
BFH zu Prozesskosten in Zusammenhang mit einem Umgangsrechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen
Die Tochter des Klägers wurde kurz nach der Geburt von der Mutter in deren Heimatland in Südamerika verbracht. Der Kläger versuchte - vergeblich -, die Tochter mittels des Verfahrens zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung nach Deutschland zurückzuholen. Die dafür bisher entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten von über 20.000 Euro machte er als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt lehnte dies unter Hinweis auf die entgegenstehende Rechtslage ab.
Das Finanzgericht gab der daraufhin erhobenen Klage statt. Zwar fehle es bei einem Zivilprozess im Allgemeinen an der Zwangsläufigkeit des die Zahlungspflicht der Prozesskosten auslösenden Ereignisses. U.a. für den Fall, dass die Streitigkeit einen Kernbereich menschlichen Lebens berühre, habe der BFH aber eine Ausnahme anerkannt. Die Aufwendungen des Klägers seien auch nicht nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug ausgeschlossen, da der Begriff der Existenzgrundlage verfassungskonform in einem immateriellen Sinn auszulegen sei.
Kein Abzug als außergewöhnliche Belastungen für Prozesskosten eines Umgangsrechtsstreits
Der BFH bestätigte dagegen die Rechtsauffassung des Finanzamts, hob das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klage ab. Das Finanzgericht habe die Prozesskosten des Klägers zu Unrecht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.Der BFH entschied, dass
- unter der Existenzgrundlage i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nur die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen zu verstehen sind
- und dass Prozesskosten anlässlich eines Umgangsrechtsstreits und der Rückführung des Kindes aus dem Ausland zurück nach Deutschland gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind.
Aktuelle Meldungen |
Hier bleiben Sie auf dem aktuellen Stand im Bereich Steuern. Sie können auch unseren kostenlosen Newsletter Steuern hier abonnieren. |
Begriff Existenzgrundlage erfasst nur materielle Lebensgrundlage
Für Prozesskosten gelte ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ein grundsätzliches Abzugsverbot (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Nur wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, sei ein Abzug der Prozesskosen (ausnahmsweise) zulässig.Existenzgrundlage im Sinne des Gesetzes sei aber nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers allein die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen. Durch die Kindesentführung sei ungeachtet der besonderen emotionalen und auch finanziellen Belastung für den Kläger allein dessen immaterielle Existenzgrundlage betroffen.
Es sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Begriffe der Existenzgrundlage und der lebensnotwendigen Bedürfnisse in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG (auch) in einem immateriellen Sinne zu deuten. Für eine Auslegung, dass Aufwendungen für Streitigkeiten, die einen Kernbereich des menschlichen Lebens berühren, mithin die „immaterielle Existenzgrundlage“ des Steuerpflichtigen betreffen, nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG abziehbar seien, bestehe nach den Ausführungen in der Entscheidungsbegründung kein Raum. Der BFH bestätigte damit seine bisherige strenge Auffassung, der das FG mit einem sog. Rüttelurteil entgegengetreten war.
Quelle: PM des Bundesfinanzhofs Nr. 052/20 vom 05.11.2020
![]() |
Praxishandbuch Steuerstreit
Kommt es zum Steuerstreit mit der Finanzverwaltung, sehen sich Steuerpflichtige und ihre Berater mit einem starken, oft sogar scheinbar übermächtigen Gegner konfrontiert.
Ein prägnanter Leitfaden, der nach einschlägigen Entscheidungsbereichen gegliedert ist – mit jeweils eigenen Kapiteln zum Steuerpflichtigen, zum Finanzamt und unterschiedlichen Instanzen der Finanzgerichtsbarkeit. |
(ESV/fl)
Programmbereich: Steuerrecht