Zutritt zu den Hochzeitsfeierlichkeiten im Innenbereich des Lokals sollten nur Gäste erhalten, die negativ auf Corona getestet waren, so der Wirt – hier ein Symbolbild (Foto: Maksym / stock.adobe.com)
In dem Streitfall hatten die Beklagten – ein Hochzeitspaar aus München – die von der Klägerin geführte Gaststätte auf Sylt für ihre Hochzeitsfeier gebucht. Die Feier fand Ende Juni 2022 statt. Allerdings zeigten sich beim Brautvater am Tag der Feier Erkältungssymptome, worauf hin sich dieser positiv auf Corona getestet hatte. Weil allen Gästen klar war, wie wichtig dem Brautvater die Teilnahme an den Feierlichkeiten war, sollte sich dieser außerhalb des Restaurants in einem Bereich aufhalten dürfen, der an den Feierraum angrenzte und über Fenster einzusehen war.
Allerdings forderten die Geschäftsführer der klagenden Gaststätte von dem Hochzeitspaar, dass sich wegen des positiven Corona-Tests des Brautvaters auch alle übrigen Gäste vor dem Einlass in den Innenbereich des Lokals auf Corona testen müssen. Das Brautpaar akzeptierte diese Forderung letztlich nur, um die Feier nicht abbrechen zu müssen.
Brautpaar: Corona-Tests überflüssig
Aufgrund der Tests verzögerte sich der Beginn des Abendessens von 19.30 Uhr auf etwa 21.30 Uhr und die Feier fand deutlich länger als geplant im Außenbereich des Restaurants statt – und zwar ohne Sitzgelegenheiten und ohne Abendessen. Zudem führte die Testung aller Gäste zu erheblichen Spannungen, weil die meisten Gäste die Tests als nicht notwendig und daher als aufgenötigt ansahen.
Auch nach Auffassung der Brautleute war das Verlangen der Tests vertragswidrig und willkürlich. Hierdurch verlängerte sich nicht nur der Stehempfang. Vielmehr hätte die Klägerin die Verzögerung ausgenutzt, um den Gästen ausschließlich Champagner anzubieten, so die Beklagten weiter. Hierbei wären arglistig auch halb volle Champagner-Gläser aufgefüllt worden, um den Umsatz aus der Feier zu steigern.
Schließlich hätte das Brautpaar außer den Test lediglich noch die Option gehabt, die Veranstaltung komplett abzusagen. Daher zogen die Beklagten rund 20 Prozent vom Rechnungsbetrag ab.
Gastwirt: Hochzeitsfeier ohne Tests wäre Super-Spreader-Event
Demgegenüber verlangten die Geschäftsführer der Gaststätte den vollen Preis und klagten diesen ein. Nach ihrer Auffassung hätte es sich ohne die Testungen um ein Super-Spreader-Event gehandelt.
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AG München: Keine rechtliche Grundlage für Forderung von Corona-Tests
Das AG München verurteilte die Beklagten nur zur Zahlung eines noch ausstehenden Teilbetrages von 810,50 EUR und wies die Klage im Übrigen ab. Die maßgeblichen Erwägungen des Gerichts:
Keine gesetzliche Test- oder Isolationspflicht
Das AG München sah in den Tests eine erhebliche und nicht mehr zu rechtfertigende Störung, für die es keine gesetzliche Grundlage gab – und zwar weder aus dem Aspekt des Besuchs einer Gaststätte noch unter dem Aspekt der Teilnahme an einer Veranstaltung.
Zudem waren Kontaktpersonen von infizierten Personen nach damaliger Rechtslage nicht mehr zur Isolation oder zur Testung verpflichtet, so das Gericht weiter.
Keine vertragliche Grundlage für Coronatests
Auch vertraglich hatte die Klägerin kein Recht, ihre Leistung von negativen Coronatests abhängig zu machen. Zwar war auch die Klägerin scheinbar an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Nach Auffassung des Gerichts wurde dies aber durch die Drohung der Klägerin, die Feier platzen zu lassen, widerlegt, was schließlich zum Nachgeben des Brautpaares führte.
Kein Testanspruch aus dem Aspekt der Störung der Geschäftsgrundlage
Ebenso wenig war das Ansinnen der Klägerin nach Gerichtsauffassung aus dem Aspekt der Störung der Geschäftsgrundlage gerechtfertigt. Dies begründete das Gericht im Wesentlichen wie folgt:
- Keine nachträglich schwerwiegend veränderten Umstände: Es zeigten sich nach Vertragsschluss keine schwerwiegend veränderten Umstände. So sah das Gericht Corona als Erkrankung an, mit deren weiterer Verbreitung die Vertragsparteien auch Anfang 2022 rechnen mussten. Damit lag kein unvorhergesehener Gesichtspunkt mehr vor, der den Vertrag in seiner Grundsubstanz erschüttern könnte.
- Corona-Risiko hätte ggf. vertraglich geregelt werden können: Also hätten die Parteien das Risiko einer Ansteckung und die hieraus resultierenden Begleitumstände vertraglich regeln können, wenn nur eine Seite diesen Aspekt als entscheidend angesehen hätte.
Erhebliche Störung der Feier
Die Forderung von Testungen störte die Hochzeitsfeier – wie oben bereits betont – erheblich. Schon der verzögerte Ablauf ging weit über eine bloße Unannehmlichkeit hinaus, weil der Rhythmus einer Hochzeitsfeier im Regelfall auf übliche Essenszeiten und normale Bedürfnisse wie Hunger ausgerichtet ist, führte das AG München abschließend aus.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle: PM des AG München vom 11.04.2023 zum Urteil vom 23.02.2023 – 132 C 12148/22
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(ESV/bp)