Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

BAG: Tarifverträge können im Bereich der Leiharbeit Ausnahmen vom Grundsatz des „equal pay“ begründen (Foto: HaDeVau / stock.adobe.com)
Arbeitsrecht

BAG zu den Ausnahmen vom „equal pay“ für Leiharbeitnehmer

ESV-Redaktion Recht
05.06.2023
Nach dem Grundsatz des „equal-pay“ hätten Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf das gleiche Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers. Zu den Ausnahmen von diesem Prinzip hat sich das BAG kürzlich geäußert.
In dem Streitfall war die Klägerin aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses gemäß § 14 Absatz 2 TzBfG bei der Beklagten als Leiharbeitnehmerin in Teilzeit beschäftigt. Im Zeitraum von Januar bis April 2017 wurde die Klägerin hauptsächlich bei einem Einzelhandelsunternehmen als Kommissioniererin eingesetzt – bei einem Brutto-Verdienst von zuletzt 9,23 EUR pro Stunde.

Nach ihrem Vortrag erhielten vergleichbare Stammarbeitnehmer einen Brutto-Stundenlohn von 13,64 EUR. Mit ihrer Klage verlangte sie von der Beklagten für den benannten Zeitraum eine Differenzvergütung von 1.296,72 EUR brutto. Grundlage hierfür ist nach ihrer Meinung der Gleichstellungsgrundsatz nach § 8 Absatz 1 AÜG bzw. § 10 Absatz 4 Satz 1 AÜG a.F. Demnach ist das Tarifwerk von „iGZ“ und „ver.di“ – das auf ihr Leiharbeitsverhältnis anzuwenden ist – nicht mit Art. 5 Absatz 3 der Leiharbeits-RL und dem daraus abzuleitenden Schutz der Leiharbeitnehmer vereinbar.

Demgegenüber meint die Beklagte, dass das benannte Tarifwerk nicht gegen EU-Recht verstößt. Darüber hinaus hat sie die Höhe der Vergütung von vergleichbaren Stammarbeitnehmern des Entleihers mit Nichtwissen bestritten. Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, zog die Klägerin mit einer Revision vor das BAG.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden!
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


BAG: Kein Anspruch auf Differenzlohn

Das Rechtsmittel hatte auch vor dem Fünften Senat des BAG keinen Erfolg. Der Senat hatte das Revisionsverfahren zunächst ausgesetzt und den EuGH um Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL und der dort nicht definierten Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern gebeten. Diese Anfrage hatte der EuGH im Dezember (C-311/21 – „TimePartner Personalmanagement“) beantwortet.

Nach Fortsetzung der Revisionsverhandlung kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keinen Anspruch auf ein Arbeitsentgelt wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers hat. Dies begründete der Senat im Wesentlichen mit folgenden Überlegungen:

  • Nur tarifliche Vergütung geschuldet: Das Tarifwerk von „iGZ“ und „ver.di“ verpflichtete die Beklagte nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AÜG mit § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG a.F. nur dazu, die tarifliche Vergütung zu zahlen.

  • Schlechterstellung zulässig: Hierzu meinte der Senat weiter, dass die Klägerin zwar einen Nachteil hätte, wenn ihr Vortrag zur Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer zutrifft. Eine derartige Schlechterstellung lässt aber Art. 5 Abs. 3 der Leiharbeits-RL ausdrücklich zu, wenn hierbei der „Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer“ beachtet wird.

  • Neutralisierung der Ungleichbehandlung durch Ausgleichsvorteile: Sodann berief sich der Senat auf den EuGH. Demzufolge können bestimmte Vorteile die Ungleichbehandlung ausgleichen.
  • Entgelt in verleihfreien Zeiten als Ausgleichsvorteil: Zu solchen Ausgleichsvorteilen kann – wiederum dem EuGH zufolge – auch die Fortzahlung des Entgelts in verleihfreien Zeiten gehören. Nach deutschem Recht sind auch bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen verleihfreie Zeiten möglich, wenn der Leiharbeitnehmer nicht ausschließlich für einen bestimmten Einsatz eingestellt wird. Gleiches gilt, wenn der Entleiher sich vertraglich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Leiharbeitnehmer vorbehält. Auch das Tarifwerk von „iGZ“ und „ver.di“ gewährleistet die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten, führte der Senat hierzu weiter aus. So kann etwa der Anspruch auf Vergütung im Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 BGB im Leiharbeitsverhältnis nicht abbedungen werden – im Gegensatz zu anderen Arbeitsverhältnissen.
  • Keine Unterschreitung von gesetzlichen Lohnvorgaben: Weiterhin hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern den gesetzlichen Mindestlohn oder andere staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen nicht unterschreiten darf.

  • Abweichung von „equal pay“ befristet: Schließlich ist eine Abweichung vom Grundsatz des „equal pay“ nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AÜG seit dem 01.04.2017 grundsätzlich nur in den ersten neun Monaten des Leiharbeitsverhältnisses möglich.
Damit genügt dieses Tarifwerk nach Senatsauffassung den Anforderungen von Art. 5 Abs. 3 Leiharbeits-RL – und zwar in der Gesamtschau mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer. 

Quelle: PM des BAG vom 31.05.2023 zum Urteil vom selben Tag – 5 AZR 143/19


juris Arbeitsrecht Premium

Mit juris Arbeitsrecht Premium nutzen Sie die maximale Bandbreite an arbeitsrechtlicher Top-Literatur der jurisAllianz für Ihre Argumentation. Exklusiv mit den STAUDINGER Bänden zum Arbeitsrecht! Und mit direktem Zugriff auf aktuelle Rechtsprechung und Bundesgesetze.



juris Arbeitsrecht Premium enthält inklusive der Inhalte des Moduls juris Arbeitsrecht folgende Werke aus dem Erich Schmidt Verlag:

  • Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld, Kommentar, von Dr. Gerhard Knorr, Prof. Dr. Otto Ernst Krasney
  • Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens von Dr. Alexander Ostrowicz, Dr. Reinhard Künzl, Christian Scholz
  • Betriebsverfassungsrecht von Dr. Klaus Pawlak und Jan Ruge
  • Alternativen zur Kündigung von Dr. Marion Bernhardt
  • Kündigung bei Krankheit von Prof. Dr. Achim Lepke
  • Personal Recruitment von Prof. Dr. jur. Wolfgang Böhm, Dipl.-Psychologe Dr. Stefan Poppelreuter
  • Schwerbehindertenrecht von Dr. Nicolai Besgen
  • Praxishandbuch Auslandsbeschäftigung von Ebba Herfs-Röttgen (Hrsg.)
Jetzt gratis testen: Lernen Sie juris Arbeitsrecht Premium für 4 Wochen kostenlos, unverbindlich und ohne Risiko kennen.
Verlagsprogramm  Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht


Arbeitsrecht, Recht des öffentlichen Dienstes und Beamtenrecht 03.05.2023
Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht

Im Arbeitsrecht sind immer wieder sehr interessante Fragen zu klären. Wichtige Entscheidungen der Gerichte zum Arbeits-und Sozialrecht, einschließlich des Rechts des öffentlichen Dienstes und des Beamtenrechts, stellen wir an dieserStelle – fortlaufend aktualisiert – für Sie zusammen. mehr
 

(ESV/bp)

Programmbereich: Arbeitsrecht