Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

Brandschutz in Arbeitsstätten (Foto: M. Dietrich)
Arbeits- und Brandschutz

Arbeitsstätten im Bestand

Florian Pillar
05.05.2017
Bauordnungs- und arbeitsschutzrechtliche Anforderungen an den Brandschutz in Arbeitsstätten sollen der Entstehung und Ausbreitung von Feuer und Rauch vorbeugen und die (Selbst-)Rettung von Beschäftigten im Brandfall ermöglichen. Der Arbeitgeber muss bei der Gefährdungsbeurteilung bewerten, ob der Personenschutz nicht nur mit den baulichen Gegebenheiten, sondern auch mit den konkreten anlagentechnischen und betrieblich-organisatorischen Maßnahmen ausreichend gewährleistet ist.
Für Neu- und Umbauten sowie Nutzungsänderungen von baulichen Anlagen stellt das Bauordnungsrecht umfangreiche Anforderungen an den Brandschutz (z.B. mit feuerwiderstandsfähigen Unterteilungen oder Brandmeldeanlagen). Ein zentrales Schutzziel der brandschutztechnischen Grundkonzeption ist, dass im Brandfall Personen sich selbst retten bzw. gerettet werden können und keine gesundheitlichen Schäden erleiden. Die Bewertung und Maßnahmenvorgabe des Gesetzgebers beruht auf Schadenerfahrungen in Anbetracht der nutzungsbedingten Risiken. Arbeitsschutzrechtliche Belange zielen ebenso auf den Personenschutz ab, wobei auch brandschutztechnische Belange im Zuge der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) [1] zu analysieren und zu bewerten sind. Grundlage bildet oftmals u.a. auch das Technische Regelwerk.

Der Personenschutz muss nicht nur bei Neubauten, sondern auch in bestehenden Gebäuden bzw. Arbeitsstätten gewährleistet sein. Der sog. Brandschutznachweis ist lediglich im Zuge bauordnungsrechtlicher Planungen und Genehmigungen von Arbeitsstätten und damit nur unregelmäßig, mit teils großen Zeitabständen erforderlich. Die Gefährdungsbeurteilung dient dagegen der laufenden Bewertung der Arbeitsbedingungen zur Bemessung von Schutzmaßnahmen. Die Bewertung der Rahmenbedingungen von Tätigkeiten umfasst auch die baulichen Gegebenheiten der Arbeitsstätte. Die Gesetzgebungskompetenz für arbeitsschutzrechtliche Anforderungen liegt auf Bundesebene, das Bauordnungsrecht unterliegt dagegen der Landesgesetzgebung.

Bezogen auf Arbeitsstätten zielen die beiden unterschiedlichen Rechtsbereiche u.a. auf die Vermeidung von Personenschäden ab. Dabei werden in Anbetracht der Nutzung im Bauordnungsrecht bzw. der geplanten Tätigkeiten im Arbeitsschutzrecht teilweise ähnliche Maßnahmen reglementiert und erforderlich, die aufeinander abgestimmt sein sollten. Es empfiehlt sich daher, für den jeweiligen Einzelfall die unterschiedlichen Maßnahmenkonzeptionen abzugleichen und aufeinander abzustimmen.

Bauordnungsrecht: Genehmigung und Bestandsschutz

Neu- oder Umbauten sowie Nutzungsänderungen (z. B. Umnutzung ehemaliger Lagerflächen zu Produktionszwecken) von baulichen Anlagen und damit auch von Arbeitsstätten müssen so erfolgen, dass die bauordnungsrechtlichen Schutzziele der Vermeidung der Brandentstehung und der Ausbreitung von Feuer und Rauch, der Selbst- oder Fremdrettung sowie der Möglichkeit wirksamer Löschmaßnahmen durch die Feuerwehr sichergestellt sind (vgl. z.B. § 14 MBO [2]). Der Erreichungsgrad der Schutzziele ist politisch mit den bauordnungsrechtlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung der nutzungstypischen Risiken festgelegt, die konkretisierenden Anforderungen beruhen auf Schadenerfahrungen.

Gebäude (-planungen) müssen bauordnungsrechtlich genehmigt werden. Der sog. Brandschutznachweis stellt die vorgesehene Gebäudesituation den Anforderungen von landesspezifischen Bauordnungen (1) und ggf. Sonderbauvorschriften (bspw. der Muster-Industriebau-Richtlinie (2) (MIndBauRL) [3]) gegenüber. Die Gebäudeplanung muss die Bestimmungen der Rechtsvorschriften erfüllen, die in den sog. materiellen Anforderungen erhoben werden: Diese Vorschriften umfassen neben baulich-konstruktiven Anforderungen (z.B. Gebäudetragwerk, Unterteilung in Brandabschnitte, Abtrennung besonderer Räume) auch anlagentechnische und betrieblich-organisatorische (Brandschutz-) Maßnahmen (z.B. Brandmelde- und Sprinkleranlage bzw. Brandschutzordnung und -beauftragte) sowie eine ausreichende Zugänglichkeit und Löschwasserversorgung für die Feuerwehr. Die wesentlichen materiellen Anforderungen sind auf die Schutzzielerfüllung im Brandfall ausgerichtet.

Ist die Einhaltung der Anforderungen nicht möglich oder eine andere Ausführung beabsichtigt (z.B. aufgrund von betriebsorganistorischen Abläufen), können Abweichungsanträge einschließlich sog. Kompensationsmaßnahmen der Genehmigungsbehörde vorgelegt werden, solange die Schutzziele erfüllt sind. Ein Rechtsanspruch auf die Genehmigung von diesen Abweichungen besteht nicht. Für bestehende Gebäude muss für Nutzungsänderungen oder strukturelle Anpassungen auch die vorhandene bauliche Situation gewürdigt werden, denn nicht immer sind umfangreiche Ertüchtigungsmaßnahmen auch konstruktiv möglich (z.B. bei Holzbalkendecken). Der Stand der (Bau-) Technik bildet gerade bei Baumaßnahmen im Bestand die Grundlage schutzzielorientierter Bewertungen, um bei Abweichungen von gesetzlichen Anforderungen zu einer schutzzielorientiert gleichwertigen Lösung zu kommen.

Während des Genehmigungsverfahrens erfolgt bei Sonderbauten, wie z. B. Industriebauten und Verkaufsstätten, eine bauaufsichtliche  Prüfung. Der genehmigte Brandschutznachweis  bemisst die bauliche Gestaltung der Arbeitsstätte – neben statischen und raumabschließenden  Feuerwiderstandsdauern von Bauteilen auch die  Sicherstellung von Rettungswegen. Für betrieblich-organisatorische Maßnahmen wird i. d. R. nur die Erforderlichkeit, jedoch kein konkreter Inhalt  festgelegt (z. B. Teile der Brandschutzordnung  nach DIN 14 096 [4]). Die Baugenehmigung samt  Bestätigung der ordnungsgemäßen Ausführung  stellt die rechtlich verbindliche, aber auch bestandssichernde Maßnahmenkonzeption ein - schließlich von Abweichungen und Kompensationsmaßnahmen dar. 

I.d.R. folgt aus der Überarbeitung von Rechtsvorschriften keine bauliche Anpassung: Gebäude, die auf Grundlage einer gültigen Baugenehmigung ordnungsgemäß errichtet sind, genießen sog. Bestandsschutz. Dieses Grundprinzip der Landesbauordnungen gewährleistet, dass ein Gebäude nicht durch die regelmäßigen Änderungen der Baugesetzgebung neu bewertet und angepasst werden muss. Auch besteht die Möglichkeit, dass bei genehmigungsrelevanten Änderungen einzelner Gebäudebereiche nur Anpassungen in diesen Teilen notwendig werden. Hiervon ausgenommen sind Anpassungsverlangen, wenn dies aufgrund von "erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig" ist (vgl. z.B. Art. 54 (4) (3) der Bayerischen Bauordnung (BayBO) [5]) oder wenn neue Vorschriften Anforderungen an die Umsetzung für Bestandsgebäude explizit aufführen. Der Bauherr bzw. Betreiber ist jedoch verpflichtet, die genehmigte Situation nicht unzulässig zu ändern (z.B. durch Nutzungsänderungen) und den Bauzustand einschließlich der sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen (z.B. Brandmeldeanlage) instand, betriebssicher und wirksam zu halten. Bei Änderungen dieser Anlagen und Einrichtungen wird auf den jeweiligen Stand der Technik hingewiesen, die alleinige Anpassung bzw. Modernisierung führt jedoch nicht unmittelbar zu einer erneuten genehmigungsrechtlichen Betrachtung (4).

Arbeitsschutzrecht: Gefährdungsbeurteilung und Brandschutzplanung

Mit der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG [1] ist der Arbeitgeber bzw. Betreiber einer Arbeitsstätte verpflichtet, die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu analysieren, zu bewerten und Maßnahmen festzulegen, um den Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Dies gilt sowohl für den Regelbetrieb als auch für Gefährdungen durch Feuer und Rauch im Brandfall.

Oftmals sind Sicherheitsingenieure bzw. Fachkräfte für Arbeitssicherheit jedoch nicht unmittelbar an der Gebäudeplanung von Neubauten oder Umbaumaßnahmen beteiligt. Während die Rahmenbedingungen der Arbeitsstätte dadurch i.d.R. mit der baulichen Situation und der bauordnungsrechtlichen Genehmigung in weiten Teilen vorgegeben ist oder mit technischen bzw. organisatorischen Schutzmaßnahmen additiv angepasst bzw. verbessert werden muss (bspw. mit Kleinlöschanlagen), richtet die Gefährdungsbeurteilung den Fokus auf die tätigkeitsbezogene Maßnahmenkonzeption. Hierbei gilt es, vor der Aufnahme der Tätigkeit, bei wesentlichen Änderungen oder bei besonderen Anlässen (z.B. nach (Beinahe-) Unfällen) konkrete Gefährdungen zu ermitteln und Maßnahmen auf Basis der rechtlichen Grundlagen und des Stands der Technik zu ergreifen.

Der Gesetzgebungsstruktur im Arbeitsschutz liegt die Rechtsverbindlichkeit des ArbSchG sowie der gemäß § 24 ArbSchG erlassenen Verordnungen zugrunde (z.B. Arbeitsstätten-, Betriebssicherheits- oder Gefahrstoff-Verordnung [7,8,9]). Bei Einhaltung von Anforderungen aus dem untergesetzlichen Technischen Regelwerk (z.B. Technische Regeln für Arbeitsstätten - ASR) darf der Arbeitgeber mit der sog. "Vermutungswirkung" davon ausgehen, dass die Anforderungen des ArbSchG und der entsprechenden Verordnung eingehalten ist. Legt die Gefährdungsbeurteilung andere Maßnahmen fest, die ein gleichwertiges Sicherheitsniveau gewährleisten, ist eine Umsetzung ohne behördliche Genehmigung zulässig. Dies gilt allerdings nicht für konkrete Anforderungen, die bereits auf Verordnungebene (bspw. ArbStättV bzw. deren Anhänge) [7] definiert sind: In diesen Fällen ist z.B. für den Regelungsbereich der ArbStättV auf Antrag die Erteilung einer Abweichung nötig.

Im Gegensatz zum Bauordnungsrecht kennt der Arbeitsschutz nach derzeitiger Rechtslage keine Regelungen zum Bestandsschutz. Grundsätzlich muss den rechtsverbindlichen Schutzzielen sowie den teilweise konkreten Anforderungen von Verordnungen entsprochen sein bzw. bei Abweichungen von Bestimmungen einer Rechtsverordnung nach ArbSchG eine rechtssichere Situation über Abweichungsanträge geschaffen werden. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber bei Änderungen im Arbeitsschutzgesetz und den untergeordneten Verordnungen die Gefährdungsbeurteilung zu betroffenen Tätigkeiten zu kontrollieren und ggf. zu wiederholen sowie u.U. Maßnahmen anzupassen hat. Dabei gilt es auch zu berücksichtigen, dass Schutzmaßnahmen dem sog. Stand der Technik entsprechen müssen. Die Technischen Regeln gelten zum Zeitpunkt ihrer Einführung als Stand der Technik und erwirken bei Änderungen daher ebenso, dass der Arbeitgeber tätig werden muss. Im Hinblick auf das mögliche Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, dass den Schutzzielen auch auf andere Weise als in den Technischen Regeln beschrieben entsprochen ist, ergibt sich aus deren Änderungen nicht zwangsläufig die Notwendigkeit zur Änderung der Gestaltungsmaßnahmen.

Brandschutzmaßnahmen im Arbeitsschutzrecht

Im Hinblick auf die geplanten Tätigkeiten, die Arbeitsbedingungen und bspw. auch die  Arbeits- und Betriebsmittel muss das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ein einzelfallbezogenes, angepasstes Maßnahmenkonzept vorlegen. Der Schadenfall "Brand" ist Teil der Konzeption, die die Vermeidung anstreben sollte. Der Umfang der Brandschutzmaßnahmen hängt dabei von der Art der Tätigkeit ab: Bereits die Führung von Rettungswegen und die Berücksichtigung des Verhaltens im Brandfall bei der Unterweisung von Beschäftigten ist dem Themenfeld "Brandschutzmaßnahmen" zuzurechnen. Besonders den in Brandschutznachweisen oftmals nur "als erforderlich", rudimentär geforderten betrieblich-organisatorischen Brandschutz gilt es im Zuge der Gefährdungsbeurteilung weiter zu konkretisieren. Hierzu zählen bspw. die Erarbeitung von Betriebsvorschriften einschließlich einer Brandschutzordnung, die Unterweisung der Mitarbeiter zum Verhalten im Brandfall oder zum Umgang mit Feuerlöschern sowie die Ernennung eines Brandschutzbeauftragten oder von Brandschutzhelfern. Auch die Bemessung der Ausstattung der Arbeitsstätte mit einer ausreichenden Anzahl an Feuerlöschern (5) kann mit der Gefährdungsbeurteilung erfolgen.

Für "brandgefährliche" Tätigkeiten und Arbeitsmittel bzw -stoffe legen insbesondere Arbeitsstätten- und Gefahrstoffrecht in Verbindung mit den jeweiligen Technischen Regelwerken einen erhöhten Maßnahmenbedarf fest, der bis hin zur Forderung spezieller Rettungsweglängen, zur Anordnung von Bauteilen mit klassifiziertem Feuerwiderstand oder zur Ausstattung von Arbeitsstätten mit Brandmelde- und Feuerlöschanlagen reicht. Mit diesen besonderen Maßnahmen entsteht eine Schnittstelle zum Bauordnungsrecht, da diese Maßnahmen bereits aufgrund der generellen Nutzung und den baulichen Rahmenbedingungen (bspw. großflächige Industriegebäude) oder als Kompensationsmaßnahme erforderlich sein können. Ggf. bedarf die Umsetzung der Maßnahme aber auch einer Genehmigung (6) (z.B. Eingriffe in die Standsicherheit des Gebäudes für zur Errichtung feuerwiderstandsfähiger Bauteile).

Erforderliche Abstimmung brandschutztechnischer Maßnahmen

Das ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung bei verschiedenen Anlässen durchzuführen. Da selbst bei bestehenden Arbeitsstätten häufig Änderungen an den Arbeitsbedingungen und der naturgemäße Wandel von Tätigkeitsparametern (z.B. technologische oder logistische Neuerungen und Umbauten) die Notwendigkeit einer Gefährdungsbeurteilung auslösen, wird diese zumeist - auch bei Erst-Beurteilungen - in bestehenden Arbeitsstätten durchgeführt. Besondere Maßnahmen bei "brandgefährlichen" Tätigkeiten, die über die üblichen betrieblich-organisatorischen Maßnahmen oder bspw. auch die Mindest-Bemessung von Rettungswegen hinausgehen, müssen daher regelmäßig in die bereits vorhandene, bauordnungsrechtlich genehmigte Situation eingebracht werden. Eine Ergänzung umfangreicher Maßnahmen kann daher zu einem hohen Aufwand mit großem Investitionensbedarf führen.

Aus dem bauordnungsrechtlichen Bestandsschutz einer Arbeitsstätte folgt für die Planung der Fachkraft für Arbeitssicherheit, dass zunächst (baulich-konstruktive) Planungssicherheit herrscht und (erst) genehmigungspflichtige Maßnahmen die Möglichkeit zum Eingriff in diese Situation bieten (bspw. Forderung für den Betriebsablauf unerwünschter Abtrennungen). Dies bedeutet aber auch, dass im Zuge der Baugenehmigung weitere behördliche Auflagen erhoben werden können. Die Abstimmung zwischen der (bauordnungsrechtlich relevanten) Arbeitsstätten-Planung von baulichen Maßnahmen durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem ggf. beauftragten Brandschutznachweisersteller ist daher aus verschiedenen Anlässen ratsam, ggf. sogar unerlässlich:

Formal stellen Bauordnungs- und Arbeitsschutzrecht zwei voneinander getrennte Rechtsbereiche mit unterschiedlichem Fokus dar, so dass auch der verschiedenartige Umgang mit Änderungen der Anforderungslage nachvollziehbar ist und unproblematisch sein sollte. Während die brandschutztechnische Baugestaltung den Rahmen von Arbeitsstätten, bezogen auf Nutzungsarten des Gebäudes, vorgibt (z.B. Produktionsgebäude, Verkaufsstätten, Büronutzung), müssen in der Gefährdungsbeurteilung die besonderen Bedingungen aus der Art der Tätigkeit berücksichtigt sein: Die Nutzungsart gestattet die Ausrichtung der Tätigkeiten, die Tätigkeit muss in ihrer Art für die bauliche Situation geeignet und für die Beschäftigten sicher sein. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei der Gebäudeplanung und -genehmigung mögliche tätigkeitsbezogene Gefährdungen (auch ggf. nicht brandschutztechnischer Art, z.B. durch Lagerung von Gefahrstoffen) bekannt und einbezogen werden sollten. Gebäude bzw. Arbeitsstätte und Tätigkeit müssen zusammenpassen und erfordern eine ganzheitliche Betrachtung.

Die ganzheitliche (brandschutztechnische) Betrachtung stellt die Beteiligten (Bauherr, Architekt, Fachplaner Brandschutz, Fachkraft für Arbeitssicherheit bzw. Sicherheitsingenieur) bereits bei Neubauten von Arbeitsstätten vor teils erhebliche Herausforderungen und Notwendigkeiten der Vor-Abstimmung: Wo sind bspw. bauliche Abtrennungen erforderlich? Werden Brandmelde- oder Sprinkleranlagen benötigt? Und welche Tätigkeiten und Lagerumfänge sind dem Arbeitgeber heute und zukünftig per Baugenehmigung gestattet?

Die erforderliche Bekanntheit und einvernehmliche Abstimmung von Bedürfnissen ist offensichtlich. Bei Neubauten sollte die Fachkraft für Arbeitssicherheit bzw. der Sicherheitsingenieur daher möglichst frühzeitg an der Planung beteiligt werden, um nicht nur die aktuellen Vorstellungen des Bauherrn bzw. späteren Arbeitgebers zur Nutzung eines Gebäudes zu berücksichtigen, sondern auch für zukünftige Änderungen der Arbeitsbedingungen die erforderlichen Optionen zu eröffnen. Dies ist gerade dann geboten, wenn "brandgefährliche" Tätigkeiten ggf. erst zukünftig durchgeführt werden sollen oder eine Entwicklung von bspw. Gefahrstofflägern absehbar ist. So kann die Vorbereitung oder frühzeitige Ausstattung eines Gebäudes mit den nötigen Anlagen (oder zumindest Leitungsanlagen und -durchführungen etc.) oder die Anordnung von Trennwänden zunächst bei der Errichtung zwar erhöhte Kosten verursachen - die Kosten für eine nachträgliche Installation nach einer nur kurzen Nutzungszeit liegen in aller Regel jedoch um ein Vielfaches höher. Auch hier gilt: eine nachträgliche Ausstattung oder Änderung kann die bauordnungsrechtliche Genehmigungsfrage neu aufwerfen. Dies ergibt sich auch bei Revitalisierung eines Bestandsgebäudes nach den Vorstellungen des zukünftigen Arbeitgebers, wenn dies mit Bauarbeiten einhergeht (z.B. neue Unterteilung von Büro- und Lagerbereichen).

Für die Gefährdungsbeurteilung von Tätigkeiten bei unverändertem Baubestand oder die Anpassung von Maßnahmen infolge veränderter Tätigkeitsbedingungen muss der Brandschutznachweis bzw. der Nachweisersteller für die Fachkraft für Arbeitssicherheit wichtige Informationsquelle zu den vorhandenen Rahmenbedingungen sein: Fragen wie "Welche baulichen Unterteilungen sind für eine Nutzung als Lagerabschnitte vorhanden?", "Ist der Rückbau einer Sprinkleranlage in elektrotechnischen Bereichen möglich oder muss eine Feuerlöschanlage aufgrund der Baugenehmigung vorgehalten werden?" oder "Stimmen die als Maximum berücksichtigten Rettungsweglängen überein?" können sich bei Änderungen stellen. In umgekehrter Richtung und aus ähnlichen Gründen sollte auch der Brandschutznachweisersteller über die geplante Nutzung in Kenntnis sein: "Wo sind Arbeitsplätze und Aufenthaltsräume geplant?", "Mit welcher Höhe soll eine Lagerung in ggf. begehbaren Regalen erfolgen?" oder "Wo sollen Stoffe mit Wassergefährdungsklassen gelagert werden?" wirken sich z.T. unmittelbar auf die Planungen aus. 

Letztlich ist der Brandschutznachweisersteller aber auch Anlaufpunkt bei Fragen zur Umsetzung besonderer Brandschutzmaßnahmen, da die Planung auch das Know-How über verschiedene schutzzielorientierte Detaillösungen umfasst, die der Dokumentation von Abweichungen von den Technischen Regeln durch die Gefährdungsbeurteilung dienen. Weitere Fachplaner (z.B. zu Brandmeldeanlagen) können ebenfalls wichtige Planungsdetails vermitteln, die sich aus der bauordnungsrechtlichen Brandschutzkonzeption ergeben. Hier gibt der Brandschutznachweisersteller ebenfalls den übergeordneten Rahmen vor.

Spannungsfelder durch Anforderungsdetails

Das Bauordnungsrecht und das Arbeitsschutzrecht beschreiten bei der Anwendung von Änderungen von rechtsverbindlichen Anforderungen auf bestehende Arbeitsstätten unterschiedliche Wege: während bauliche Gegebenheiten nach der bauordnungsrechtlichen Genehmigung erst bei Änderungen des Gebäudes und damit auf Veranlassung des Bauherrn (7) neu zu bewerten sind, müssen arbeitsschutzrechtliche Anforderungen fortlaufend berücksichtigt und bei der Gefährdungsbeurteilung betrachtet werden. Dieser Unterschied ist dahingehend nachvollziehbar, dass durch die bauliche Situation (Bauordnungsrecht) pauschale Regelungen umzusetzen sind, die tätigkeitsspezifisch konkretisiert werden müssen (Arbeitsschutzrecht). Außerdem unterliegen Tätigkeiten und Arbeitsprozesse schon alleine aus Innovationsgründen einem deutlich schnelleren Wandel, der fortlaufend Anpassungen der Maßnahmenkonzeption erfordert. Konstruktionsmöglichkeiten und baupraktische Notwendigkeiten beruhen dagegen auf jahrzehntelangen Erfahrungen. Mit der Gefährdungsbeurteilung wird dem Arbeitgeber ein Mittel zur Verfügung gestellt, um schutzzielorientiert Maßnahmen festzulegen. Mit den Technischen Regelwerken bestehen umfangreiche Orientierungshilfen.

Die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen beschränken sich jedoch nicht alleine auf betriebliche Anforderungen, sondern sehen teilweise auch konkrete Eingriffe in die Gebäudestruktur vor. Hieraus entstehen Unstimmigkeiten der Anforderungen, die problematisch werden können, sofern dem Arbeitgeber nicht in der Gefährdungsbeurteilung die Möglichkeit zur Abwägung zur Verfügung steht. Ein Beispiel: Die Aufschlagrichtung von Türen in Rettungswegen wird bauordnungsrechtlich nur für Nutzungen als Verkaufs- oder Versammlungsstätten sowie teilweise in größeren Garagen und in Hochhäusern reglementiert, wo dies aufgrund von ggf. großen Personenzahlen im Brandfall ohne Ortskenntnisse durch den Gesetzgeber, d.h. die verschiedenen Bundesländer, als notwendig erachtet wird. Gemäß ArbStättV müssen Türen in Fluchtwegen von Arbeitsstätten dagegen in Fluchtrichtung aufschlagen, eine Abweichung hiervon ist nur mit entsprechender Genehmigung möglich. D.h, dass in diesem Fall der Gesetzgeber "Bund" die Gefährdungssituation signifikant anders bewertet. Bleibt die Genehmigung aus, ist der Arbeitgeber - unabhängig von der Größe und den Tätigkeiten der Arbeitsstätte von Kleinst-Büroeinheiten bis bspw. hin zu Industriebauten - verpflichtet, auch im Bestand Türen auszutauschen (vgl. Urteil [11] (8).

Fazit

Die bauliche Gestaltung von Arbeitsstätten aus den Perspektiven des Bauordnungsrechts und des Arbeitsschutzes muss stimmig aufeinander aufbauen. Da sich die konkreten Tätigkeiten in Arbeitsstätten bei gleichbleibender Nutzung naturgemäß ändern können, sollte im Zuge der Baugenehmigung eine bauliche Situation geschaffen werden, die eine flexible Arbeitsstätten- und Arbeitsplatzgestaltung ermöglicht. Im Zuge der Gefährdungsbeurteilung sollten dann einzelfallbezogene Maßnahmen ermittelt werden, die maßgeblich auf die Reduzierung der Brandentstehung, Anlagentechnik und betrieblich-organisatorische Konzepte abzielen. Dies erscheint bei Neubauten bereits teilweise schwierig, bei Umnutzungen im Bestand sind die Möglichkeiten hierzu noch weiter beschränkt. Nach Auffassung des Verfassers wird diese Problematik weiter verschärft, wenn sich aus beiden Rechtsbereichen Anforderungen an gleiche Details ergeben, die nicht gleichlauten. Hier wird der Gesetzgeber in der Pflicht gesehen, die Abstimmung der Rechtsbereiche mit einer einheitlichen Risikobewertung bei rechtsverbindlichen Anforderungen weiter voranzubringen.

 

Verweise

(1) Beispielhaft wird auf die Regelungen der Muster-Bauordnung (MBO) [2] Bezug genommen, die die (Diskussions-) Grundlage der bestehenden bzw. im Zuge von Änderungen geplanten Bauordnungen der einzelnen Bundesländer ist.
(2) Anwendungsbereich: Gebäude oder Gebäudeteile im Bereich der Industrie und des Gewerbes, die der Produktion oder Lagerung von Produkten und Gütern dienen.
(3) Dies ist bspw. der Fall, wenn statt von erforderlichen zwei Rettungswegen lediglich ein Rettungsweg vorhanden ist und dieser mit Mängel behaftet ist, die wahrscheinlich zu einem frühzeitigen Versagen des Rettungsweges führen [6].
(4) vgl. § 61 MBO "Verfahrensfreie Bauvorhaben, Beseitigung von Anlagen" [2].
(5) z.B. gemäß den "Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A2.2 - Maßnahmen gegen Brände" [10].
(6) Einer besonderen Genehmigung einschließlich einer bauordnungsrechtlichen Betrachtung bedarf es der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen etc. im Anwendungsbereich des Bundes-Immissionsschutz-Gesetzes. Dieser Fall wird an dieser Stelle nicht weiter betrachtet.
(7) Ausnahme: Vorliegen einer konkreten Gefahr für Leben oder Gesundheit.
(8) Dem Autor ist kein Schadensfall bekannt, bei dem in derartigen Nutzungseinheiten durch die Aufschlagrichtung von Türen die Ursache für Personenschäden zu begründen ist. Vielmehr ist gerade für Arbeitsstätten - solange kein erhöhter Personenverkehr Ortsunkundiger besteht - davon auszugehen, dass eine schnelle Räumung ohne Personenschäden erfolgt.

Literatur

[1] Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigen bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG). Fassung August 2006 (zuletzt geändert: August 2015), in Bundesgesetzblatt I, 2015, S. 1474
[2] Musterbauordnung – MBO, Fassung November 2012 (zuletzt geändert: 21.09.2012), Bauministerkonferenz (Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständige Minister und Senatoren der Länder – ARGEBAU); http:\\www.is-argebau.de
[3] Muster-Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau (Muster-Industriebau-Richtlinie – MIndBauRL), Stand Juli 2014, Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz; http:\\www.is-argebau.de
[4] DIN 14 096 “Brandschutzordnung – Regeln für das Erstellen und das Aufhängen”. DIN Deutsches Institut für Normung e.V.; Mai 2014, Berlin
[5] Bayerische Bauordnung (BayBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. August 2007 (zuletzt geändert: 09. Mai 2016), in Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 89
[6] Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, München: Schreiben Nr. IIB7-4112.420-013/11 vom 25.07.2011
[7] Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV), Fassung August 2004 (zuletzt geändert: Dezember 2016), Bundesgesetzplatt I, S. 2681)
[8] Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV), Fassung Februar 2015 (zuletzt geändert: November 2016), Bundesgesetzblatt I, S. 2549
[9] Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV). Fassung November 2010 (zuletzt geändert: November 2016), Bundesgesetzblatt I, S. 2549
[10] Technische Regeln für Arbeitsstätten ASR A2.2 “Maßnahmen gegen Brände”, Ausgabe: November 2012 (geändert durch GMBl 2014, S. 286); http:\\www.baua.de
[11] Urteil Aktenzeichen 9 K 1985/15, Verwaltungsgericht Münster, 2016

 
Der Autor
Dr.-Ing. Florian Pillar ist Projektingenieur bei Rassek & Partner Brandschutzingenieure in Wuppertal.  

Weitere Literaturempfehlungen zum Thema im Erich Schmidt Verlag

Dr. Kurt Kreizberg
Barrierefreie Arbeitsstätten
Technische Regeln für Arbeitsstätten mit Anhängen zur Barrierefreiheit

Im Arbeitsschutzrecht bildet die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR V3a.2 „Maßnahmen zur barrierefreien Gestaltung von Arbeitsstätten“ das Drehkreuz und den Ausgangspunkt für vielfältige Regelungen zur Barrierefreiheit in den anderen (vorerst) 17 ASRen.

Dieses Buch bereitet die nicht immer in „Leichter Sprache“ geschriebenen Regeln barrierefrei auf, erläutert diese verständlich und zeichnet ihre Verbindungslinien nach. Der Nutzer soll so einen verlässlichen und praxisgerechten Überblick in einem in Zukunft noch stetig wachsenden Teilbereich des Arbeitsschutzrechts erlangen.

Neuerscheinung Mai 2017


Arbeitsstätten
Arbeitsstättenverordnung und Unfallverhütungsvorschriften Ergänzbarer Kommentar nebst Vorschriften, Texten und Arbeitshilfen

Loseblattwerk

Die Arbeitsstättenverordnung dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten beim Einrichten und Betrieben von Arbeitsstätten. Sie gilt für alle Arbeitsstätten in Industrie, Handwerk und Handel und gehört zu den zentralen Arbeitsschutzvorschriften.

Der Kommentar "Arbeitsstätten" unterstützt Sie beim Bereitstellen z. B. von allgemeinen Arbeitsräumen, Sanitärräumen, Unterkünften oder Erste-Hilfe-Räumen. Es erläutert Ihnenwie eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen ist,
welche Verkehrswege zu benutzen sind
und regelt Wesentliches zu den Arbeitsbedingungen.
Einerseits haben die Betriebe Spielraum bei der Gestaltung der Arbeitswelt, andererseits müssen weiterreichende Vorschriften und sogar Gerichtsurteile, Normen und Vereinbarungen mit Sozialpartnern berücksichtigt werden. Hier bietet Ihnen der Kommentar „Arbeitsstätten“ stets schnell und komfortabel konkrete Hilfestellungen. Das Werk enthält dazu auch die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), die berufsgenossenschaftlichen und DGUV Vorschriften sowie deren Erläuterungen.

Alle Inhalte im Überblick:

Vorschriften, Texte und Arbeitshilfen hinsichtlich Arbeitsschutz:Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) nebst Kommentierung
  • Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR)
  • Berufsgenossenschaftliche Vorschriften (BGV)
  • Berufsgenossenschaftliche Regeln (BGR)
  • Berufsgenossenschaftliche Informationen (BGI)
  • Unfallverhütungsvorschriften
  • Leitlinien LASI, Handlungshilfen
  • DGUV 2
  • Recht der Beförderung gefährlicher Güter
  • Erläuterungen zum SGB VII

Dieser Kommentar richtet sich insbesondere an Arbeitgeber, Behörden- und Dienststellenleiter, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Arbeitsmediziner/Betriebsärzte, Betriebs- bzw. Personalräte, Arbeitsschutzbehörden, Berufsgenossenschaften sowie an die Gemeinde-Unfallversicherungen.

Begründet von Matthias Nöthlichs.
Bearbeitet von RA Prof. Dr. Thomas Wilrich, Professor für Wirtschaftsprivatrecht und Arbeitsrecht an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule München.

Programmbereich: Arbeitsschutz