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Auch bei Kaffeefahrten fährt die Steuer mit (Photo: Oleksandr / Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung des BFH

Anwendung der Margenbesteuerung bei sog. Kaffeefahrten

ESV-Redaktion Steuern
09.10.2024
Aufgrund einer Vorlage des BFH muss sich der EuGH mit dem Anwendungsbereich der Margenbesteuerung auf Reiseleistungen befassen – und das bei einem Sachverhalt, der bereits mehr als 25 Jahre zurückliegt.

Busfahrt mit Verkaufsveranstaltung

Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die in den Streitjahren 1997 bis 1999 Ausflugsfahrten mit dem Ziel veranstaltete, den Absatz der von ihr angebotenen Waren zu fördern. Bei diesen, häufig als "Kaffeefahrten" bezeichneten Ausflugsfahrten wurden die Teilnehmer mit Bussen abgeholt und zu touristisch interessanten Zielen befördert. Im Zuge dessen führte die Klägerin Verkaufsveranstaltungen außerhalb ihrer Geschäftsräume durch, bei denen sie den Ausflugsteilnehmern Waren anbot, die diese wiederum gegen gesondertes Entgelt von der Klägerin erwerben konnten.

Zur Beförderung der Teilnehmer bediente sich die Klägerin verschiedener Busunternehmen, wobei die von den Busunternehmen der Klägerin in Rechnung gestellten Buskosten die eingenommenen Fahrtgelder der Ausflugsteilnehmer überstiegen. So betrug z.B. die Kostendeckungsquote im Streitjahr 1999 ca. 60 %. Verpflegung war für die Teilnehmer der Ausflugsfahrten ohne weitere Berechnung beinhaltet, auch konnten diese an dem angebotenen touristischen Programm teilnehmen. Diese Leistungen bezog die Klägerin teilweise ebenfalls von anderen Steuerpflichtigen. Hinsichtlich dieser Kosten hat das Finanzamt den Vorsteuerabzug, soweit geltend gemacht, nicht beanstandet.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das Finanzamt geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die Fahrtgelder in der erklärten Höhe der Umsatzsteuer unterworfen wurden. Gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte ohne Erfolg den vollen Vorsteuerabzug aus den Buskosten.

Die hiergegen eingelegte Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts wurde auf die Revision der Klägerin vom Bundesfinanzhof aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Während des zweiten Rechtsgangs erließ das Finanzamt im Verfahren vor dem Finanzgericht geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, die nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens wurden und in denen es den begehrten Vorsteuerabzug an den Buskosten insoweit gewährte, als diese Beträge mit unentgeltlichen Ausflugsfahrten im Zusammenhang standen.

In seinem Urteil im zweiten Rechtsgang wies das Finanzgericht die Klage sodann als unbegründet zurück. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.

Negative Marge?

Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH am 20. Juni 2024 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Handelt es sich bei einem von einem "Gewerbetreibenden außerhalb von dessen Geschäftsräumen organisierten Ausflug" im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Spiegelstrich 1 der Richtlinie 85/577/EWG um "bei Durchführung einer Reise vom Reisebüro erbrachte Umsätze" im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG?

2. Falls ja: Ist die Sonderregelung für Reisebüros nach Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG auch dann anzuwenden, wenn die nach Art. 26 Abs. 2 Satz 3 der Richtlinie 77/388/EWG als Besteuerungsgrundlage geltende Marge negativ ist, weil die tatsächlichen Kosten den vom Reisenden zu zahlenden "Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer" übersteigen?

3. Falls die erste und die zweite Frage zu bejahen sind: Ist Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG auf die als Besteuerungsgrundlage geltende Marge im Sinne des Art. 26 Abs. 2 Satz 3der Richtlinie 77/388/EWG auch dann anzuwenden, wenn die Marge negativ ist, sodass eine negative Marge zu einer Erstattung an den Steuerpflichtigen führt?

Fraglich ist also, wie die "Kaffeefahrten" einzuordnen sind. Denn zwar wird bei jeder Ausflugsfahrt eine Busfahrt organisiert und durchgeführt wird; diese ist jedoch nur Mittel zum Zweck, eine Verkaufsveranstaltung durchzuführen. Die Busreisen sind isoliert betrachtet auch deswegen defizitär, weil sie durch die geringen Ticketpreis die Kosten gar nicht decken können. Der EuGH muss jetzt das Problem lösen,ob die negative Marge zum Vorsteuerausschluss führt oder ob nicht vielmehr der Grundsatz der Neutralität der Umsatzteuer das Gegenteil gebietet.

Interessant ist, dass der BFH erst im zweiten Rechtsgang Fragen an den EuGH richtet. Der Sachverhalt hat sich bereits in den Jahren 1997-99 abgespielt, die erste Einspruchsentscheidung datiert aus 2014, das erste Urteil des FG aus 2017. Bis zur Entscheidung des EuGH könnten dann fast 30 Jahre seit den streitgegenständlichen Kaffeefahrten vergangen sein - eine lange Kaffeefahrt.

Fundstelle: Beschluss des BFH vom 20. Juni 2024 – V R 30/23

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(ESV/cm)

Programmbereich: Steuerrecht