
BaFin erlässt Allgemeinverfügung zu Nettingvereinbarungen
Anlass hierfür war ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom gleichen Tag (Az: IX ZR 314/14). In diesem ging es um die Wirksamkeit von bestimmten Vereinbarungen für Finanztermingeschäfte.
BGH: Abrechnungsvereinbarungen in Aktienoptionsgeschäften, die für den Fall der Insolvenz getroffen werden, können gegen § 104 InsO verstoßen
In dem betreffenden Fall hatten die streitenden Parteien einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte abgeschlossen. Dieser basierte auf dem Muster, das der Bundesverband Deutscher Banken publiziert hatte. Beklagte war eine Bank englischen und walisischen Rechts, die in die Insolvenz geraten war.Streit bestand vor allem darüber, welche Auswirkungen die Insolvenz der Beklagten auf den Rahmenvertrag hat. Die beklagte Bank errechnete auf der Basis dieses Vertrages für sich einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 12,974 Millionen Euro je streitgegenständlicher Option. Diesen Anspruch machte sie im Wege einer Widerklage geltend und verweigerte die Herausgabe der Aktien.
Der BGH sah den Ausgleichsanspruch der Beklagten zwar dem Grunde nach als gegeben an. Die Karlsruher Richter meinten aber, dass die Ausgleichsregelungen in § 104 InsO im Insolvenzfall gegenüber dem Rahmenvertrag den Vorrang haben. Dies ergebe sich aus § 119 InsO. Danach sind Vereinbarungen, die schon im Voraus die Anwendung von § 104 InsO beschränken, unwirksam.
Gesetzgeber kündigt Neuregelung an
Als Reaktion hierauf haben das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) sowie das Bundesministerium der Finanzen (BMF) gemeinsam erklärt, dass sie gesetzgeberische Maßnahmen einleiten wollen.Diese sollen die betreffenden Regelungen des Insolvenzrechts klarstellen und gewährleisten, dass die gängigen Rahmenverträge auch weiterhin von den Aufsichtsbehörden und den Märkten anerkannt werden. Allerdings wolle man zunächst prüfen, ob das Urteil Auswirkungen über den Einzelfall hinaus habe.
Allgemeinverfügung der BaFin als vorläufige Regelung
Bis der Gesetzgeber diesen Bereich neu geregelt hat, wird allerdings einige Zeit vergehen. Daher legte die BaFin in Abstimmung mit der Deutschen Bundesbank für diesen Schwebezeitraum fest, dass vertragliche Nettingvereinbarungen auch weiterhin vereinbarungsgemäß abgewickelt werden müssen.Die BaFin sah in dem vorliegenden Szenario einen drohenden Missstand im Sinne von § 4a WpHG. Dieser könne die Stabilität der Finanzmärkte gefährden oder das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttern.
Die Verfügung trat am 10.06.2016, 0.00 Uhr in Kraft. Sie gilt bis zum 31.12.2016, 24.00 Uhr.
Was ist ein Nettingrahmenvertrag? |
Nettingrahmenverträge sollen bewirken, dass die einbezogenen Geschäfte – zum Beispiel Derivatetransaktionen - beim Eintritt von vertraglich definierten Ausfallereignissen enden oder beendet werden können. Die zum Zeitpunkt der Beendigung ermittelten Marktwerte der Einzelgeschäfte werden anschließend zu einem Nettoanspruch oder einer Nettoforderung saldiert. Vereinbarungen, wie sie in dem obigen BGH-Fall verwendet werden, kommen in zahlreichen Rahmenverträgen vor. Diese basieren auf Musterklauseln, wie sie z.B. von dem Bundesverband Deutscher Banken oder der International Swaps and Derivatives Association (ISDA) erstellt werden. |
BGH-Urteil vom 09.06.2016 - Allgemeinverfügung der BaFin - Pressemeldung der BaFin
Weiterführende Literatur |
Der Kommentar von Reischauer/Kleinhans zum Kreditwesengesetz (KWG) ist ein seit vielen Jahren angesehenes und bewährtes Standardwerk. Das Loseblattwerk kommentiert neben den KWG-Normen u.a. die LiqV oder die AnzV und erläutert den MaRisk-Regelungstext. Sukzessive behandelt das Werk zudem die wesentlichen Vorschriften der neuen EU-Verordnung CRR (Capital Requirements Regulation). Dabei berücksichtigt es auch die technischen Standards der europäischen Aufsichtsbehörde EBA und weitere relevante Bestimmungen, wie z.B. die EBA-Guidelines. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Bank- und Kapitalmarktrecht