
ArbG Weiden: Sexuelle Belästigung, die als „Gaudi“ gedacht war, berechtigt zur ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses
Kläger: Kündigung unwirksam und sozial ungerechtfertigt
Beklagte: respektloses und krasse Fehlverhalten des Klägers rechtfertigt fristlose Kündigung
Nach Meinung der Beklagten rechtfertigte das aus ihrer Sicht respektlose und krasse Fehlverhalten des Klägers eine fristlose Kündigung – und zwar ohne eine vorherige Abmahnung.
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ArbG Weiden: Im Ergebnis nur ordentliche Kündigung gerechtfertigt
Die Kündigungsschutzklage hatte vor dem ArbG nur zum Teil Erfolg. Das Gericht sah zwar die außerordentliche fristlose Kündigung als unwirksam an. Allerdings sah es in dem Verhalten des Klägers einen Anlass, der eine ordentlichen Kündigung zum 30.09.2022 rechtfertigt. Die wesentlichen Erwägungen des ArbG Weiden:
Grund für außerordentliche Kündigung zwar prinzipiell gegeben
- Handlung des Klägers ist sexuelle Belästigung: Zur Überzeugung des Gerichts stand fest, dass der Kläger vor seinen Kollegen seine Genitalien entblößt hatte und damit ganz bewusst die Innenseite der Fahrertür berührte. Hierbei kam es nicht drauf an, ob er hierfür die Hose ganz oder teilweise geöffnet oder teilweise heruntergezogen hatte. Die von den glaubwürdigen Zeugen geschilderte Handlung des Klägers war auch bei einem nur teilweisen Herunterziehen der Hose möglich. Weil der Kläger bewusst das Auto des M an der Innenverkleidung der Fahrertüre ekelerregend mit seinen Genitalien berührte und den M zudem als Schwein bezeichnete, lag dem Gericht zufolge im Prinzip ein Grund für eine fristlose Kündigung vor. In diesem Verhalten sah das Gericht ein grob respektloses und beleidigendes Verhalten gegenüber M, es zudem als sexuelle Belästigung der Kollegen im Sinne von § 3 IV AGG wertete.
- Innere Haltung des Klägers unerheblich: Darauf, wie der Kläger selbst sein Verhalten empfand oder verstanden wissen wollte, kam es nicht an. Vielmehr liegt in dem Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung gleichzeitig ein Verstoß gegen die Verletzung der Würde der betroffenen Personen. Zudem habe der Arbeitgeber nach § 12 I und III AGG die Pflicht, Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu schützen und mit angemessenen Maßnahmen zu reagieren, so das Gericht hierzu.
Aber – milderes Mittel möglich
- Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis Ende der Frist zur ordentlichen Kündigung zumutbar: So wäre der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist als milderes Mittel und ausreichendes Mittel zumutbar gewesen. Insofern nahm das Gericht den Umstand, dass der Kläger nicht heimlich vorging und das Auto des M wohl nicht grob verunreinigen wollte, mit in seine Bewertung auf.
- Rauer Umgangston in Baubranche: Demnach war die klägerische Aktion eher ein schlechter Scherz. Mit entscheidend war, dass das Gericht die anwesenden Mitarbeiter der Beklagten eher als „Männer der Tat“ sah. Diese arbeiteten in der Baubranche, in der ein rauerer Umgangston herrscht als etwa in einer Bank. Zwar führt dies nicht dazu, dass alle Herabwürdigungen ohne Folgen hinzunehmen sind. Dennoch wertete das ArbG Weiden dies als „mildernden Umstand“.
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(ESV/bp)
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