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BAG: Ein von der Arbeitnehmerin selbst durchgeführter positiver Test führt noch nicht zur sicheren Kenntnis von einer Schwangerschaft (Foto: rolafoto / stock.adobe.com)
Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen

BAG zur Kenntnis einer Schwangerschaft bei nachträglicher Kündigungsschutzklage

ESV-Redaktion Recht
07.04.2025
Wann hat eine Arbeitnehmerin positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft? Reicht hierfür schon das positive Ergebnis eines Selbsttests oder hat sie diese erst beim Vorliegen eines entsprechenden ärztlichen Zeugnisses? In einem Streitfall, den das BAG aktuell entschieden hat, war der Zeitpunkt der Kenntnis entscheidend für die Frage, ob eine Kündigungsschutzklage nach § 5 Absatz 1 Satz 2 KSchG nachträglich zuzulassen war.
In dem Fall kündigte eine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ihrer Mitarbeiterin ordentlich zum 30.06.2022. Das Kündigungsschreiben war der Mitarbeiterin – und späteren Klägerin – am 14.05.2022 zugegangen.
 
Am 29.05.2022 erfuhr die Mitarbeiterin aufgrund seines Selbsttests, dass sie schwanger war. Obwohl sie sich umgehend um einen Termin beim Frauenarzt bemühte, erhielt sie diesen erst für den 17.06.2022.
 
Am 13.06.2022 erhob die Klägerin dann eine Kündigungsschutzklage und beantragte deren nachträgliche Zulassung nach § 5 Absatz 1 Satz 2 KSchG (siehe unten).
 
Ein ärztliches Zeugnis – das sie am 21.06.2022 beim ArbG einreichte – bestätigte ihr eine am 17.06.2022 festgestellte Schwangerschaft in etwa der „7 + 1 Schwangerschaftswoche“. Laut Mutterpass wurde sie am 28.04.2022 schwanger. Nach Auffassung der Klägerin war die Kündigungsschutzklage daher nachträglich zuzulassen.
 

Beklagte:Klägerin hatte schon nach Selbsttest positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft 


Demgegenüber meinte die Beklagte, dass die benannte Norm nicht anzuwenden sei. Demnach hatte die Klägerin bereits aufrund ihres positiven Selbsttests am 29.05.2022 Kenntnis von ihre Schwangerschaft. Die Vorinstanzen geben der Kündigungsschutzklage aber statt, sodass die Beklagte mit einer Revision vor das BAG zog.
 
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BAG: Auf die ärztliche Untersuchung kommt es an

 
Auch die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Nach Auffassung des Zweiten Senats des BAG verstößt die Kündigung der Beklagten gegen das Kündigungsverbot nach § 17 Absatz 1 Nr. 1 MuSchG und ist somit unwirksam. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:

  • Kündigungsschutzklage zwar verspätet: Zwar wäre die Frist für die Kündigungsschutzklage laut § 4 Absatz 1 Satz KSchG am 13.06.2022 abgelaufen.
  • Aber – nachträgliche Zulassung möglich: Allerdings war die verspätete Klage nach § 5 Absatz 1 Satz 2 KSchG nachträglich zuzulassen, so der Senat weiter.
  • Positive Kenntnis von Schwangerschaft erst nach ärztlicher Untersuchung: Dem Senat zufolge hatte die Klägerin erst am Tag der Untersuchung durch ihren Frauenarzt – also am 17.06.2022 – positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangt. Eine solche gesicherte Kenntnis konnte ihr der von ihr selbst durchgeführte Schwangerschaftstest vom 29.05.202 nicht vermitteln.
  • Keine vorwerfbare Unkenntnis der Schwangerschaft bis zum Termin beim Frauenarzt: Weil der 17.06.2022 der früheste Termin war, den sie bei ihrem Frauenarzt erhalten konnte, hatte sie ihre bis dahin bestehende Unkenntnis auch nicht zu vertreten.  
  • Kein Verstoß gegen EU-Recht: Das System der §§ 4, 5 KSchG mit § 17 Absatz 1 MuSchG erfüllt auch die Vorgaben der RL 92/85/EWG. Dies habe der EuGH in Sachen „Haus Jacobus“ (EuGH vom 27.06. 2024 – C-284/23) klargestellt, so der Senat abschließend.
Quelle: PM des BAG vom 03.04.2025 zum Urteil vom selben Tag – 2 AZR 156/24


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Im Wortlaut: § 5 Absatz 1 Satz 2 KSchG 
[ ...] Die Klage ist auf Antrag nachträglich zuzulassen, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt.

[...]

 
(ESV/bp)

Programmbereich: Arbeitsrecht