Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

ArbG Köln: Auch bei Kündigungen gegenüber Schwerbehinderten innerhalb der Wartezeit ist unter anderem das Integrationsamt einzuschalten (Foto: hkama / stock.adobe.com)
Kündigung von schwerbehinderten Personen

ArbG Köln zum Präventionsverfahren bei Kündigung eines Schwerbehinderten innerhalb der ersten sechs Monate

ESV-Redaktion Recht
23.02.2024
Kann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten innerhalb der ersten sechs Monate diskriminierend sein, wenn der Arbeitgeber es unterlassen hat, das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen? Mit dieser Frage hat sich das ArbG Köln aktuell auseinandergesetzt. 
In dem Streitfall war der schwerbehinderte Kläger – mit einem Behinderungsgrad von 80 – seit dem 01.01.2023 bei der beklagten Gemeinde in deren Bauhof beschäftigt. Zwischen dem 02.01.2023 und dem 14.04.2023 erfolgte sein Einsatz in verschiedenen Kolonnen des Bauhofs. Ab Ende Mai war er dann arbeitsunfähig und am 22.06.2023 kündigte die Kommune das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2023. Hiergegen zog der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage vor das ArbG Köln.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


ArbG Köln: Kündigung unwirksam

Die Klage hatte vor der 18. Kammer des ArbG Köln Erfolg: Nach Auffassung der Kammer ist die Kündigung unwirksam, weil sie gegen das Diskriminierungsverbot von § 164 Absatz 2 SGB IX (siehe unten) verstößt. Die tragenden Erwägungen der Kammer:

  • Präventionsverfahren auch während der Wartezeit: Die Arbeitgeberin muss auch während der Wartezeit des § 1 Absatz 1 KSchG ein Präventionsverfahren nach § 167 Absatz 1 SGB IX durchführen – und zwar entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG.
  • Unionsrechtskonforme Auslegung: Diese Rechtsfolge leitet die Kammer aus der unionsrechtskonformen Auslegung von § 167 Absatz 1 SGB IX her. Diese Norm verbietet Arbeitgebern jede Benachteiligung von schwerbehinderten Personen aufgrund ihrer Behinderung. Sie soll das verfassungsrechtliche Gebot einer verbesserten Eingliederung von schwerbehinderten  Menschen stärken und auch der Umsetzung der EU-RL RL 2000/78 zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dienen, so die Kammer hierzu. Somit sind die Präventionsmaßnahmen der Schwerbehindertenvertretung und auch das Integrationsamt einzuschalten, wenn Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis sichtbar sind, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können. Dies hatte Beklagte unterlassen.
  • Einleitung des Präventionsmaßnahmen bereits nach Erkennbarkeit der ersten Schwierigkeiten: Das heißt, spätestens dann, als die Beklagte bemerkte, dass sich der schwerbehinderte Kläger nach ihrem Vortrag nicht bewährte oder sich nicht in das Team einfügte, hätte sie Präventionsmaßnahmen ergreifen und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung sowie das Integrationsamt einschalten müssen.
Die Kammer orientierte sich bei ihrer Entscheidung im Wesentlichen an der Rechtsprechung des EuGH zum Schwerbehindertenschutz, hier am  Urteil des EuGH vom 10.02.2022 (C-485/20).


Juris Arbeitsrecht Premium


Jetzt gratis testen: Lernen Sie juris Arbeitsrecht Premium für 4 Wochen kostenlos, unverbindlich und ohne Risiko kennen.

Mit juris Arbeitsrecht Premium nutzen Sie die maximale Bandbreite an arbeitsrechtlicher Top-Literatur der jurisAllianz für Ihre Argumentation. Exklusiv mit den STAUDINGER Bänden zum Arbeitsrecht! Und mit direktem Zugriff auf aktuelle Rechtsprechung und Bundesgesetze.



juris Arbeitsrecht Premium enthält inklusive der Inhalte des Moduls juris Arbeitsrecht folgende Werke aus dem Erich Schmidt Verlag:

  • Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, Kommentar, von Dr. Gerhard Knorr, Prof. Dr. Otto Ernst Krasney
  • Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens von Dr. Alexander Ostrowicz, Dr. Reinhard Künzl, Christian Scholz
  • Betriebsverfassungsrecht von Dr. Klaus Pawlak und Jan Ruge
  • Alternativen zur Kündigung von Dr. Marion Bernhardt
  • Kündigung bei Krankheit von Prof. Dr. Achim Lepke
  • Personal Recruitment von Prof. Dr. jur. Wolfgang Böhm, Dipl.-Psychologe Dr. Stefan Poppelreuter
  • Schwerbehindertenrecht von Dr. Nicolai Besgen
  • Praxishandbuch Auslandsbeschäftigung von Ebba Herfs-Röttgen (Hrsg.)
Verlagsprogramm  Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht


Im Wortlaut: § 167 SGB IX Prävention 
(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.

Arbeitsrecht, Recht des öffentlichen Dienstes und Beamtenrecht 19.02.2024
Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht

An dieser Stelle berichten wir fortlaufend über aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht. Zu den Themenbereichen gehört auch das Recht des öffentlichen Dienstes und das Beamtenrecht.  mehr …


(ESV/bp)

Programmbereich: Arbeitsrecht