
BFH: Attac-Trägerverein verliert Gemeinnützigkeit
Bei der Förderung der Volksbildung i.S. von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO hat sich die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken.
Politische Bildung vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen. Die Verfolgung politischer Zwecke ist im Steuerrecht nicht gemeinnützig. Gemeinnützige Körperschaften haben kein allgemeinpolitisches Mandat.
Bei der Prüfung der Ausschließlichkeit der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweckverfolgung und der tatsächlichen Geschäftsführung nach §§ 56, 63 AO kann zwischen der Körperschaft als „Träger“ eines „Netzwerks“ und den Tätigkeiten des unter dem gleichen Namen auftretenden „Netzwerks“ zu unterscheiden sein. Dabei sind alle Umstände einschließlich des Internetauftritts der Körperschaft zu berücksichtigen.
Mit seinem Urteil verwarf der BFH die Entscheidung der Vorinstanz. Das Hessische Finanzgericht war davon ausgegangen, dass die nach § 52 AO steuerbegünstigte Förderung der Volksbildung eine Betätigung in beliebigen Politikbereichen zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen ermögliche.
Politische Bildungsarbeit erfordert geistige Offenheit
Demgegenüber ist nach dem Urteil des BFH für die zur Volksbildung gehörende politische Bildung wesentlich, politische Wahrnehmungsfähigkeit und politisches Verantwortungsbewusstsein zu fördern. Dabei können auch Lösungsvorschläge für Problemfelder der Tagespolitik erarbeitet werden. Politische Bildungsarbeit setzt aber ein Handeln in geistiger Offenheit voraus. Daher ist eine Tätigkeit, die darauf abzielt, die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen, nicht als politische Bildungsarbeit gemeinnützig.Aktuelle Meldungen |
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Verfolgung eigener politischer Ziele nicht gemeinnützig
Im Streitfall ging es nicht um die inhaltliche Berechtigung der von Attac erhobenen Forderungen. Entscheidungserheblich war vielmehr, inwieweit sich Vereine unter Inanspruchnahme der steuerrechtlichen Förderung der Gemeinnützigkeit politisch betätigen dürfen. Nach dem Urteil des BFH ist der Attac-Trägerverein nicht im Rahmen gemeinnütziger Bildungsarbeit berechtigt, Forderungen zur Tagespolitik bei „Kampagnen“ zu verschiedenen Themen öffentlichkeitswirksam zu erheben, um so die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei ging es z.B. um ein Sparpaket der Bundesregierung, die Finanztransaktionensteuer, die Bekämpfung der Steuerflucht, ein Doppelbesteuerungsabkommen, ein Bahnprojekt, die wöchentliche Arbeitszeit oder das sog. bedingungslose Grundeinkommen.Zurückverweisung an das Finanzgericht wegen Frage der Zurechnung der Betätigungen
Der BFH verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht hatte nicht festgestellt, ob die für die Gemeinnützigkeit unzulässigen Betätigungen dem Attac-Trägerverein selbst oder anderen Mitgliedern der Attac-Bewegung zuzurechnen sind. Dies ist in einem zweiten Rechtsgang nachzuholen. Dabei hat das Finanzgericht auch die Selbstdarstellung des Attac-Trägervereins auf seiner Internetseite zu berücksichtigen. Ein Verlust der Gemeinnützigkeit führt insbesondere dazu, dass keine Spendenbescheinigungen (Bestätigungen über nach § 10b Abs. 1 EStG als Sonderausgaben abziehbare Zuwendungen) ausgestellt werden dürfen. Der endgültige Ausgang des Verfahrens kann auch für die steuerrechtliche Beurteilung des Klägers in Folgejahren von Bedeutung sein.Standpunkt von Ass. iur. Franz Lübbehüsen (ESV-Redaktion Steuern) |
Die Entscheidung ist sehr bedeutend für die politische Willensbildung in Deutschland. Die Richter des höchsten deutschen Finanzgerichts mögen in der Sache, was unter Förderung der Volksbildung zu verstehen ist, richtig entschieden haben. Gleichwohl wirft das Urteil auch Fragen auf, die in Zukunft beantwortet werden müssen.
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Quelle: PM des Bundesfinanzhofs Nr. 9/2019 vom 26.02.2019
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(ESV/fl)
Programmbereich: Steuerrecht