
Aufregung um Prüfung von Corona-Maßnahmen an Schulen durch Familiengerichte
Ausgangspunkt AG Weimar
Allerdings hat das Thüringer OLG den Beschuss des AG Weimar am 14.05.2021 in dem Verfahren 1 UF 136/21 auf die sofortige Beschwerde des Freistaates Thüringen hin aufgehoben. Die Begründung: Die Familiengerichte sind hierfür nicht zuständig. Auch eine Verweisung an das Verwaltungsgericht (VG) kam nach Meinung der OLG-Richter nicht in Betracht.
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Weitere Verfahren
- Ordentliche Gerichte: Wie die Pressestelle des AG Hannover am 15.4.2021 mitteilte, sind allein an dem dortigen Familiengericht unter Berufung auf die Weimarer AG-Entscheidung mehr als 100 in etwa gleichlautende Anträge eingegangen. Allerdings hat das Gericht keine familienrechtlichen Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB eingeleitet, weil es – unabhängig von der Frage der Zuständigkeit – keine Gefährdung des Kindeswohls sah. Weitere Verfahren mit ähnlichen Streitgegenständen fanden zum Beispiel vor dem AG Neustadt am Rübenberge, dem AG Siegburg (323 F 48/21) dem AG Elmshorn (44 F 33/21) oder vor dem OLG Nürnberg statt (Beschlüsse vom 26.04.2021 – 9 WF 342/21 und 9 WF 343/21). Die Nürnberger OLG-Richter haben aber wegen der nach ihrer Ansicht grundsätzlichen Bedeutung die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
- VG Weimar: Das VG Weimar hält den Beschluss des Richterkollegen vom AG Weimar allerdings für offensichtlich rechtswidrig. Demnach darf ein Familiengericht keine Anordnungen gegenüber Behörden als Träger öffentlicher Gewalt treffen. Vielmehr liegt die gerichtliche Kontrolle von Behördenhandlungen – auch bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes – allein bei den Verwaltungsgerichten. Dies teilte die Pressestelle des VG am 20.04.2021 mit. Anlass der Pressemeldung (PM) war der Beschluss des VG vom 20.04.2021 (8 E 416/21 We), mit der das Gericht die Maskenpflicht an einer Schule bestätigt hatte.
Der Fall vor dem OLG Frankfurt am Main
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OLG Frankfurt: Rechtsweg zu Familiengerichten nicht eröffnet
- Familiengerichte können Schulen nicht zum Handeln zwingen: § 1666 BGB sieht nur verhältnismäßige Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls im „konkreten Einzelfall“ vor. Die Aufhebung von infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen – zu denen auch die Maskenpflicht, das Abstandsgebot oder die Verpflichtung zu Schnelltests gehört – fällt nicht darunter.
- Zuständigkeit bei den Verwaltungsgerichten: Regelungen des länderrechtlichen Infektionsschutzes sind als „öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art“ anzusehen. Für solche Streitigkeiten ist dem OLG zufolge der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
Quelle: PM des OLG Frankfurt am Main vom 25.05.2021 zum Beschluss vom 05.05.2021 – 4 UF 90/21
BVerwG: Verwaltungsgerichte sind unzuständig
Denmach wollten sich die Eltern in ihrem Schreiben an das Amtsgericht ausdrücklich darauf beschränken, ein familiengerichtliches Tätigwerden gegen die Schule auf der Grundlage des § 1666 Abs. 1 und 4 BGB einzuleiten. Über Maßnahmen nach § 1666 BGB entscheidet das AG/Familiengericht jedoch selbständig von Amts wegen.
Update |
28.10.2021 |
BGH: Familiengerichte können gegenüber Schulen keine Anordnungen in Bezug auf Corona-Schutzmaßnahmen treffen | |
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Das AG Weimar sorgte im Frühjahr 2021 für Verwirrung, indem es im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens an zwei Schulen unter anderem die Maskenpflicht aufheben wollte. Anschließend gingen allein beim AG-Familiengericht Hannover mehr als 100 gleichlautende Anträge ein, die die Richterkollegen in Hannover allerdings ablehnten. Nachdem sich unter anderem auch das VG Weimar, das OLG Frankfurt und das BVerwG mit der Frage beschäftigt hatten, nahm nun auch der BGH Stellung. mehr … |
Im Wortlaut: § 1666 BGB (Absätze 1, 3 und 4) – Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls |
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. (3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere
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Rechtsprechungsübersicht | 17.05.2021 |
Gerichtsentscheidungen rund um Corona | |
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Die Corona-Krise betrifft fast alle Lebensbereiche. Dementsprechend haben Gesetzgeber und Behörden reagiert und existenzielle Bürgerrechte eingeschränkt. Dies blieb nicht unumstritten und führte zu zahlreichen Gerichtsverfahren, die oft in Eilverfahren entscheiden wurden. Eine Auswahl von Entscheidungen, über die wir berichtet haben, können Sie unserer laufend aktualisierten Zusammenstellung entnehmen. mehr … |
(ESV/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht