 - AZ: 15 U 198/15. Allerdings hatte die Berufungsinstanz die Revision zum BGH zugelassen.
BGH: Beklagte muss Daten der Klägerin löschen
Der Bundesgerichtshof schloss sich der Meinung der Klägerin an. Nach Auffassung des VI. Zivilsenats des BGH sind personenbezogene Daten nach § 35 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG zu löschen, wenn deren Speicherung unzulässig ist. Dies nahm der Senat vorliegend an. Zwar wiesen die Karlsruher Richter darauf hin, dass das von der Beklagten betriebene Bewertungsportal im Grundsatz zulässig personenbezogenen Daten von Ärzten speichert. Allerdings unterscheidet sich der vorliegende Fall nach BGH-Lesart von einem früher entschiedenen Fall (VI ZR 358/13) wie folgt:
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Beklagte keine neutrale Informationsmittlerin: Mit der vorbeschriebenen verbundenen Praxis verlasse die Beklagte ihre Stellung als sogenannte neutrale Informationsmittlerin. Während sie bei den nichtzahlenden Ärzten neben den Basisdaten einen Link zu örtlich konkurrierenden Ärzten setzt, lässt sie diese Verweise auf den Profilen ihrer Premium-Kunden weg, und zwar ohne dies dem Internetnutzer offenzulegen. Durch derartige werbende Hinweise über die örtliche Konkurrenz gebe die Beklagte aber ihre Neutralität auf.
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Recht auf informatonelle Selbestimmung wiegt schwerer: Damit, so der Senat weiter, könne sich die Beklagte nicht mehr auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit berufen, die sie auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK gestützt hatte. Demzufolge hätte die Grundrechtsposition der Klägerin ein höheres schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung ihrer Daten im Sinne von § 29 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG.
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Quelle: PM des BGH vom 20.02.2018 zur Entscheidung vom selben Tag – AZ: VI ZR 30/17
(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht